Finanzdienstleister und die Öffentlichkeit

Der Versicherungsombudsmann als ehrlicher Makler

Modelle und Verfahren der Alternativen Streitbeilegung sind in vielen Ländern auf dem Vormarsch und haben inzwischen unter den Instrumenten des Verbraucherschutzes eine nicht mehr hinweg zu denkende Bedeutung erlangt. Nach einer von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebenen Studie vom Oktober 2009 wurden allein in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union seinerzeit bereits 750 Systeme der außergerichtlichen Streitbeilegung identifiziert, die im Jahr 2008 schätzungsweise 530000 Fälle bearbeitet haben. Nach dem Vorschlag einer Richtlinie der EU soll für alle verbraucherrechtlichen Streitigkeiten ein Verfahren der Alternativen Streitbeilegung eingeführt werden.

Besondere Bedeutung hat unter den Instrumenten der außergerichtlichen Streitbeilegung der Ombudsmann erlangt. Dieser Begriff war bis zu Beginn der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts reserviert für eine öffentlich-rechtliche Institution, deren Aufgabe es ist, die Rechtmäßigkeit, Transparenz und Bürgerfreundlichkeit der staatlichen Verwaltung (der "Obrigkeit") auf Antrag der Bürger (der "Untertanen") zu kontrollieren.

Seit einiger Zeit setzt sich immer stärker die Erkenntnis durch, dass die dem öffent-lich-rechtlichen Ombudsmann zugrunde liegende Idee auch auf bestimmte privatrechtliche Vertragsbeziehungen zutrifft, nämlich dann, wenn diese durch eine "strukturelle Asymmetrie" zwischen den Vertragsparteien gekennzeichnet sind. Eine derartige Asymmetrie zwischen Vertragspartnern liegt dann vor, wenn auf der einen Seite ein "einfacher" Verbraucher steht, auf der anderen Seite aber ein Unternehmen mit geballter juristischer Kompetenz, mit finanziellen Ressourcen und Marktmacht. Derartige Geschäftsbeziehungen, bei denen nicht individuelle Verträge ausgehandelt, sondern Geschäfts- und Vertragsbedingungen von der einen Seite vorgegeben werden, weisen gewisse Parallelen auf zum Über- und Unterordnungsverhältnis des Bürgers zum Staat. Deshalb liegt es nahe, auch insoweit den Rechtsschutz dadurch zu komplettieren, dass neben dem Rechtsweg zu den Gerichten außergerichtliche Möglichkeiten der Streitbeilegung angeboten werden. Im Ombudsmannverfahren soll die strukturelle Schwäche des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmen in der Weise ausgeglichen werden, dass die Vertragspartner ihre Streitigkeit auf Augenhöhe austragen können. Damit wird zugleich dem den Zivilprozess beherrschenden Gedanken der "Waffengleichheit" Rechnung getragen.

Außergerichtliche Streitbeilegung in der Finanzwirtschaft

Für Streitigkeiten auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen gibt es in Deutschland eine Fülle privater Ombudsleute und Schlichtungsstellen, die jeweils unterschiedliche Organisationsstrukturen und Kompetenzen aufweisen. Genannt seien die Ombudsleute für die Zuständigkeitsbereiche der privaten Banken, der öffentlichen Banken, der Genossenschaftbanken, der jeweiligen regionalen Sparkassen, der privaten sowie der Landesbausparkassen, der geschlossenen Fonds, der Investmentfonds, der Schufa sowie der Versicherungen.

Die ganz überwiegende Anzahl dieser Schlichtungsstellen ist beim jeweiligen (Bundes-)Verband angesiedelt, einige stehen in unabhängiger Trägerschaft. Die Ombudsleute haben zum Teil die Kompetenz, bis zu einer bestimmten Streitwerthöhe bindend zulasten des Unternehmens zu entscheiden, zum Teil können sie nur Empfehlungen aussprechen.

Ein Blick in das benachbarte Ausland zeigt, dass diese Vielfalt privater Schlichtungsstellen wohl eine deutsche Spezialität ist.

In der Schweiz gibt es je einen Ombudsmann für die Banken, für die privaten Krankenversicherungen und die sonstigen Versicherungen.

Großbritannien hat die außergerichtliche Streitbeilegung auf dem Gebiet aller Finanzdienstleitungen bei einem Financial Ombudsman Service gebündelt.

Auch in den Niederlanden gibt es einen Ombudsmann für Finanzdienstleistungen, der von der Stiftung "Financial Services Reklamationen Institut" mit staatlicher Anerkennung getragen wird. Der Versicherungsombudsmann hat institutionelle Unabhängigkeit

Im Versicherungsbereich gibt es zwei getrennte Schlichtungsstellen.

Im Folgenden soll die Organisation und Kompetenz des "Versicherungsombudsmanns" skizziert werden, der mit der öffentlich-rechtlichen Anerkennung und Kompetenzzuweisung nach § 214 VVG einen gewissen Modellcharakter erlangt hat. Für die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen gibt es eine eigene Schlichtungsstelle ("PKV-Ombudsmann"), deren Organisation und Kompetenzen deutlich anders gestaltet sind.

Die deutsche Versicherungswirtschaft hat für die im Oktober 2001 gegründete Institution des Versicherungsombudsmanns eine rechtliche Konstruktion gewählt, mit der in Deutschland Neuland betreten wurde und die von Verbraucherverbänden und Politik als vorbildlich angesehen wird. Als Träger der Schlichtungsstelle wurde ein eingetragener Verein ("Versicherungsombudsmann e. V.") errichtet, also eine selbstständige juristische Person, die eigene Rechte und Pflichten hat. Mitglieder dieses Vereins sind über 95 Prozent der in Deutschland tätigen Versicherungsunter nehmen im Privatkundengeschäft sowie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV). Der Ombudsmann wurde somit nicht nur mit persönlicher, sondern auch mit institutioneller Unabhängigkeit ausgestattet.

Dem Verein ist ein Beirat mit substantiellen Befugnissen zugeordnet, in dem Vertreter von Verbraucherorganisationen und Mitgliedsunternehmen paritätisch vertreten sind und dem auch Vertreter der Versicherungsaufsicht (unter anderem die BaFin), der Wissenschaft, der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen sowie der Versicherungsvermittler angehören.

Dem Beirat kommt essenzielle Bedeutung für das System des Versicherungsombudsmanns zu. Er ist wichtiges Mitsprache- und Beratungsorgan der Institution und des Ombudsmanns persönlich sowie intern und in der Außenwirkung Garant seiner Unabhängigkeit. Zusammen mit den Mitgliedsunternehmen entscheidet der Beirat über die Bestellung und die Abberufung des Ombudsmanns und wirkt an Änderungen der Verfahrensordnung mit.

Entscheidungsbefugnis bis 10000 Euro Streitwert

Der Ombudsmann ist zuständig für auf einen versicherungsvertraglichen Anspruch gestützte Beschwerden von Verbrauchern und Kleingewerbetreibenden bis zu einem Beschwerdewert von 100000 Euro.

Bis zu einem Beschwerdewert von 10000 Euro kann der Ombudsmann entscheiden, bei einem höheren Beschwerdewert spricht er eine Empfehlung aus. Eine Entscheidung ist für den Beschwerdegegner (den Versicherer) bindend, eine Empfehlung nicht. Dem Versicherungsnehmer bleibt immer der Weg zu den Gerichten offen.

Nicht zuständig für "rechtsgrundsächliche" Beschwerden

Als Korrelat zur Verbindlichkeit von Entscheidungen sieht die Verfahrensordnung in §[8] Abs. 2 vor, dass Beschwerden, die entscheidungserhebliche, streitige, höchstrichterlich noch nicht entschiedene (also "rechtsgrundsätzliche") Rechtsfragen aufwerfen, nicht vom Ombudsmann entschieden werden sollen. Dem Unternehmen soll die Möglichkeit bleiben, solche Fragen gerichtlich klären zu lassen.

Dementsprechend sieht der Ombudsmann regelmäßig davon ab, sich mit Beschwerden zu befassen, die Fragen von weit über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung aufwerfen, wie es etwa bei der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen regelmäßig der Fall ist. Derartige rechtliche Probleme sind für eine Entscheidung im vereinfachten Ombudsmannverfahren nicht geeignet, sie müssen mit der Autorität der Gerichte geklärt werden.

Der Versicherungsombudsmann ist kraft gesetzlicher und ministerieller Zuweisung außerdem zuständig für Beschwerden von Verbrauchern gegen Vermittler und Versicherungsberater im Zusammenhang mit der Vermittlung eines Versicherungsvertrages. Grundlage dieser Zuständigkeit ist die EU-Vermittler-Richtlinie, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, für die Einrichtung von Verfahren zu sorgen, die es Kunden und anderen Betroffenen, insbesondere Verbraucherschutzverbänden, ermöglichen, Beschwerden über Versicherungs- und Rückversicherungsvermittler einzulegen. Das Bundesministerium der Justiz hat nach § [214] VVG den Versicherungsombudsmann als Schlichtungsstelle im Sinne der EU-Vermittler -Richtlinie anerkannt.

Die Zuständigkeit des Versicherungsombudsmanns beruht somit auf zwei unterschiedlichen Rechtsgrundlagen:

Für Unternehmensbeschwerden ist sie privatrechtlich, nämlich über die Mitgliedschaft im "Versicherungsombudsmann e. V." vereinbart,

für Vermittlerbeschwerden ist sie öffentlich-rechtlich begründet. Diese öffentlichrechtliche Betrauung mit den Aufgaben einer Schlichtungsstelle kann als Bestätigung der unabhängigen organisationsrechtlichen Konstruktion der Schlichtungsstelle gewertet werden.

Referenten mit Richter-Ausbildung

Die Beschwerde kann mit Brief, Telefon, Fax oder E-Mail eingelegt werden. Versicherungskaufleute nehmen die Beschwerden entgegen. Dabei unterstützen sie die Beschwerdeführer, klären erforderlichenfalls deren Anliegen, sondern die unzulässigen Beschwerden aus, fordern die notwendigen Unterlagen und Stellungnahmen der Versicherer an und übergeben das Verfahren dann dem zuständigen Juristen zur Entscheidung. Die juristischen Referenten haben dieselbe Ausbildung, wie sie ein Richter braucht. Sie entscheiden die Beschwerden nach den Vorgaben des Ombudsmanns, grundsätzliche und zweifelhafte Fälle werden vorgelegt.

Das Ombudsmannverfahren ist ein schriftliches Verfahren. Der Ombudsmann ermittelt den Sachverhalt zwar von Amts wegen, hört jedoch weder die Parteien noch Zeugen. Dies hat zur Konsequenz, dass eine Beschwerde dann nicht für das Ombudsmannverfahren geeignet ist, wenn etwa die Aussage des Versicherten gegen die des Beschwerdegegners steht und keine weiteren entscheidungsrelevanten Erkenntnisse vorliegen. Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Parteien oder die Einvernahme eines Zeugen muss dann einem Gericht überlassen bleiben.

Das Verfahren ist für den Versicherungsnehmer kostenfrei. Während des Beschwerdeverfahrens gegen Versicherungsunternehmen ist der Lauf der Verjährung gehemmt.

Top-Thema Lebensversicherung

Die Zahl der beim Ombudsmann eingelegten Beschwerden liegt seit einigen Jahren zwischen 18 000 und 19000 pro Jahr. Die meisten Beschwerden gehen zur Lebens- und Rentenversicherung ein

(knapp 40 Prozent). Die Zahl der reinen Vermittlerbeschwerden ist relativ gering (etwa 500).

Das Verfahren dauert im Durchschnitt etwa vier Monate. Mehr als ein Drittel der zulässigen Beschwerden ist erfolgreich. In der Sparte Lebens- und Rentenversicherung haben dagegen erheblich weniger Beschwerden Erfolg, da ein wesentlicher Teil dieser Beschwerden auf mangelndem Verständnis der komplexen und komplizierten Vertrags- und Rechtslage beruht.

Kein "Kampf ums Recht"

Untersuchungen zeigen, dass ein gutes Beschwerdemanagement eines Unternehmens ein wichtiges Bewertungskriterium für die Wertschätzung des Kunden ist. So ist es etwa für den Versicherer wirtschaftlich erheblich günstiger, einen Kunden durch eine befriedigende Beschwerdebearbeitung an das Unternehmen zu binden, als einen Neukunden zu werben.

Das Ombudsmannverfahren kann eine Plattform bieten für eine von einem neutralen Dritten gesteuerte und moderierte Suche nach einer für beide Teile akzeptablen Lösung. Zwar ist der Ombudsmann kein Mediator, aber er hilft in geeigneten Fällen als "ehrlicher Makler", eine einvernehmliche Erledigung der Auseinandersetzung zu erreichen. Gelingt die Befriedung der Streitigkeit zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, hat sich das Verfahren auch dann für das Unternehmen gesamtökonomisch gelohnt, wenn es finanzielle Zugeständnisse macht. Dies heißt nicht, dem Kunden immer Recht zu geben, sondern bei Zweifelsfragen einer einvernehmlichen Lösung den Vorrang zu geben, statt die eigene Position um jeden Preis durchzusetzen. Ein Obsiegen des Unternehmens in einer rechtlichen Grenzfrage kann zum Verlust dieses und weiterer potenzieller Kunden führen und sich damit als Pyrrhus-Sieg erweisen.

Im Ombudsmannverfahren steht nicht, wie in einem Zivilprozess, der "Kampf ums Recht" im Vordergrund, sondern die Schlichtung und Befriedung. Erst dann, wenn keine gütliche Einigung gelingt, ist eine Entscheidung oder Empfehlung des Ombudsmanns gefordert. Aber auch diese Verfahrensbeendigung wirkt häufig befriedend, denn der Ombudsmann stellt nicht nur einfach die Rechtslage fest. Vielmehr legt er, wenn er dem Versicherungsnehmer nicht zu seinem Ziel verhelfen kann, großen Wert darauf, diesem die Gründe der Entscheidung mit verständlichen Worten und auf seine individuelle Situation bezogen überzeugend zu vermitteln.

Um befriedend wirken und mit Autorität entscheiden zu können, darf die Institution des Ombudsmanns keine Feigenblattfunktion haben. Der Ombudsmann muss in persönlicher und fachlicher Hinsicht sowie nach der organisatorischen Konstruktion der Schlichtungsstelle in der Lage sein, kompetent, effizient und unabhängig zu agieren. Nur dann ist er substanziell in der Lage, Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen nützlich zu sein.

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