Finanzkrise - Effekte und Perspektiven

Vertrauensverlust bei Vermögenden steigt weiter

Knapp ein Jahr ist inzwischen seit der Lehman-Brothers-Pleite vergangen - zahlreichen weiteren Großbanken in den USA, in Großbritannien oder auch in Deutschland drohte ein ähnliches Pleite-Szenario. Die unvermeidlichen Folgen: Anleger flüchteten aus Bankaktien, Bankkunden haben das Vertrauen in ihr Institut verloren, und letztendlich stand das gesamte Bankensystem vor einem Zusammenbruch. Nur die milliardenschweren Rettungsschirme der Regierungen konnten weitaus drastischere Folgen reduzieren.

Nach wie vor ist die Berichterstattung über die Finanzkrise gekennzeichnet von einem Auf und Ab. Es gab schon erste positive Signale, die anzeigen, dass es bei einigen Geldinstituten wieder aufwärts geht. So meldete die Deutsche Bank bereits im ersten Quartal 2009 wieder Milliardengewinne. Amerikanische Großbanken wie Goldman Sachs und JP Morgan haben kürzlich alle Erwartungen der Analysten übertroffen und im ersten Halbjahr 2009 ebenfalls Milliardengewinne eingefahren.

Vertrauensverlust auf Höchststand

Der Euphorie an den Märkten folgte allerdings sofort Ernüchterung, als Morgan Stanley und Wells Fargo Verluste im zweiten Quartal melden mussten. Parallel dazu prognostizieren Bankenchefs in den USA ein weitaus schwierigeres zweites Halbjahr, da die Rezession die Banken schwer treffen werde. Und in Deutschland werden Banken kritisiert, weil sie zu wenig Kredite an Unternehmen vergeben - Regierung und Unternehmen fürchten eine Kreditklemme im Herbst, die zu zahlreichen Insolvenzen führen kann. So weit zu den aktuellen Entwicklungen in der Finanzkrise.

Immer noch sind die Medien übersät mit Nachrichten über die gesamte Bankenbranche und einzelne Institute. Wie wirkt sich diese Berichterstattung aber auf den Bankkunden aus? Wie hat sich dessen Einstellung zu den Instituten im Laufe der Krise verändert? Das Frankfurter Institut für Markencontrolling Brand-Control hat aktuell in seiner Studie German Wealth Monitor (GWM) die Entwicklungen am Bankenmarkt untersucht.

Für die zweimal jährlich erscheinende Analyse befragt das Institut jeweils 1 000 Spitzenverdiener, die über mindestens 100 000 Euro Jahreseinkommen verfügen und damit zu den einkommensstärksten drei Prozent in Deutschland zählen. Der GWM analysiert rund 40 deutsche und ausländische Bankinstitute, die Private Banking oder Wealth Management betreiben. Er untersucht unter anderem die Reputation der Banken und das Vertrauen, das die Vermögenden in diese Banken setzen. In der aktuellen Erhebungswelle wurden 36 Banken erfasst, auf die erneute Messung der Werte für die Landesbanken wurde verzichtet. Die aktuell im Juli 2009 durchgeführte und Anfang August ausgewertete Welle des GWM zeigt, dass der Vertrauensverlust der gut situierten Anleger weiter ansteigt, wenn auch mit gebremster Dynamik. Aktuell geben 67 Prozent der Vermögenden an, die in der Finanzkrise offenbar gewordenen Mängel bei Finanzinstituten hätten ihr Vertrauen in die Banken sehr oder etwas erschüttert. Damit hat dieser Wert ein Höchstniveau erreicht. Aber gegenüber dem im Dezember 2008 gemessenen Wert von 64 Prozent ist die Steigerung nur noch gering.

Die Ergebnisse müssen die Banken aufrütteln: Lediglich 16 Prozent der Vermögenden haben ihr Vertrauen in die Banken überhaupt nicht verloren. Das hat Folgen. Sagten im Juli 2007 nur 16 Prozent, sie wollten an ihrem Anlageverhalten etwas ändern, sind es aktuell 32 Prozent, die sich nun aktiv um alternative Anlageformen kümmern. Damit geht einher, dass mehr als jeder Dritte (39 Prozent) dieser Zielgruppe daran zweifelt, von seinem Bankberater optimal betreut zu werden.

Vertrauensverlust erfasst fast alle Banken

Der Vertrauensverlust erfasst nahezu alle Banken. Von den 36 erfassten Instituten können gerade einmal vier ihren Vertrauenswert gegenüber Dezember 2008 verbessern. Bei einer Bank blieben die Werte unverändert, für fünf Banken wurden sie erstmalig erfasst. Auch ehrwürdige Institutionen wie das Bankhaus Metzler sind nicht verschont geblieben, Sal. Oppenheim stürzt geradezu ab.

Mit dem Vertrauensverlust korreliert ein Verlust an Reputation. Die aus Markenvertrauen und Unternehmensreputation gebildete Vier-Felder-Matrix bietet das schlechteste Gesamtbild seit Beginn der Messung. So viele Banken wie im Juli 2009 gehörten noch nie dem schlechtesten Feld II an. Hier finden sich Institute wieder, bei denen sowohl der Vertrauens- als auch der Reputationsindex unterdurchschnittlich ist. Dabei sind sowohl Reputation als auch Vertrauen elementare Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit der Banken. Das Vertrauen ist der Grad, zu dem sich ein Kunde auf die Leistung eines Unternehmens verlässt. Hat der Kunde in der Vergangenheit positive Erfahrungen mit einem Unternehmen gemacht, entwickelt er Vertrauen.

Während das Vertrauen auf persönlichen Erfahrungen basiert, setzt sich die Reputation aus allen öffentlichen Informationen über das Unternehmen zusammen. Die Reputation kann als Ergebnis aller rationalen und emotionalen Bewertungen der Stakeholder zur Unternehmenstätigkeit bezeichnet werden. Ist beispielsweise die Medienberichterstattung über ein Unternehmen hauptsächlich negativ, bleibt auch die Reputation nicht unbeschadet. Die Erläuterung der Begrifflichkeiten macht deutlich, wie schwierig es für Bankinstitute während der Finanzkrise ist, ihren Ruf zu schützen und das Vertrauen ihrer Kunden zu halten. All die Institute, die in den letzten Monaten drastisch an diesen wertvollen Faktoren eingebüßt haben, müssen schnellstmöglich handeln.

Die Einordnung in die Vier-Felder-Matrix eröffnet konkrete Handlungsoptionen. Anhand der Relation von Reputation und Vertrauen lässt sich die aktuelle Positionierung der Bank am Markt mit ihren Stärken und Schwächen gegenüber dem Wettbewerb ablesen.

Handlungsbedarf für Quirin-Bank

Feld I zeigt alle Banken, die ein überdurchschnittlich hohes Vertrauen der Anleger haben, bei der Reputation allerdings unterdurchschnittlich stark sind. Die Anleger verlassen sich zwar auf die Bank, trauen ihr aber leistungsmäßig nur wenig zu. Im Sommer 2009 liegt lediglich das schweizerische Bankhaus Pictet in diesem Feld. Es befindet sich allerdings dicht an der Grenze zum günstigen Feld IV mit überdurchschnittlichem Vertrauen und überdurchschnittlicher Reputation, sodass die Pictet-Position nicht wirklich problematisch ist. Banken, die sich in diesem Feld befinden, müssen ergründen, warum ihre Kompetenzen unbekannt sind oder als gering erachtet werden. Das hohe Vertrauen in diese Banken kann als differenzierender Faktor genutzt werden, um das allgemeine Ansehen der Bank zu steigern.

In Feld II sind die Banken abgebildet, deren Reputation und Vertrauen unterdurchschnittliche Werte zeigen. Hier besteht höchster Handlungsbedarf, um aus dieser problematischen Positionierung herauszukommen. Die Gründe für die schlechten Werte müssen analysiert werden. Eine offensive Kommunikation der Vorteile der Bank kann ein erster Richtungswechsel sein. Nicht von ungefähr finden sich dort Privatbanken aus der Schweiz, aus Liechtenstein und aus Österreich, die durch die Offensive des Finanzministers Steinbrück diskreditiert wurden.

Sal. Oppenheim stürzt ab

Im Feld II finden sich aber auch Banken, die keine Markentradition aufweisen können (zum Beispiel die Quirin-Bank) oder Banken wie die Weberbank, die unter der Negativkommunikation der bisherigen Muttergesellschaft WestLB leiden. Geradezu in der Positionierung abgestürzt ist Sal. Oppenheim. Während die Bank im Dezember 2008 noch mit einem Vertrauenswert von 4,3 und einem Reputationswert von 3,5 im besten Quadranten lag, wurde sie nun mit einem Vertrauenswert von 4,8 und einem Reputationsabsturz auf 4,4 zum Problemfall.

Deutliche Spuren hinterlassen haben hier Arcandor, die damit einhergehende Finanznot, die der Deutschen Bank den Einstieg ermöglicht, sowie als unsauber berichtete Geschäfte zwischen Finanzjongleur Josef Esch, Sal. Oppenheim und Ex-Arcandorchef Thomas Middelhoff. Unglücklicherweise hat Sal. Oppenheim zudem im Frühjahr 2009 den versierten Kommunikationschef Bernd Bauer entlassen, der bei der Fachpresse großes Vertrauen genoss.

Auch gut geführte Privatbanken können sich dem Sog nicht entziehen

Feld III bildet jene Banken ab, die im Vergleich zum Wettbewerb über eine überdurchschnittlich hohe Reputation verfügen, allerdings unterdurchschnittliches Vertrauen bei ihren Anlegern genießen. Anders ausgedrückt: Der Bankkunde respektiert die Institute, mag sie persönlich aber nicht. Die kommunikative Darstellung der Bank muss analysiert werden, um festzustellen, warum die Bank in der Öffentlichkeit respektiert wird, die Anleger ihr dennoch nicht vertrauen. Dies kann beispielsweise an unglücklichem öffentlichen Auftreten von Verantwortlichen der Bank liegen oder auch an mangelhafter Service- und Kundenorientierung. In diesem Feld finden sich die Reuschel Bank, die Bankhäuser Lampe und Metzler sowie die Credit Suisse. Alle vier Banken lagen bisher im besten Feld IV. Bei der Reuschel Bank mögen die vom Mutterinstitut Commerzbank öffentlich geäußerten Verkaufsabsichten zum Vertrauensverlust beigetragen haben. Bei der Credit Suisse blieb sicherlich die Stein-brück-Schelte über die schweizerischen Banken nicht ganz ohne Wirkung. Auf den ersten Blick nicht erklärlich scheint die Positionsverschlechterung vorbildlich geführter Häuser wie Lampe und Metzler. Aber nur auf den ersten Blick. Denn wenn man beachtet, dass im besten Feld IV mit Ausnahme von Merck Finck und der Deutschen Bank fast nur noch Banken des genossenschaftlichen Verbundes und die Sparkassen stehen, wird der Mechanismus deutlich. Auch gut geführte Privatbanken können sich dem Sog des Vertrauensverlustes nicht länger entziehen. Hier wäre über den Verband dringend Gattungsmarketing im Sinne "Vertrauen in Deutschlands Privatbanken" erforderlich.

Die Banken in Feld IV weisen sowohl eine überdurchschnittlich hohe Reputation als auch ein überdurchschnittlich hohes Vertrauen ihrer Anleger auf. In diesem Fall sollten die Wettbewerbsvorteile identifiziert werden, sodass die Position mindestens gehalten und bestenfalls ausgebaut werden kann. Das praktizieren bereits geschickt die Sparkassen sowie die Volks- und Raiffeisenbanken mit ihren "Vertrauenskampagnen". In deren Sog fahren dann andere Verbundbanken wie die DZ und die WGZ ebenfalls gute Beurteilungen ein.

Die Sparda-Banken, deren Werte erstmalig erhoben wurden, profitieren neben ihrer Verbundzugehörigkeit von ihrer absoluten Skandalfreiheit und gelten seit jeher als Ort sicherer, nicht spekulativer Geldanlagen. Die Deutsche Bank schließlich profitiert davon, dass es Konzernchef Ackermann gelungen ist, das Bild einer krisenfesten privaten Großbank zu vermitteln und sich von anderen Instituten, die Staatshilfe empfangen haben, abzugrenzen.

Zahlreiche Kundenmandate werden überprüft

In der Kombination mit Fragen zum Anlageverhalten, zur Zufriedenheit mit dem Berater, zur Struktur und zum Informationsverhalten der Anleger eröffnet der German Wealth Monitor den Banken eine gute Möglichkeit, ihre aktuellen Chancen und Risiken zu analysieren: Wo sind wir besser als der Wettbewerb? Wo liegen unsere Defizite? Nur auf einer aktuellen und validen Datenbasis lassen sich solche Analysen vornehmen, Szenarien entwickeln und Strategien ableiten.

Der Markt der gut situierten Anleger ist so stark in Bewegung wie noch nie. Zahlreiche Kundenmandate werden überprüft. Die Bank, die entschlossen, zügig und zielgerichtet agiert, hat alle Chancen. Verantwortliche von Banken, die sich weiterhin verstecken und versuchen, die Krise auszusitzen, werden zu den Verlierern der aktuellen Situation gehören.

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