Verbraucherschutz

Vorfälligkeitsentschädigung festgemauert im Hypothekenkredit

In Deutschland leben nur 42 Prozent der Bürger in den eigenen vier Wänden, während es in Spanien und Norwegen über 80 Prozent und in Großbritannien und Belgien mehr als 70 Prozent sind. Dies ist seit Jahren unverändert. Die Aufträge im privaten Wohnungsbau sind von 100 Milliarden Euro im Jahre 2000 auf 70 Milliarden Euro zurückgegangen. Auch der Hypothekenkreditmarkt stagniert.

Zinstief wurde nicht genutzt

Eigentlich hätte das Rekordtief bei den Effektivzinssätzen die Chance zum Einstieg breiterer Kreise geben müssen. Lagen die Zinssätze 1981 noch unerschwinglich bei elf Prozent, so fielen sie bis Mitte 2005 für langfristige Zinsbindungen auf knapp über vier Prozent per annum. Das Volumen der Hypothekenkredite lag im Jahre 2000 bei 1 009 Milliarden Euro, stieg dann aber bis ins zweite Quartal 2006 um insgesamt zehn Prozent auf 1 109 Milliarden Euro. Schon bei Annahme der durchschnittlichen Inflation von zwei Prozent bedeutet dies, dass das Volumen real abgenommen hat. Da die Hauspreise nach dem Jahrbuch der Europäischen Zentralbank in den letzten vier Jahren jedoch um durchschnittlich 6,8 Prozent per annum und in den davor liegenden vier Jahren durchschnittlich um 3,9 Prozent pro Jahr gestiegen sind, haben die Hypothekenkredite real um etwa 20 Prozent weniger zum Wohnungsbau beigetragen.

Ein besonderes Problem stellt sich für Schwellenhaushalte dar, die kein nennenswertes Eigenkapital ansparen können und daher fast vollständig auf Kredit angewiesen sind. Die Politik, mit Subventionen wie der Eigenheimzulage oder der Bausparförderung zusätzliche Anreize zu geben, betraf entweder nur diejenigen, die bereits Zugang hatten und ihr Haus mit der Subvention als Spardose benutzen konnten oder aber Sparer, die überhaupt nicht bauen sondern nur sparen wollten. 120 Milliarden Euro Bauspareinlagen standen 2006 nur 24 Milliarden Bauspardarlehen gegenüber.

Der Wegfall der Eigenheimzulage war überfällig. Was wir in Deutschland stattdessen brauchen sind Wohnungskredite, die an die Bedürfnisse derjenigen angepasst sind, die am Ende ihres Lebens nicht ein schuldenfreies Haus vererben können, gleichwohl aber nicht auf die Selbstentfaltungsmöglichkeiten von Eigentum verzichten wollen. Dass dieses Ziel eher weiter denn näher gerückt ist, liegt an einem erstarrten System der Baufinanzierung und des Hauserwerbs.

Schwellenhaushalte brauchen Flexibilität. Für den Kauf bringen sie kaum Eigenkapital mit. Sie können zwar ein Haus mit ihrer Arbeit im Wert erhalten, nicht aber hohe Tilgungen leisten. Deutsche Banken haben keine Angebote für sie. Ausländische Banken etwa aus Frankreich werden durch die Barrieren des deutschen Marktes abgehalten.

Vorfälligkeitsentschädigung als Zugangsbarriere und Kartell

Die wichtigste Barriere für Wettbewerb und Schwellenhaushalte ist die Vorfälligkeitsentschädigung. Sie ist so hoch und so belastend, dass ein Kunde in Deutschland sich den Kredit nicht leisten kann, wenn er knapp kalkulieren muss. Wer im Jahre 2001 ablöste, der musste zum Beispiel ausweislich der Fälle im IFF und bei der Verbraucherzentrale Hamburg folgende Beträge bezahlen: 6 112 Euro bei der Commerzbank für einen Kredit über 102 000 Euro; 25 400 Euro bei der Hypovereinsbank für einen Kredit von 306 000 Euro von Anfang 2000, 17 237 Euro bei der Kreissparkasse Köln für einen Kredit in Höhe von 151 000 Euro, der im Februar 2006 abgelöst werden sollte und 18 918 bei der Verbandssparkasse Wesel für einen Kredit von 122 710 Euro.

Nach einer Studie des IFF aus dem Jahre 2003 ergab sich bei gleichen Ausgangsbedingungen für einen Kredit über 100 000 Euro über zehn Jahre nach fünfjähriger Laufzeit eine Vorfälligkeitsentschädigung von 1 392 Euro in Portugal (ähnlich Belgien, Niederlande und Griechenland), von 3 000 Euro in Finnland und Frankreich, in Schweden und Österreich zwischen 4 000 und 5 000 Euro und dem Rekordbetrag von 10 151 Euro in Deutschland. In den USA sind dagegen Zinsbindungen von über 35 Jahren ohne Vorfälligkeitsstrafe bei vorzeitiger Umschuldung oder Ablösung die Regel.

Die deutschen Banken haben im Gegensatz zu fast allen anderen europäischen Staaten mit der Grundschuld ein Sicherungsrecht erhalten, das ohne richterliche Kontrolle in voller Höhe noch vollstreckbar ist, selbst wenn der Kredit abbezahlt wurde. Die Grundschuld ist nämlich forderungsunabhängig.

Hinter diesem Vertrauen des deutschen Gesetzgebers, häufig das gesamte Schuldnervermögen dem Kreditgeber als Sicherheit in die Hand zu geben und mit der Klausel der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung auch noch der richterlichen Kontrolle zu entziehen, steht die Vermutung, eine deutsche Bank würde die Grundschuld nicht missbrauchen. Leider ist dies in der Praxis falsch.

Missbrauch der Vorfälligkeitsentschädigung?

Banken halten häufig die gesamte Grundschuld zurück, wenn die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht sofort erfolgt. Ohne die Löschungsbewilligung der Bank aber ist das Grundstück unverkäuflich und unbeleihbar und jeder Tag Verzögerung ist für die Verkäufer ein Verlust. Deshalb wird die geforderte Vorfälligkeitsentschädigung häufig gezahlt und zwar auch dann, wenn die Forderung für rechtswidrig gehalten wird. Dies belegen viele Prozesse um Vorfälligkeitsentschädigungen, in denen immer erst nach Zahlung zurückgeklagt wurde. Wer weiß, was die "Klagezumutung" für einfache Menschen bedeutet, weiß auch, wie sehr diese Form die Kreditgeber von richterlicher Kontrolle freistellt.

Schwellenhaushalten ist in Deutschland daher von einer Baufinanzierung dringend abzuraten. Risiken wie Umzug, Arbeitslosigkeit, Familientrennung oder Arbeitswechsel samt Nachzug sind ein unabänderlicher Teil des Lebens. Wie andere Länder zeigen, wären sie leicht zu meistern. Treten sie in Deutschland ein, so kann der Hypothekenschuldner damit ruiniert sein.

Warum überhaupt Vorfälligkeitsentschädigung?

Die Argumente für eine Vorfälligkeitsentschädigung erscheinen zunächst plausibel, da die Banken einer Zinsbindung für zehn Jahre zugestimmt haben und so das Risiko der Zinserhöhung tragen. Zinsbindungen sind in der Tat Versicherungen oder (Zins-)Futures, für die ein Preis bezahlt werden muss, der auch als Zinsaufschlag über die Laufzeit berechnet werden kann. Gäbe es dies nicht, so könnten Verbraucher günstigere Zehnjahresverträge kaufen und durch vorzeitige Ablösung bei gesunkenem Zinssatz in teurere kurzfristigere Verträge umwandeln. Die Empirie zeigt aber, dass Verbraucher keine scharf kalkulierenden Gewinnler sind, die jede Chance ausnutzen.

Zudem müssten in einem funktionierenden Markt Anbieter Produkte ohne einschneidende Belastungsrisiken für den Ablösungsfall anbieten, indem sie das Risiko in den Preis aller Produkte einkalkulieren, so wie es beispielsweise mit dem Ausfallrisiko geschieht. Vorfälligkeitsentschädigungen verhindern zudem gerade lange Zinsbindungen. Dass in Deutschland im Unterschied zu den USA lange Laufzeiten schwer erhältlich sind liegt daran, dass man nur innerhalb der zehn Jahre eine Vorfälligkeitsentschädigung erhalten kann.

Beispiel USA

Im US-amerikanischen Markt werden die meisten Hypothekenkredite von Finance Companies durchgereicht. Die quasi-staatlichen Refinanzierungsagenturen "Fannie Mae" und "Freddy Mac" kaufen die Rückzahlungsforderungen bei Hypotheken auf und fassen sie in so genannten Pools zusammen. Auf diese Pools werden nun Wertpapiere (Mortgage Backed Securities - MBA) mit quasi staatlicher Garantie ausgegeben, die vor allem von sicherheitsorientierten Investoren (Pensionsfonds) gekauft werden. Das Risiko vorzeitiger Rückzahlung der Kredite bei langen Zinsbindungen wird somit unter den Käufern dieser Wertpapiere aufgeteilt und drückt sich im Preis aus. Hohes Rückzahlungsrisiko führt somit zu Werteinbußen und muss entsprechend von den Kreditanbietern durch erhöhte Zinssätze wettbewerbsfähig gestaltet werden. Eine Agentur, die Public Securities Association (PSA), hat zur Bewertung der MBAs Standards erstellt. Es wird damit entweder die Calculated Prepayment Rate (CPR), die das Rückzahlungsrisiko pro Jahr oder die Single Monthly Mortality Rate (SMM), die die Höhe der vorzeitigen Kreditrückzahlung, die in jedem Monat der Kredittilgung erwartet wird, jeweils in Prozent des Kreditsaldos ausgewiesen. Man kann dann in einer Tabelle ablesen, welche Prepaymentrate in jedem Monat der Laufzeit zu erwarten ist. Vorteil: Der einzelne Verbraucher jedenfalls wird von diesem Risiko nicht erschlagen, wenn es eintritt. Auch Verbraucher mit geringer Liquidität können sich eine Wohnungsfinanzierung in den USA leisten, wo 67 Prozent Eigentum besitzen, und zwar eher niedrigere Einkommen als die Mieter in den Stadtzentren.

Deutsche Historie

Ein vorfälligkeitsentschädigungsfreies System gab es bis zum 1. Januar 1987 auch in Deutschland. In Paragraf 247 BGB war ein jederzeitiges sechsmonatiges Kündigungsrecht für Kredite über sechs Prozent per annum festgelegt, was angesichts des langjährigen Durchschnitts von acht Prozent per annum in den letzten dreißig Jahren praktisch alle Hypothekenkredite an Privatkunden betraf. Diese Vorschrift wurde angeblich durch die Kündigungsrechte des Paragrafen 609a BGB ersetzt, die dann 2002 noch einmal in den Paragrafen 489 BGB umgelagert wurden. Tatsächlich aber hatte man wie in der EU-Konsumentenkreditrichtlinie dann verpflichtend gemacht, nur die Ratenkredite ganz von der Vorfälligkeitsentschädigung zu befreien. Die Hypothekenkredite mit Zinsbindung wurden dagegen bis zur Grenze von zehn Jahren unkündbar. Bis dahin hatte die Rechtsprechung, jede, auch die kleinste Vorfälligkeitsentschädigung von 90 DM Bearbeitungsgebühr als unzulässige Einschränkung dieses Kündigungsrechts abgelehnt. Das Gesetz selber ließ nur in engen Grenzen Ausnahmen für mit Pfandbriefen konkret gedeckte Kredite zu.

Die Regelung war vernünftig. Viele Anbieter blieben daher auch zunächst beim kostenlosen Kündigungsrecht, einige vereinbarten in ihren AGB zaghaft Entschädigungen bis zu drei Prozent der Restkreditsumme, wie es heute in Frankreich Gesetz ist. Als aber einige mit hohen Vorfälligkeitsentschädigungen gut verdienten beziehungsweise die Abwanderung ihrer Kunden damit erschweren konnten, zogen alle Banken nach. Um einer Diskussion über den wirklichen "Schaden der Bank" wie einst bei den Verzugszinsen zu entgehen, nannte man es nun "Entschädigung", ein Begriff, der im Zivilrecht nicht vorkommt und damit einseitig ausdehnbar war.

Die Rechtsprechung hat die "Vorfälligkeitsentschädigung" systematisiert aber nicht begrenzt, sondern im wesentlichen die Berechnung in die Hände der Banken gelegt. In den vielen Entscheidungen ging es dann wortreich um Peanuts und Kosmetik, woran die Verbraucherseite auch nicht unschuldig war. Deshalb konnte ohne öffentliche Diskussion 2002 wieder überraschend in Paragraf 490 Abs. 2 BGB die Formulierung auftauchen, "der Darlehnsnehmer (habe) dem Darlehensgeber denjenigen Schaden zu ersetzen, der diesem aus der vorzeitigen Kündigung entsteht" (Vorfälligkeitsentschädigung). Damit schien die Bankenpraxis im Grundsatz anerkannt. Tatsächlich verlangt der Paragraf aber einen Schadensnachweis, was eine Revision der Rechtsprechung erforderlich machen würde.

Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

Grundsätzlich könnte jeder Verbraucher, der im Computer die Tabellenkalkulation bedienen kann, die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. Dass in der deutschen Praxis wüste Formeln, dicke Bücher und undurchschaubare EDV-Programme benutzt werden, ist höchst unnötig und bedauerlich. Weder Kundenberater noch Rechtsvertreter der Banken sind in der Lage, die Berechnungen zu erläutern. Alles ist in der Black Box des benutzten EDV-Programms "Kapo" versteckt.

Der Bundesgerichtshof erlaubt gleich zwei Arten der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, unter denen die Anbieter auch bei extrem unterschiedlichen Ergebnissen frei wählen können, was zu einem vorhersagbaren Ergebnis führt:

Vergleich Kredit zu Kredit: Zunächst waren auch deutsche Banken wie Institute in allen anderen europäischen Ländern davon ausgegangen, dass der Verbraucher der Bank jenen Schaden ersetzen müsse, den sie erleide, da ein neuer Zehnjahreskredit geringer verzinst wird. Der Verbraucher müsste so praktisch das herausgeben, was er im Falle eines Neuabschlusses verdient. Damit sollte der Anreiz zum Vertragsbruch genommen werden. Die Behauptung der Anbieter, sie würden nur den Gewinn der Verbraucher aus vorzeitiger Kreditkündigung in der Niedrigzinsphase abschöpfen, ist zumeist unzutreffend. Ein Hausverkauf ist schmerzhaft, aufwendig und teuer. Gleiches gilt für durch Liquiditätsprobleme erzwungene Umfinanzierungen. Das aber ist der Hauptgrund für Umfinanzierungen. Für den Verbraucher gibt es keinen Zusatznutzen.

Dazu sollte aber noch eine Extraentschädigung kommen, da die Bank durch die vorzeitige Kreditrückzahlung einen Kredit weniger habe. Diese Extraentschädigung ist jedoch schon in der Kompensation für die Zinsverschlechterung enthalten, die wie beschrieben aus der Zinsdifferenz zu einem fiktiven neuen Kredit berechnet wird, in dem der Gewinn bereits miteinkalkuliert ist. Das heißt, auch wenn keine neue Finanzierung abgeschlossen wird, wird die Bank so gestellt, als ob sie einen neuen Kredit bekommen hätte. Doch: fast jede Kreditrückzahlung führt zur Kreditaufnahme an anderer oder derselben Stelle. Die finanzierten Grundstücke und Häuser verschwinden nicht. Sie müssen neu finanziert werden, durch einen anderen Eigentümer und eventuell bei einer anderen Bank. In einem funktionierenden Markt sollten sich die Wechsel der Eigentümer und Kreditnehmer aufheben. Profitiert eine Bank nicht davon, hat sie keine attraktiven Konditionen. Sie dafür mit einer Entschädigung zu belohnen, ist marktwidrig.

Zu hinterfragen ist in diesem Zusammenhang noch, dass Banken von ihren Kunden eine Entschädigung verlangen, wenn die Zinsen bei Kündigungstermin niedriger als bei Vertragsabschluss liegen, aber den ihnen zufallenden Gewinn bei höheren Zinsen nicht erstatten.

Vergleich Kredit zu Wertpapieren: Aber so rechnen die Anbieter, mit Ausnahme der Deutschen Bank, die weiterhin den transparenten und korrekten Hypothekenvergleich benutzt, nicht mehr. Die übrigen Banken haben eine andere Methode entwickelt, die weit mehr "Schäden" als der Vergleich von Kredit zu Kredit annimmt. Der Bankensenat des Bundesgerichtshofs hat diese so genannte "Aktiv-Passiv-Methode" als gleichwertige Alternative anerkannt. Das ist ein Rechtsbruch, weil das Gesetz wie auch der Bürger nur einen Schaden kennt. Dieser kann nicht durch die Berechnungsart höher werden.

Banken, so heißt es in der alternativen Form, könnten mit zurückfließenden Geldern nach Belieben verfahren. Beispielsweise könnten die frei werdenden Gelder auch statt in Hypotheken in niedrigverzinslichen Wertpapieren wie Pfandbriefen angelegt werden. Das Problem: Pfandbriefe sind niedriger verzinst als Kredite. Der Schaden, den der Kunde zu ersetzen hat, ist also höher. Dass gerade Pfandbriefe genommen wurden, die zum Passiv- und nicht zum Aktivgeschäft der Hypothekenbanken gehören, ist pikant. Denn diese dienen üblicherweise der Refinanzierung von Krediten, nicht als Alternative zur Kreditvergabe. Alle anderen europäischen Staaten lassen nur die konkrete Schadensberechnung zu, wie sie Paragraf 249 BGB für alle Geschädigten vorschreibt. In Deutschland dagegen dürfen Banken ihren "Schaden" "abstrakt", das heißt ohne Nachweis berechnen. Selbst das wäre nicht weiter schlimm. Das Gesetz sieht für solche Pauschalen vor, dass sie dem "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden" (Paragraf 309 Ziff. 5 BGB) entsprechen müssen. Der gewöhnliche Verlauf bei einer Hypothekenbank ist aber die Ausleihe von Hypothekenkrediten und nicht der Pfandbriefkauf.

Immerhin haben die Gerichte bemerkt, dass Hypothekenkredite mehr Arbeit machen, als der Pfandbriefkauf. Die Bank spare somit etwas, was den Schaden mindere. Das müsse sie zurückgeben. Um die Differenz zu berechnen, wurde versucht, die Kostenstruktur eines Hypothekenkredits im Vergleich zum Pfandbriefkauf offen zu legen. Eigentlich wäre das einfach: Der Kauf öffentlicher Pfandbriefe, um die es hier geht, macht keine Arbeit. Entsprechend will die Bank keine Provision dafür. Auch ein Risiko liegt nicht vor.

Daher ist klar, dass die ein Prozent Renditeunterschied die Kosten der Bank im Hypothekenkredit ausmachen müssen, weil sonst in der Tat die Hypothekenbanken keine Kredite mehr vergeben, sondern lieber mit ihrem Geld bei der Konkurrenz Pfandbriefe kaufen würden. Selbstlosigkeit im Hypothekengeschäft ist marktwirtschaftlich wenig wahrscheinlich.

Tatsächlich belehren uns Gerichte eines anderen. Die Risikoquote sei bei zirka 0,05 Prozent per annum - urteilte ein Gericht - und die Verwaltungskosten lägen zwischen 30 und 60 Euro Stückkosten im Jahr. Damit wird ein Abschlag von Schaden beziehungsweise ein Aufschlag auf die Pfandbriefrendite von weniger als 0,1 Prozent anerkannt. Die restlichen 0,9 Prozent per annum sind ein marktwirtschaftliches Wunder.

Das Wunder eines Schadens bei gleich bleibendem Zinsniveau

Beispielrechnung: Ein Kredit über 200 000 Euro mit einer zehnjährige Zinsbindung, die vor fünf Jahren eingegangen wurde, bei einem Prozent Tilgung ist mit 4,56 Prozent per annum verzinst. Dies entspricht dem Zinssatz für neu herausgelegte Kredite heute. Die Bank, die das Geld vorfällig zurückbekommt und es wieder in einem Hypothekenkredit anlegt, kann somit den selben Zins erwarten. Der Verbraucher, falls er umschuldet, hat keinerlei Vorteil, sondern nur den Nachteil der Umschreibungskosten.

Nach der im Ausland üblichen Methode beträgt die Vorfälligkeitsentschädigung null Euro. In Deutschland gibt es aber die Möglichkeit, einen fiktiv entgangenen Gewinn hinzuzurechnen. Wird dieser Kredit nach der "Aktiv-Passiv-Methode" berechnet, ergibt sich eine zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung von 3 777,84 Euro. Wird der Effektivzinssatz dieses Kredites unter der Annahme berechnet, dass zu den Restzinsen noch die Vorfälligkeitsentschädigung von 3 777,84 Euro als Belastung hinzugekommen wären, dann erhöht sich der effektive Jahreszinssatz von 4,56 Prozent per annum erheblich. Er war also falsch angegeben.

Immerhin haben einige Gerichte auch in Deutschland diese Vorgehensweise abgelehnt, wenn die Bank bei sich selbst umschuldete. Denn somit war beim besten Willen nicht erkennbar, wo ein Schaden entstanden sein soll. Es entgehen dem Institut weder ein Kredit noch Zinsen. Die Gerichte bezifferten richtigerweise die Entschädigung auf null Euro.

Unbeachtet ist aber nach wie vor das Problem der Abschottung des deutschen Marktes. Während in Belgien mehr als drei Jahre Laufzeit des Vertrages nicht zulässig sind, können deutsche Banken Zehnjahresverträge aufrechterhalten und so Konkurrenz aus dem Land halten. Ferner können sie vorzeitige Abbrecher und Wechsler bestrafen und aus dem Abbruch erhebliche Zusatzgewinne erzielen. Allerdings verzichten sie mit dieser Praxis auf Möglichkeiten zur Ausweitung des Geschäfts und nehmen sogar die Stagnation in Kauf.

Der Zusatzgewinn der Anbieter

Im Jahre 2004 wurden Wohnungsbaukredite für 150 Milliarden Euro neu abgeschlossen. Auf fünf Jahre fest waren es 22 Milliarden Euro, auf fünf bis zehn Jahre waren es 28 Milliarden Euro (siehe Abbildung 2).

Wie viele davon vorzeitig umgeschuldet wurden lässt sich aus den Zahlen auch im Vergleich zum Neuabschluss im korrespondierenden Jahr 1994 und 1999 nicht ablesen. Legt man aber die amerikanischen Zahlen zugrunde, läge der Umfang bei etwa sechs Prozent. Damit würden sich die Vorfälligkeitsentschädigungen auf ein Volumen von drei Milliarden Euro summieren. Wahrscheinlicher aber ist es, dass die abschreckende Wirkung der Entschädigungen Tausende von Verbrauchern in weit überhöhten Zinsverträgen eingeschlossen haben, so dass trotz anhaltend sinkender Zinsen in den letzten zehn Jahren das durchschnittliche Zinsniveau in Deutschland erheblich über dem aktuellen Niveau lag. Die Zinsstatistik weist hier einen Durchschnittszinssatz für das Neugeschäft von 2003 bis August 2005 von 3,8 Prozent per annum auf, während die Verzinsung im Bestand für denselben Zeitraum um gut 1,5 Prozentpunkte höher bei 5,4 Prozent per annum lag. Das bedeutet fast eine 25-Prozent-Steigerung der Zinsmarge dadurch, dass Verbraucher in den Verträgen festgehalten wurden. So erklären sich die erstaunlichen Erhöhungen der Zinsmarge in den Bilanzen gerade in der Niedrigzinsphase. Bezahlt haben es die in Zehnjahresverträgen eingemauerten Verbraucher.

Die öffentliche Diskussion und der Wettbewerb fehlen

Die Vorfälligkeitsentschädigung ist ebenso skandalös wie die versteckten Innenprovisionen bei den Restschuldversicherungen im Konsumentenkredit. In beiden Fällen gibt es weder Markttransparenz noch Kundenorientierung. Der einzelne Kunde ist Objekt der Gewinnerzielung und nicht Partner.

Es gibt zudem eine fatale Koalition. Die komplexen Berechnungen machen ein Beratungsgewerbe notwendig, dem auch Verbraucherverbände angehören können. Diese Beratung wiederum ist ein einträgliches Aufgabenfeld auf beiden Seiten, das niemand missen möchte. Man streitet sich somit lieber um Details, allerdings auf Kosten von Wohnungsmarkt und Wohnraumfinanzierung.

Die größte Mauer aber ist die künstlich aufgebaute Komplexität, die jeden Markt und jedes vernünftige Marketing verhindert. So sind für die Jahre 2000 bis 2006 auf der Internetseite des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp) 16 800 Renditesätze angegeben und müssen verarbeitet werden. Das liegt an einem Verfahren, das sich zwar im Ergebnis nur minimal von der Berücksichtigung einer einzigen Pfandbriefrendite unterscheidet, dafür aber von keinem Verbraucher (und Bankmitarbeiter) auch nur annähernd durchschaut werden kann.

Was ist zu tun?

Zunächst könnte man die Verbraucher aufrufen, die deutschen Zinsbindungen zu boykottieren und nur noch mit dem jederzeitigen Kündigungsrecht variable Verträge abzuschließen. Sie hätte in den letzten zehn Jahren damit mehr als zehn Milliarden Euro gespart. Aber: Verbraucher brauchen Festzinssätze, weil sie für die Zukunft kalkulieren müssen. Bei variablem Abschluss würde ein Zinshoch wie im Jahre 1981 individuell zum Ruin führen. Außerdem brauchen sie bei fixem Einkommen auch fixe Ratenzahlungen.

Dieses Problem könnte gelöst werden, wenn man in Deutschland Pooling zuließe. Dann könnten Makler in solche so genannten Pools die Hypothekenwünsche der Verbraucher zusammenfassen, variabel abschließen und für den gesamten Pool einen Zinsfuture kaufen, dessen Kosten umgelegt würden.

Es gäbe amerikanische Marktbedingungen und das Geschäft mit den Vorfälligkeitsentschädigungen und Langfristverträgen käme zum Erliegen. Allerdings ist hierfür die Banklizenz von Nöten. Und auch die Bankenverbände zeigen sich bislang an dieser Stelle geschlossen.

Einzelne Anbieter brechen aus dem System aber schon aus: Die Hannoversche Leben hat mit einem Aufschlag von 0,5 Prozent auf den Zinssatz einen Verzicht auf die Vorfälligkeitsentschädigung erklärt. Das diesem Angebot innewohnende Risiko ist gering, weil allgemein ein Ansteigen der Zinsen erwartet wird. Ob ein Aufschlag 0,5 Prozent zu hoch ist, wird letztendlich der Markt regeln, denn der Verbraucher kann jederzeit aus dem Vertrag entschädigungslos aussteigen.

Die von einige Banken angebotenen Zinscaps mit variabler Verzinsung sind dagegen eine Mogelpackung. Hier zahlt praktisch jeder Verbraucher eine Vorfälligkeitsentschädigung im Voraus, da bei vorzeitiger Ablösung die Capprämie nicht anteilig zurückerstattet wird.

Die EU-Kommission könnte die Zehnjahresverträge als wettbewerbswidrig verbieten. In der Hypothekenexpertengruppe favorisierte sie eine Ausdehnung des deutschen Modells auf andere Länder mit einem französischen Bankengutachten.

Der alte Paragraf 247 BGB könnte wieder in Kraft gesetzt werden, was zumindest einen Schutz von Hochzinskrediten implizieren würde.

Eine weitere für die Banken schmerzhafte Alternative ist es, dass verbrauchernahe Institutionen mit ihrem Image französische und belgische Banken ins Land holen und dafür sorgen, dass die diskreditierte deutsche Praxis auch vom Verbraucher bestraft wird. Selbst wenn die deutschen Bestimmungen dies kaum begünstigen, eine solche Kampagne des Vertrauensmissbrauchs wäre von den Anbietern schwer zu verkraften.

Es läge daher im Interesse der deutschen Banken, selber Grenzen zu setzen. Sie müssten an den folgenden Grundsätzen gemessen werden:

Angebot längerfristiger Zinsbindungen bis zu 35 Jahren.

Auswahl zwischen entschädigungsfreien und entschädigungspflichtigen Krediten.

Obergrenzen für Vorfälligkeitsentschädigungen bei maximal drei Prozent der Restkreditsumme entsprechend dem wirklichen Schaden (Berücksichtigung der Gewinne aus vorfälligen Niedrigzinskrediten).

Transparente Berechnung durch das Kreditvergleichsprinzip.

Verzicht auf Vorfälligkeitsentschädigungen in Notverkäufen aus bestimmten Gründen und Absicherung durch Kreditversicherungen.

Deutsche Bank und Hannoversche Leben haben bereits deutlich gemacht, dass Alternativen vernünftig sein können. Die Möglichkeiten für kundenfreundliche Gestaltung sind dabei bei weitem nicht ausgenutzt.

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