Sepa

"Der Zeitplanist nicht in Gefahr"

Wie würden Sie die Rolle der Europäischen Zentralbank im Sepa-Prozess beschreiben?

Die EZB versteht sich bei diesem Prozess als Katalysator: Wir führen Analysen durch, sprechen Empfehlungen aus und versuchen, die an diesem Prozess beteiligten Parteien zusammenzubringen. Was ist Ihre Hauptzielsetzung? Geht es eher darum, Effizienz und Kostensenkung zu erreichen? Oder sieht sich die Zentralbank eher als Anwalt der Verbraucher?

Für uns besteht das Hauptziel von Sepa in der weiteren Integration Europas, besonders dessen Finanzmarktes. Sepa leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Agenda von Lissabon, das heißt zur Steigerung von Europas Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Mehr Wettbewerb und mehr Innovation im Bereich des Zahlungsverkehrs kommen auch den Verbrauchern in Form von niedrigeren Preisen und verbesserten Leistungen zugute.

Sepa war für die europäischen Banken zuallererst ein Kartenthema. Und im Kartengeschäft wird Sepa von den Emittenten vor allem in Form einer Schwächung der Ertragsbasis wahrgenommen. Damit wird das Geschäftsmodell trotz der Economies of Scale immer schwieriger. Bremst das die Sepa-Begeisterung der Kreditwirtschaft?

Wenn Sie sagen, dass die Banken Sepa in erster Linie als Ursache für geringere Erträge aus dem Kartengeschäft sehen, dann vermischt dies meiner Meinung nach zwei Themen miteinander: Nämlich einerseits Sepa und den voraussichtlich stärker werdenden Wettbewerb infolge der Öffnung des bislang fragmentierten Marktes für Massenzahlungen und andererseits die Prüfung der im Kartenmarkt erhobenen Verrechnungsgebühren durch die Wettbewerbsbehörden. Hierbei bedarf es einer differenzierten Betrachtungsweise. Meiner Meinung nach wären die Verrechnungsgebühren auch ohne Sepa durch die europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden geprüft worden.

Sepa wird in der Tat den Wettbewerb steigern und stellt somit eine Chance für jene Banken dar, die auf einen intensiveren Wettbewerb gut vorbereitet sind. Aber auch für weniger aktive Marktteilnehmer werden sich durch Sepa Vorteile ergeben, da die Bearbeitungskosten aufgrund von Skaleneffekten drastisch sinken werden.

Im Hinblick auf das Kartengeschäft mahnt die EZB die Kreditwirtschaft, den Aufbau eines europäischen Debitsystems weiter voranzutreiben und "ehrgeizigere Ansätze" zu verfolgen. Was heißt das konkret?

Massenzahlungen sind bekanntlich eine der Kernfunktionen von Banken und stellen eine beständige Einnahmequelle für sie dar. Da Karten zu den wichtigsten Zahlungsinstrumenten im Euro-Währungsgebiet zählen, gehen wir davon aus, dass die Banken ihre Anstrengungen verstärken werden, damit ihnen nicht die Möglichkeiten entgehen, die sich in diesem wichtigen Bereich bieten.

Wir möchten die Banken dazu ermutigen, sich ehrgeizigere Ziele zu stecken, für mehr Wettbewerb im Kartengeschäft zu sorgen und alle Vorteile zu nutzen, die ein solches effizientes Zahlungsinstrument für die Nutzer und die Banken selbst bringt. Wie kann die Zentralbank solche "ehrgeizigeren Ansätze" unterstützen? Sehen Sie das als Ihre Aufgabe an?

Wir sind der Auffassung, dass alle Initiativen in Bezug auf Massenzahlungen, die zum Ziel haben, Europa wettbewerbsfähiger, innovativer und zukunftsorientierter zu machen, unsere Unterstützung verdienen. Im neuen Sepa-Fortschrittsbericht heißt es, dass Entwicklungen im

Kartenmarkt als Symptom einer inadäquaten Positionierung der europäischen Banken im Kartengeschäft verstanden werden. Wo liegen Ihrer Einschätzung nach die Fehler?

Ich denke die Banken hätten in Zusammenarbeit mit dem European Payments Council ein Sepa-Verfahren für Karten schaffen sollen und nicht nur ein Regelwerk. Daher bleibt bislang die Chance ungenutzt, sich in einem Bereich einzubringen, dem ein stärkerer Wettbewerb gut tun würde.

Wie hat sich die Finanzkrise auf die Bereitschaft der Banken ausgewirkt, in die Realisierung von Sepa zu investieren?

Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass die Banken bereits in Sepa investiert haben. Sepa-Überweisungen sind bereits seit Anfang des Jahres Realität, und die Anbieter der Infrastrukturen haben ihre Systeme angepasst, um SepaÜberweisungen und -Lastschriften abwickeln zu können. Banken haben auch bereits Investitionen in die Vorarbeiten zur Einführung von Se-pa-Lastschriften getätigt. Es ist ja nicht so, dass noch keine Vorbereitungen getroffen wurden - schließlich wissen die Banken bereits seit einigen Jahren, dass 2008 der Startschuss fallen sollte. Was uns jetzt noch fehlt, sind die letzten Feinarbeiten.

Wie ist in der Krise Sepa als zusätzlicher Kostenfaktor zu bewerten? Kann die Branche das noch stemmen? Hat sie bereits Rückstellungen gebildet?

Wie schon gesagt, haben die Banken bereits erheblich in Sepa investiert. Um aber die Vorteile von Sepa zu ernten, müssen die Banken den Weg weitergehen und das Projekt zum Abschluss bringen.

Muss man angesichts der Finanzkrise über eine Änderung des Sepa-Zeitplans nachdenken?

Da große Teile der Vorbereitungen bereits abgeschlossen oder zumindest im Budget einkalkuliert wurden, besteht aus technischer und operationeller Sicht kein Grund, eine Änderung des Zeitplans in Betracht zu ziehen. Die Frage hinsichtlich der Gebühren für Lastschriften soll in den nächsten Monaten geklärt werden.

Wie hoch schätzt die EZB Investitionen, die durch Sepa auf die Kreditwirtschaft zukommen, insgesamt?

Sepa birgt ein gewaltiges Potenzial für Banken, Nichtbanken, Unternehmen, Verbraucher und die Gesellschaft allgemein. Laut einer kürzlich von der EZB veröffentlichten Studie können Banken ihre Kosten erheblich senken, sind allerdings auch einem höheren Wettbewerb ausgesetzt, wodurch ein Abwärtsdruck auf Preise und Erträge entsteht. In einigen Ländern des Euroraums sind die Preise für Zahlungsdienstleistungen bereits gesunken.

Für die Marktteilnehmer ergeben sich durch Sepa neue Möglichkeiten zur Ausweitung ihres Geschäfts; so können sie neue Zusatzleistungen für die Zahlungskette anbieten. Weitere empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass Harmonisierung und Standardisierung in der Abwicklung des Massenzahlungsverkehrs innerhalb des Eurogebiets bei der Bereitstellung von Zahlungsdienstleistungen in Europa zu Skaleneffekten führen. Die fortdauernde grenzüberschreitende Konsolidierung dürfte erhebliche Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen mit sich bringen.

Wie beurteilen Sie als neutraler Beobachter Sepa als Business Case für die Banken?

Wir sind der Meinung, dass sich Sepa aufgrund der Erweiterung des Markts für Massenzahlungen für die Banken definitiv rechnet; dieser Markt weitet sich nun mit Sepa von den Grenzen des eigenen Heimatlands bis auf ganz Europa aus. Somit ist es viel einfacher, Skaleneffekte zu nutzen.

Massenzahlungen generieren einen wichtigen Anteil der Erträge der Banken. Allerdings sind die operationellen Kosten aufgrund der Fragmentierung des Markts für Massenzahlungen noch immer sehr hoch. Sepa hilft den Banken, diese Fragmentierung zu beseitigen.

Welche Banken werden davon profitieren? Wird es auch Verlierer geben, und wenn ja, welche?

Jene Banken, die Sepa als Gelegenheit zur Steigerung der eigenen Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit und zur Bereitstellung von besseren Serviceleistungen für ihre Kunden verstehen, werden profitieren. Nachteile ergeben sich höchstwahrscheinlich für weniger innovative Banken, die nicht kontinuierlich danach streben, ihren Kunden bessere und effizientere Produkte anzubieten und deren Visionen an den Grenzen ihres Heimatlandes enden.

Wird der Business Case von Sepa-Investitionen seitens der Banken heute, in der Krise, stärker hinterfragt als noch vor einigen Monaten?

Ich habe nicht den Eindruck dass dies der Fall ist. Die Banken sehen Sepa in der Tat als notwendigen Schritt nach vorne. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass Massenzahlungen für ein Drittel der Kosten und ein Viertel der Einnahmen von Banken verantwortlich sind. Somit ist dieser Bereich für Banken von entscheidender Bedeutung.

Derzeit entzündet sich die Diskussion an der künftigen Preisgestaltung für die Sepa-Lastschrift. Angesichts der Pläne der EU-Kommission, hier nur temporär eine Interchange zuzulassen, haben die deutsche Sparkassenorganisation und die französische Kreditwirtschaft gedroht, die Einführung zu stoppen. Wie realistisch ist angesichts dieser Diskussion der Einführungstermin 1. November 2009?

Der 1. November 2009 ist für die Einführung der Sepa-Lastschrift nach wie vor realistisch. Die diesbezüglichen Investitionen wurden wie gesagt bereits getätigt. Es wird eine Übergangsfrist für bestehende Gebührenmodelle geben und die Frage der Gebühren nach dieser Übergangsfrist soll wie schon gesagt in naher Zukunft geklärt werden.

Mit Blick auf die geplante Ausdehnung des Preisgleichheitsgebots der EU-Preisverordnung auf die Sepa-Lastschrift hat der ZKA vorgeschlagen, künftig nationale und europäische Lastschriften mit unterschiedlicher Ausgestaltung und Komplexität und unterschiedlichem Preisniveau nebeneinander bestehen zu lassen. Kann das aus Sicht der EZB eine Lösung sein?

Dies wäre der Sache nicht zuträglich. Alle Studien zu diesem Thema zeigen, dass die Anwendung von zwei

Verfahren sehr kostspielig für das Bankgewerbe wäre und somit letztlich auch für die Verbraucher. Die Beibehaltung zweier Verfahren verhindert die Nutzung möglicher Skaleneffekte. Daher kann die Verwendung zweier Verfahren nur eine Übergangslösung sein.

Inwieweit kann die Europäische Zentralbank in dieser Auseinandersetzung zwischen der Kreditwirtschaft und der EU-Kommission die Rolle eines Mittlers übernehmen?

Im Rahmen unserer Gespräche über Fortschritte des Sepa-Prozesses wollen wir Banken und Europäische Kommission bei der Lösungsfindung mit unseren Analysen unterstützen.

Die Sepa-Überweisung ist bereits seit 2008 Realität, wenn auch noch nicht Standard bei allen Überweisungen. 2010 ist laut Sepa-Fortschrittsbericht die kritische Masse erreicht. Warum mahnt die Zentralbank dennoch einen festen Stichtag für das Ende der Migrationsphase an?

Wird sich der Parallelbetrieb von nationalem und europäischem System dann nicht in absehbarer Zeit von selbst erledigen?

Zu einem früheren Zeitpunkt haben wir uns dahingehend geäußert, dass 2010 eine kritische Masse erreicht werden sollte. Angesichts der Tatsache, dass es zu einer Reihe von Verzögerungen gekommen ist, halten wir eine Verstärkung der Anstrengungen zur Erreichung einer rechtzeitigen Umstellung für nötig.

Ein Stichtag für das Ende des Parallelbetriebs würde den Marktteilnehmern sicherlich helfen - den Kunden und den Banken. Das zeigt auch die Erfahrung mit dem Plan zur Einführung des Euros.

Lassen Sie mich noch anfügen, dass wir bislang den ersten Schritt im Sepa-Prozess gemacht haben. Die vom europäischen Bankgewerbe bereitgestellten Standard-Sepa-Instrumente sollten die Grundsteine eines dynamischeren Marktes für Massenzahlungen werden.

Ich gehe davon aus, dass innovative Produkte wie beispielsweise die elektronische Rechnungsstellung oder mobile Zahlungen, die auf den Standard-Sepa-Instrumenten aufbauen, früher oder später im Markt gang und gäbe sein werden.

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