Wertpapiergeschäft

Zertifikate: Kunden brauchen mehr Grundlageninformationen

Zertifikate erfreuen sich stetig steigender Beliebtheit. So stellte
das Deutsche Derivate Institut (DDI) im Dezember 2005 wieder einen
erhöhten Anlagebedarf fest: Die Börsenumsätze stiegen um rund 25
Prozent auf 8,48 Milliarden Euro; im November betrug das
Handelsvolumen noch 6,8 Milliarden Euro. Gleichzeitig setzen
Investoren weiter auf Sicherheit. Der Anteil der defensiven
Anlagezertifikate stieg auf 57 Prozent, die risikoreicheren
Hebelpapiere gingen - bei einer Steigerung des Umsatzes - etwas zurück
auf 42 Prozent. Erhebungen des Derivate Forums zufolge haben im
vergangenen Jahr rund sechs Prozent aller Deutschen in derivative
Wertpapiere investiert. Zum Vergleich: 2002 waren es noch unter ein
Prozent. Wer "Zertifikate" sagt, kann in Deutschland zirka 80000
verschiedene Papiere meinen. Generell können Anleger mit dieser
Wertpapierart auf eine Vielzahl von Basiswerten wie Aktien, Indizes,
Rohstoffe und Rentenpapiere setzen und auf unterschiedliche
Markterwartungen spekulieren. Die Wertentwicklung eines Zertifikates
orientiert sich am jeweiligen Basiswert. Die Regeln für jedes
Zertifikat werden vorher definiert, die Rückzahlungsbedingungen sind
somit beim Erwerb bekannt. Zertifikate überzeugen durch ihre
Flexibilität und dadurch, dass sie Strategien in einem börsentäglich
fortlaufend handelbaren Papier umsetzen. Ein weiterer Mehrwert für
private Anleger: Einige Investmentansätze, die zuvor institutionellen
Investoren vorbehalten waren, können nun verfolgt werden.
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Neueinsteiger mit Grundinformationen versorgen
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Durch die Vielzahl der angebotenen Papiere kommt es auf die richtige
Auswahl an. Unabdingbar für eine Anlageentscheidung ist das
Verständnis der Funktionsweise. Vorgeschrieben für alle Arten von
öffentlich angebotenen Schuldverschreibungen ist laut
Wertpapierprospektgesetz der Verkaufsprospekt, der umfassend über alle
Konditionen und Risiken informiert.
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Optimaler Service bei einem teils sehr jungen und generell überaus
vielfältigen Produktangebot bedeutet selbstverständlich mehr, als nur
den Bestimmungen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen: gut
aufbereitete, transparente, umfassende Informationen zu Anlageart,
Funktionsweise und einzelnen Produktmerkmalen. Fachchinesisch ist hier
genauso fehl am Platz wie der übermäßige Gebrauch der englischen
Sprache.
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Besonderes Augenmerk sollte dabei auch dem Service- und
Dienstleistungsangebot gelten, das Neueinsteiger mit den notwendigen
Grundinformationen versorgt und durch einen ersten Überblick
Hilfestellung leistet. Dies ist umso wichtiger, als die Übergänge
zwischen den einzelnen Zertifikatearten oft fließend sind.
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Analyse zur Servicequalität von Zertifikateanbietern
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Laut einer Analyse, die das Wirtschaftsmagazin Capital zusammen mit
der Unternehmensberatung Steria Mummert Consulting zur Servicequalität
von Zertifikateanbietern am deutschen Markt durchgeführt und im Herbst
2005 veröffentlicht hat, ist das Service- und Informationsangebot
durchaus noch ausbaufähig.
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Untersucht wurden Internetauftritt, Antwortverhalten und
Produktunterlagen von 22 Instituten. Von 100 möglichen Punkten haben
die teilnehmenden Emittenten durchschnittlich 57 erreicht. Sie sind
zwar in der Regel zehn Stunden am Tag persönlich erreichbar, und
Kundenmagazine, Produktübersichten und Informationen zu Neuemissionen
gehören mittlerweile zum Standard. Doch grundsätzliche und zudem
leicht verständliche Informationen für interessierte Neueinsteiger
sind selten und wenn, nur versteckt zu finden. Insgesamt haben die
Anbieter in etwa gleich abgeschnitten; starke Abweichungen nach oben
oder unten gab es nicht.
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Die Bankgesellschaft Berlin belegte im Gesamtergebnis der
Serviceanalyse den dritten Platz. Sie lag mit 68,2 von 100 Punkten
hinter HSBC Trinkaus & Burkhardt (68,9 Punkte) und der Deutschen Bank
(68,3 Punkte). Ihr Internetauftritt überzeugte die Marktforscher vor
allem durch Angebot und Leistung sowie durch einen kundenorientierten
Aufbau der Seiten. In diesem Teilbereich stellt die Bankgesellschaft
Berlin den Anbieter mit dem höchsten Standard dar. So haben die Seiten
der Bankgesellschaft Berlin (www.zertifikate.bgb.de) eine klare und
übersichtliche Menüführung, so genannte "sprechende" Bezeichnungen der
Rubriken (zum Beispiel "Wie funktionieren ..."), sinnvolle
Verlinkungen innerhalb der Seiten und gute Such- und Hilfsfunktionen.
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Um den Serviceaspekt im Internet zu bewerten, wurden die relevanten,
frei zugänglichen Internetseiten der betrachteten Anbieter miteinander
verglichen. Bei der Analyse des Antwortverhaltens wurden die
Emittenten von Testpersonen mit fiktiven Anfragen zu Zertifikaten
angerufen, angemailt oder angeschrieben. Die Testpersonen fragten nach
Informationen, Unterstützung und Beratung. Im Anschluss wurde das
Antwortverhalten der Gesellschaften bewertet.
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Bei den Produktunterlagen untersuchten die Verfasser der Studie vor
allem Verkaufsprospekte und kurze Produktbeschreibungen (Factsheets).
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Im Internet wenig allgemeine Informationen
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Knapp 70 Prozent der untersuchten Anbieter haben einen speziell auf
Derivate ausgerichteten Internetauftritt. Dieser beinhaltet vorrangig
Produktinformationen weniger allgemeine Informationen über die
Anlageart oder den Anbieter selbst. Produktinformationen sind in aller
Regel als pdf-Downloads verfügbar, umfangreiche Newsletter gehören zum
Branchenstandard. Bemängelt wird, dass ein Interessent wenig
Unterstützung bei der Beratung und dem Kaufvorgang selbst erhält; die
entsprechenden Funktionen werden als verbesserungsbedürftig beurteilt.
Das ist gerade für unerfahrene Anleger nachteilig. Bei dieser
nachwachsenden Zielgruppe sind einfache und verständliche
Menüführungen sowie sinnvolle Verlinkungen innerhalb der Seiten
gefragt. Hier bestätigt die Analyse der Bankgesellschaft Berlin eine
Nutzerführung mit bedarfsgerechten Informationen für Neueinsteiger und
guten Erläuterungen zu den Produktarten.
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Kontaktaufnahme mit Beratern zu wenig unterstützt
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Das Antwortverhalten der Institute im Rahmen der Untersuchungen war
sehr unterschiedlich. Zwar bekamen fast alle Interessenten eine
Antwort auf ihre Anfragen, zum Teil dauerte das jedoch sehr lange.
Informationsanfragen wurden zwar inhaltlich korrekt, doch oftmals
unvollständig oder nur im Rahmen der verfügbaren Standardunterlagen
beantwortet.
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Individuellere Anliegen, wie zum Beispiel die Bitte nach einer
Performanceübersicht in einem definierten Zeitraum, wurden nur von
einzelnen Anbietern ausreichend beantwortet. Bei Fragen nach Analyse-
oder Vergleichsmöglichkeiten von Zertifikaten verweisen die Emittenten
übrigens am häufigsten auf die gängigen Finanzportale im Internet.
Interessenten, die Beratungsbedarf haben, werden zumeist an einen
Kundenberater verwiesen; einige Anbieter unterstützen jedoch aktiv die
Kontaktaufnahme.
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Verbesserungsbedarf bei Produktunterlagen
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Gerade für Neueinsteiger sind aussagekräftige Produktunterlagen
wichtig. Auch hier sehen die Verfasser der Analyse einigen
Nachholbedarf: Die Produktunterlagen der untersuchten Anbieter seien
zwar in aller Regel sehr sachlich, übersichtlich und gut strukturiert,
allerdings fehlten häufig aktuelle Kursangaben oder
Chartdarstellungen. Zusammenfassende Übersichten, so genannte
Factsheets, enthalten laut der Studie von Capital und Steria Mummert
Consulting in der Regel die umfangreicheren Produktinformationen.
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Während die Ergebnisse der ersten zwölf platzierten Emittenten geringe
Qualitätsunterschiede aufweisen, fallen die Resultate der übrigen
Anbieter deutlich ab. So weisen fünf Anbieter von theoretisch
erreichbaren 100 Prozent weniger als ein Drittel des Maximalwertes
auf.
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Mit Aufklärungsarbeit zu neuen Zielgruppen
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Gerade sicherheitsorientierte Anleger, die bislang in festverzinsliche
Anlagearten investiert haben, entdecken verstärkt die Renditechancen
von Zertifikaten mit Kapital- und Teilschutzcharakter. Verständlich
aufbereitetes Grundlagenwissen, Aufklärungsarbeit über Chancen und
Risiken sowie guter Service sind wesentlich, um diese neue Zielgruppe
zu gewinnen.
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Der Fokus auf die Serviceleistungen rückt auch die Verantwortlichen
hinter den Produkten etwas mehr ins Blickfeld. Die Komplexität von
passiven, regelgebundenen Anlagekonzepten wie Zertifikaten lässt
leicht vergessen, dass auch hier Menschen als Kompetenzträger,
Entwickler und Kundenbetreuer dahinterstehen.

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