Agiles Management

Dr. Claudia Klausegger

Quelle: privat

Ziel jedes Unternehmens ist es, nicht nur durch eine geeignete Geschäftspolitik Gewinne für die Eigentümer zu erzielen, sondern auch durch eine langfristig angelegte Strategie den dauerhaften Bestand des Unternehmens zu sichern. Beides sicherzustellen ist angesichts der raschen Veränderungen, die auf Unternehmen bereits zugekommen sind und die auch weiter auf Unternehmen zukommen werden, immer schwieriger.

Unternehmen müssen sich auf die sich ändernden Märkte (unter anderem Trend zu globalen Märkten), neue Technologien (Digitalisierung von immer mehr Bereichen), komplexer gewordene Rahmenbedingungen (unter anderem zunehmende Regulierung im Finanzbereich), disruptive Innovationen von Produkten sowie Dienstleistungen (wie etwa das Vordringen von "sharing statt shopping") und die Entstehung neuer Geschäftsmodelle (wie sie in der Plattformökonomie auftreten) einstellen.

Veränderungstempo immer höher

Veränderungen im Unternehmensumfeld hat es schon immer gegeben - so zum Beispiel, wenn aufgrund hohen Wachstums Umstrukturierungen notwendig waren oder wenn der Markt neue Vertriebsformen erforderlich machte.

Die derzeitigen Veränderungen sind durch ihre hohe Geschwindigkeit gekennzeichnet, die noch vor einiger Zeit für nicht vorstellbar gehalten wurde. Betrachtet man die Geschäftswelt im dritten Quartal des 20. Jahrhunderts, stellt man fest, dass die damalige Produktion und Konsumation für die heutigen Millennials zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte gehören.

Unternehmen mussten sich auf diese enormen Veränderungen laufend einstellen. Vielen Unternehmen ist es gelungen, manchen leider nicht. In der heutigen Zeit gilt es, sich nicht nur auf diese "Schlag auf Schlag" kommenden Veränderungen einzustellen, sondern die Veränderungen müssen zudem in einem weitaus rascheren Tempo als früher durchgezogen werden, das heißt im Change-Management-Prozess ist eine deutlich höhere Agilität gefragt.

Vier unterschiedliche Perspektiven

In der Wissenschaft ist Agilität noch relativ unscharf definiert. In der Praxis sind vier Perspektiven beobachtbar:

1. Agilität erfordert eine entsprechende Haltung im Unternehmen, womit gemeint ist, dass die erkannte Notwendigkeit von raschen Veränderungen auch umgesetzt wird. Die konsequente Umsetzung verlangt unter anderem die Einbindung aller Betroffenen, Offenheit und Transparenz, sowie eine entsprechende Führungskultur.

2. Agilität bedeutet eine höhere Geschwindigkeit, als sie bisher bei Veränderungen in Unternehmen gepflegt wurde. Unternehmen müssen aktiv nach unternehmensrelevanten Veränderungen Ausschau halten. Sobald diese erkannt werden, müssen rasch alle notwendigen Maßnahmen gesetzt werden, um ohne Einbußen weiterbestehen zu können.

3. Agilität bedeutet eine immanente Anpassungsfähigkeit des Unternehmens, um das geforderte Tempo der Veränderung auch realisieren zu können.

4. Nicht zuletzt fordert Agilität eine konsequente Kundenzentriertheit, damit sich Veränderungen nicht zulasten der Kundenorientierung und in Folge auch zulasten des Unternehmens auswirken.

Neue Führungsqualitäten gefragt

Trotz des großen Drucks zur Agilität muss beachtet werden, dass - bevor etwas agil geändert wird - genau überlegt werden muss, wie und mit welchem/n Ziel/en etwaige Veränderungen vorgenommen werden sollen. Nur etwas zu tun, weil man - planlos - glaubt, um des Tuns willen etwas tun zu müssen, wird nicht das erforderliche Ergebnis bringen.

Agiles Management setzt spezielle Führungsqualitäten voraus, um die Trends auf dem Markt rechtzeitig zu erkennen und proaktiv zu handeln, das heißt. Maßnahmen frühzeitig zu setzen. Klassische - statische - Führungskonzepte sind zumeist siloorientiert, nicht kundenzentriert ausgerichtet und oftmals zu langsam, um in einer schnelllebigen Zeit mithalten zu können. Agile Führung ist dynamisch. Die notwendigen Entscheidungen im Hinblick auf die Veränderungen werden schnell und flexibel getroffen.

In agilen Unternehmen geben Führungskräfte die Strategie vor und ermöglichen den Teams die Arbeit beziehungsweise die Aufgaben als eigenverantwortliche ("so wie sie es für richtig halten") und selbstorganisierte Einheiten innerhalb gesetzter Regeln zu erledigen oder zu lösen. Lange Entscheidungswege sind für eine rasche Lösung nicht zweckmäßig.

Agiles Management bedeutet in der Umsetzung ein hohes Maß an Eigenverantwortung für die jeweiligen Teams, eine Ermutigung für die Mitarbeiter, aktiv und schnell zu Problemlösungen zu kommen, sich nicht durch bürokratische Hemmnisse abschrecken zu lassen und nicht auf Vorgaben "von oben" zu warten. Ein agiles Führungskonzept erfordert hohes Vertrauen vom Vorstand beziehungsweise der Geschäftsführung in die gebildeten Teams und die involvierten Mitarbeiter.

Herkunft aus der IT-Branche

Das Konzept des agilen Managements hat sich zuerst in der Softwareentwicklung durchgesetzt und bewährt. Mittlerweile kommt es auch zunehmend außerhalb der IT-Branche - nicht nur bei der Projekt- oder Produktentwicklung - zur Anwendung. In der Regel wird auf ein iteratives Vorgehen gesetzt, bei dem statt nach längerer Zeit in einem Stück, kleinere Teile in rascher zeitlicher Abfolge abgearbeitet werden.

Diese kurzen Umsetzungszyklen sind kennzeichnend für agiles Management. Durch die kurzfristigeren (Teil)Ergebnisse kann das Vorgehen regelmäßig überprüft werden, ob es den Erwartungen entspricht, ob die Vorgaben noch valide sind und ob neue Maßnahmen zu setzen sind.

Von Hierarchie zur Netzwerkstruktur

Agiles Management erfordert

- hohe Transparenz beim Vorgehen,

- eine ausgeprägte Kommunikation sowie einen laufenden Dialog aller Betroffenen,

- eine aktiv gepflegte Wissensweitergabe,

- aktives Ansprechen von Problemen, Schwierigkeiten und falschen Denkmustern,

- Feedbackmechanismen, um Fehler frühzeitig zu erkennen,

- eine Fehlertoleranz mit konstruktiver Abhandlung der Fehler

- und vor allem muss das Ziel aller Maßnahmen immer im Auge behalten werden.

Für den Fall, dass wichtige Entscheidungen notwendig werden, um die gesetzten Regeln zu ändern, müssen diese von der Geschäftsführung zeitnah getroffen werden, um die Agilität der Teams nicht zu bremsen. Organisatorisch entwickelt sich bei agilem Management eine hierarchisch geprägte Organisation in Richtung einer Netzwerkstruktur.

Scrum ist die am weitesten verbreitete Methode

Agiles Management ist bei allen Prozessen möglich. Das Vorgehen ist rascher, die Kosten sind geringer und auf Veränderungen kann flexibel reagiert werden. Dies geschieht durch die Analyse der Prozesse, ihre Anpassung und gegebenenfalls ihre Verbesserung. Dazu gibt es mehrere Methoden, von denen Scrum die am stärksten verbreitete sein dürfte.

Obwohl in der heutigen Zeit die Schnelligkeit bei der Bewältigung von Veränderungen enorm wichtig ist, darf dennoch nicht übersehen werden, dass das Richtige getan werden sollte. Das bedeutet ein (nicht zu lange andauernder) systematischkreativer Zielentwicklungsprozess sollte vor Beginn jedes agilen Vorgehens stehen. Nur wenn beides richtig gemacht wird, wird die Anpassung an veränderte Unternehmensbedingungen erfolgreich sein.

Dr. Ewald Judt ist Honorarprofessor der Wirtschaftsuniversität Wien, ewald.judt[at]wu.ac[dot]at. Dr. Claudia Klausegger ist Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien, claudia.klausegger[at]wu.ac[dot]at.

Dr. Claudia Klausegger , Assistenzprofessorin am Institut für Marketing-Management der Wirtschaftsuniversität Wien
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