Einmalbeiträge in der Lebensversicherung bleiben Bankendomäne

Stabile Vertriebsanteile am Leben-Neugeschäft Quelle: Willis Towers Watson, Vertriebswege-Studie Lebensversicherung 2020

Wenn es um den Markt der Lebensversicherungen geht, hinken die veröffentlichten Zahlen der Wirklichkeit immer ein Jahr hinterher. Der Blick darauf lohnt dennoch, nicht zuletzt auch, was den Vertriebswegemix angeht. Zahlen dazu bietet die Ende November 2021 veröffentlichte Vertriebswege-Studie von Willis Towers Watson. Die im Juli 2021 vorgelegten Branchenzahlen des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) für 2020 haben eindrücklich belegt: Die Relevanz der Lebensversicherung für die Altersvorsorge in Deutschland geht trotz der immer noch hohen Vertragszahlen tendenziell zurück. Ende 2020 bestanden 86,3 Millionen Verträge bei Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen und Pensionsfonds, von denen fast 52 Prozent auf Rentenversicherungen entfielen (über 44 Millionen Verträge).

Doch der Bestand an Lebensversicherungen sank im ersten Corona-Jahr um 1,0 Prozent auf 82,0 Millionen Verträge, die Anzahl der neu abgeschlossenen Verträge lag mit 4,6 Millionen sogar um 8,7 Prozent niedriger als 2019. Ein positives Vorzeichen gab es allein bei den Basisrenten (plus 1,7 Prozent auf rund 85 000 Verträge), während das Minus im Riester-Neugeschäft mit 5,5 Prozent (277 000 Neuverträge) angegeben wird.

In der Gesamtbetrachtung von laufenden und Einmalbeiträgen verzeichneten die Lebensversicherer rund 165 Millionen Euro weniger Neugeschäft als 2019, allerdings 835 Millionen Euro mehr als 2018. Mehr Neugeschäft vermitteln als 2019 konnten allein die Makler und Mehrfachagenten, während vor allem die Einfirmenvermittler hohe Rückgänge hinnehmen mussten, so Willis Towers Watson.

Bankenmarktanteil ausgebaut

Die Banken haben in diesem Umfeld offenbar gleichwohl "einen guten Job" gemacht. Denn das Einmalbeitragsgeschäft, bei dem Willis Towers Watson den Marktanteil des Bankvertriebs am Neugeschäft mit 46,1 Prozent angibt, hat sich mit einem Rückgang von 1,1 Prozent bei den Beiträgen auf 37,1 Millionen Euro vergleichsweise gut entwickelt. Und die Banken konnten ihren Marktanteil wie schon 2018 (44,2 Prozent) und 2019 (45,2 Prozent) im Einmalbeitragsgeschäft zudem weiter ausbauen - vor allem zulasten der Einfirmenvertreter, aber auch des Direktvertriebs. Und die Durchschnittsbeiträge stiegen in den letzten Jahren kontinuierlich an.

Die Ursache dafür, dass die Einmalbeiträge die Domäne des Vertriebs über Banken bleiben, sieht Henning Maaß von Willis Towers Watson in ihrem großen Einblick in die Finanzsituation ihrer Kunden, der sich unverändert als beträchtlicher Vorteil beim Verkauf von Produkten für die private Altersvorsorge erweist. So konnten sie ihr Rekord-Neugeschäft aus dem Jahr 2019 im Jahr 2020 sogar noch steigern.

Bei den laufenden Beiträgen hingegen hat sich der Bankvertrieb weniger gut geschlagen. Hier sank ihr Anteil am Neugeschäft (gemessen an den laufenden Beiträgen für ein Jahr) 2020 um 0,5 Prozentpunkte von 20,1 Prozent im Vorjahr auf 19,6 Prozent.

Stabile Vertriebsanteile am Leben-Neugeschäft Quelle: Willis Towers Watson, Vertriebswege-Studie Lebensversicherung 2020

Negativzinsen helfen beim Vertrieb

Unter dem Strich ergibt sich in der Gesamtbetrachtung nach APE (laufende Beiträge plus 10 Prozent der Einmalbeiträge) für den Bankvertrieb mit einem Marktanteil von 30,8 Prozent (plus 0,2 Prozentpunkte gegenüber 2019) ein Platz zwei im Vertriebswegemix. Den Spitzenplatz belegten erstmals die Makler und Mehrfachagenten (31,9 Prozent), während die Einfirmenvermittler mit 30,0 Prozent (2,0 Prozent weniger als im Vorjahr) auf Platz drei zurückfielen.

Im ersten Corona-Jahr, in dem die Beratung in Zeiten des "Social Distancing" erst noch geübt werden musste, ist das durchaus ein Erfolg, auf dem sich die Branche selbstredend nicht ausruhen darf, wenngleich der gute Einblick in die Finanz- und Vorsorgesituation der Kunden auch in einem Markt im Wandel ein Pfund bleibt, mit dem sich vermutlich auch weiterhin etwas anfangen lässt.

Geholfen, so Maaß, haben dabei vermutlich nicht zuletzt die Negativzinsen, die die Produkte der Lebensversicherer gerade bei sicherheitsbewussten Kunden - trotz geringerer Garantien - attraktiv machen.

Dafür sprechen auch die vom GDV kommunizierten Zahlen zu den Stornoquoten: Die deutschen Lebensversicherer haben demnach 2020 ungeachtet der Corona-Krise gemessen am Bestand die wenigsten Vertragskündigungen seit der Wiedervereinigung verzeichnet. Mit 2,55 Prozent der Verträge (2019 knapp 2,7 Prozent) wird sie als "historisch niedrig" bezeichnet.

Wie es in der Altersvorsorge weitergeht, wird jedoch in hohem Maße davon abhängen, welche Weichenstellungen die neue Bundesregierung vornehmen wird - und wann. Denn zunächst einmal soll ja erst "geprüft" werden.

Neue Konkurrenz durch Staatsfonds?

Der staatlich verwaltete Vorsorgefonds, den die Ampel-Koalitionäre in Erwägung ziehen, hat in einer ersten Umfrage im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsore (Dia) nur mäßige Begeisterung der Bevölkerung zutage gefördert. In der von Insa Consulere durchgeführten Umfrage gaben nur 29 Prozent der Befragten an, nach der automatischen Einschreibung im Fonds verbleiben zu wollen und Bei träge einzuzahlen. Fast ebenso viele (26 Prozent) würden widersprechen und sofort wieder aus dem Fonds aussteigen.

Die größte Gruppe allerdings war sich nicht sicher (36 Prozent) oder hat gar keine Angabe gemacht. Bedenkt man den Trägheitsfaktor, dann spricht einiges dafür, dass eine deutliche Mehrheit der Bürger keinen Gebrauch von einer Opt-out-Möglichkeit machen und letztlich in einen solchen Staatsfonds einzahlen würde. Das würde wiederum bedeuten, dass sich zwar die Vorsorgesituation gerade der Unentschlossenen und Nachlässigen verbessern könnte. Das Vertriebspotenzial in Sachen Altersvorsorge für die Banken, Asset Manager und Versicherer könnte allerdings beträchtlich geschmälert werden. Schließlich kann jeder Euro nur einmal angelegt werden.

Aktuell ist jedenfalls die Fondsbranche der größte Verwalter von Altersvorsorgekapital in Deutschland, wie der BVI festhält. Denn auch dort, wo die Bürger für ihre Rente über Versicherungen oder eine Betriebsrente vorsorgen, wird ein großer Teil dieses Kapitals letztlich in Fonds verwaltet. Mitte 2021 verwalteten die Mitglieder des BVI einer Mitgliederumfrage zufolge 1 770 Milliarden Euro für Altersvorsorgezwecke. Das sind 44 Prozent des von der Branche insgesamt verwalteten Vermögens von über 4 000 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Zur Jahresmitte 2017 lag der Anteil bei 40 Prozent. Seitdem ist das Vermögen für Altersvorsorgezwecke um 600 Milliarden Euro gewachsen.

Hinter diesem für die Altersvorsorge verwalteten Vermögen der Fondsgesellschaften stehen insbesondere kapitalbildende Lebensversicherungen mit 610 Milliarden Euro. Damit schließt sich der Kreis zu den Versicherungen. Auf die betriebliche Altersvorsorge entfallen 520 Milliarden Euro; dazu gehören vor allem Direktzusagen (270 Milliarden Euro) und Pensionskassen (190 Milliarden Euro). Für berufsständische Versorgungswerke von zum Beispiel Ärzten, Apothekern und Rechtsanwälten verwalten die Fondsgesellschaften 400 Milliarden Euro. Auf konventionelle und staatlich geförderte Fondssparpläne (zum Beispiel Riester- und VL-Fondssparpläne) entfallen 130 Milliarden Euro. Für die Zusatzversorgung der Beschäftigten bei Bund, Ländern und Gemeinden sowie den Kirchen verwalten die Fondsgesellschaften 110 Milliarden Euro.

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