Kreditgeschäft

Bonitätsanalyse per Facebook

Immer wieder wird in Deutschland über die Algorithmen diskutiert, mit denen Auskunfteien wie die Schufa den Score-Wert ermitteln, der über die Bonität von Verbrauchern Auskunft gibt. Zu Unrecht, so der häufig geäußerte Verdacht, wird dabei die Bonität vieler Verbraucher niedrig bewertet, mit der Folge, dass sie keinen Kredit erhalten oder zu viel dafür bezahlen müssen.

Der Blick nach Südafrika beweist jetzt einmal mehr, dass diese Diskussionen um das Scoring in Deutschland im Grunde nur ein Jammern auf hohem Niveau darstellen. Denn während die Seriosität der Schufa allen Klagen zum Trotz doch grundsätzlich unumstritten ist, macht die südafrikanische Geschäftsbank Barclays Africa Group nun in Zusammenarbeit mit dem nigerischen Start-up Social Lender testweise unter anderem Facebook zum Gradmesser für die Kundenbonität.

Potenzial für die Feststellung der Kreditwürdigkeit hat der Bank zufolge vor allem die Analyse der Freundesliste in sozialen Netzwerken. Neben Facebook könne dabei auch der Kurznachrichtendienst Twitter in das Recherchespektrum von Kreditgebern fallen.

Um die Kreditwürdigkeit zu überprüfen, sollen jedoch nicht nur Freundeslisten verfolgt werden, sondern auch der Content, den User veröffentlichen. So könnten Kommentare zum Beispiel Anhaltspunkte für die Einschätzung geben, ob der Nutzer ein eher extravaganter Mensch ist. Ist ein User einmal als "extravagant" kategorisiert, könnte es ihm künftig schwerer fallen, einen Kredit zu bekommen.

Vergleichsweise zurückhaltendere User würden eher als "sparsam" klassifiziert - und würden deshalb wahrscheinlich schneller ein Darlehen bekommen als andere. Ob solche Kriterien zuverlässiger sind als die Berücksichtigung der Adresse, die bei uns regelmäßig als Argument für die Unsinnigkeit des Scorings durch die Schufa herangezogen wird?

Natürlich wäre die "Bonitätsabfrage" via Facebook ein eindrucksvolles Beispiel für Big-Data-Anwendungen. In Europa wird es dazu aber wohl so bald nicht kommen. Die EU-Datenschutzgrundverordnung, die am 18. Mai dieses Jahres in Kraft tritt, wird eine solche Facebook-Analyse wohl kaum zulassen.

Dennoch zeigt das Beispiel aus Südafrika, wohin die Reise bei der Kreditwürdigkeitsprüfung künftig gehen kann. Denn in einer Zeit, in der die Kunden immer schnellere Kreditentscheidungen erwarten, werden sich die bisherigen Prozesse vermutlich auch dort weiterentwickeln, wo sie schon heute in hohem Maße automatisiert sind und entsprechend schnell ablaufen.

Eine Grundlage dafür könnte die PSD2 bieten. Denn sie ermöglicht auch Banken, über die neuen Schnittstellen Zusatzinformationen über potenzielle Kreditnehmer zu erhalten, insbesondere Konto- und Umsatzdaten bei anderen Instituten. Damit lassen sich Kreditanfragen vermutlich noch detaillierter - und gleichzeitig schneller - prüfen als bisher, ob die Analyse der Daten nun inhouse erfolgt oder in Kooperation zum Beispiel mit Partnern aus dem Fintech-Bereich.

Die Schufa-Abfrage wird damit sicher nicht obsolet werden, sie kann jedoch um neue Daten ergänzt werden. Damit gehören vielleicht auch die internen Bewertungsmodelle für die Kreditvergabe auf den Prüfstand. Denn möglicherweise wird es dadurch möglich, auf andere Informationen, die bisher abgefragt werden, zu verzichten und damit die Effizienz im Kreditprozess weiter zu steigern. Red.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X