RECHTSFRAGEN

Kein echter Sieg für die Inkassobranche

Bundesgerichtshof

Die Rechtsberatung durch Inkassounternehmen stellt eine umfassende und vollwertige substantielle Rechtsberatung dar. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 27. November 2019 (Aktenzeichen VIII ZR 285/18) klargestellt und damit - mit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2002 und 2004 die Gleichstellung von Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten im Bereich des außergerichtlichen Forderungseinzugs bestätigt.

Bedeutsam ist dies vor allem angesichts der von Verbraucherschützern angeheizten Diskussion um die Inkassokosten. Denn wenn Inkasso eine Rechtsdienstleistung ist, dann gelten auch die Vergütungssätze des Rechtsdienstleistungsgesetzes so, wie es bisher praktiziert wird.

An den Inkassokosten reiben sich jedoch die Verbraucherschützer - weil die Kosten oftmals in einem Missverhältnis zu der geforderten Summe stehen. Auch die Politik hat sich der Thematik angenommen und angekündigt, die Inkassokosten um rund die Hälfte senken zu wollen, wogegen sich die Inkassobranche verwahrt. Ihr Argument: Vergütet wird der gesamte Inkassoprozess, bei dem es um mehr geht als nur ein einzelnes Schreiben. Und der erforderliche Aufwand hat eben nicht unbedingt etwas mit der Höhe der jeweiligen Summe zu tun.

Beim außergerichtlichen Einzug einer Forderung besteht das Honorar bisher in der Regel aus einer Geschäftsgebühr von 1,3 Gebühreneinheiten, wie sie aus den Auflistungen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hervorgehen, einer Auslagenpauschale in Höhe von 20 Prozent dieser Gebühr, höchstens aber 20 Euro, sowie der Mehrwertsteuer. Bei einer Forderung von bis zu 500 Euro (der niedrigsten vorgesehenen Kategorie) bedeutet das 58,50 Euro Geschäftsgebühr, 11,70 Euro Auslagenpauschale und 13,34 Euro Mehrwertsteuer, zusammen also 83,54 Euro.

Hier setzt der am 16. September dieses Jahres vorgelegte Referentenentwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz an. Künftig sollen demnach statt der bisherigen 1,3 nur noch 0,7 Gebühreneinheiten abgerechnet werden können. Bei besonders komplizierten Fällen sind 1,3 (statt bisher 2,5) Gebühreneinheiten vorgesehen. Die Bremer Inkasso rechnet vor, dass so bei Forderungen bis 500 Euro aus den bisher abgerechneten 70,20 Euro Inkassokosten nur noch 37,80 Euro werden. Vor allem für Unternehmen, bei denen der Großteil der Forderungen in diese unterste Größenkategorie fällt und somit keine Quersubventionierung aus den Erträgen mit höheren Forderungen möglich ist, drohe das wirtschaftliche Aus. Gerade kleine und mittelständische Inkassounternehmen seien von der geplanten Änderung bedroht, sagt Bernd Drumann, Geschäftsführer der Bremer Inkasso GmbH.

Ob sich der Bundesverband deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU) zu Recht über das BGH-Urteil freut, bleibt insofern abzuwarten. Die Klarstellung, dass Inkassodienstleistungen eine Rechtsdienstleistung sind, ist zwar sicher positiv. Das könnte der Branche aber wenig helfen, wenn, wie vorgesehen, für beide Rechtsdienstleistergruppen - Inkasso unternehmen und Rechtsanwälte - die Vergütung für das außergerichtliche Inkasso unbestrittener Forderungen gesenkt werden.

Profitieren könnten von dem Urteil vielleicht andere: nämlich Legaltechs wie die Berliner Lexfox GmbH, die über das Portal wenigermiete.de Rechtsansprüche von Mietern gegenüber Vermietern durchsetzt. Um die Frage, ob das eine zulässige Rechtsdienstleistung ist, ging es in dem Verfahren vor dem BGH. Durch das Urteil mit einer vergleichsweise weiten Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung hat deren Geschäftsmodell - und vermutlich auch das ähnlich arbeitende anderer Legaltechs höchstrichterlichen Segen. Red.

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