DIGITALE ÖKOSYSTEME

Die Erosion des klassischen Bankgeschäfts schafft neue Chancen

Martin Hipp, Foto: Finmatch

Das klassische Bankgeschäft ist am Erodieren, sagt Martin Hipp. Begonnen hat die Entwicklung an der Peripherie des Geschäfts, im Zahlungsverkehr. Sie hat jedoch längst auch das Wertpapiergeschäft und das Kreditgeschäft und dort sogar das bisherige "Reservat", das Finanzierungsgeschäft mit mittelständischen Unternehmen erfasst. Neue Chancen für die Banken ergeben sich durch die Zusammenarbeit mit Fintechs. Finmatch sieht das eigene Angebot als neuen digitalen Vertriebskanal für Banken. Red.

Neue Finanzdienstleister sprießen wie Pilze aus dem Boden. Die klassische Kreditwirtschaft ist dagegen von galoppierender Schwindsucht befallen. Ulrich Cartellieri sagte bereits 1990 "Die Banken sind die Stahlindustrie der neunziger Jahre". Der ehemalige Vorstand der Deutschen Bank hat Recht bekommen, wenn auch erst zeitverzögert.

Augenfällig wird die Entwicklung am Filialsterben. Allein in den letzten zehn Jahren machte die Kreditwirtschaft rund 30 Prozent der vormals 42 000 Filialen dicht. Und der Trend dürfte sich nochmals beschleunigen. Oliver Wyman erwartet, dass bis 2030 jede zweite der noch bestehenden Filialen geschlossen wird. Aber nicht nur die Präsenz in der Fläche nimmt ab. Banken und Sparkassen reduzierten in den letzten 10 Jahren ihre Beschäftigten um rund 15 Prozent. Währenddessen lässt die Qualität der Beratung immer mehr zu wünschen übrig. So ersetzten die Banken im Geschäft mit Firmenkunden ihre klassischen Berater zunehmend durch Verkäufer. Der Produktverkauf verdrängt die qualifizierte Beratung.

Banken im Wertpapiergeschäft auf dem Rückzug

Die Erosion des Bankgeschäfts begann in der Peripherie. Im Zahlungsverkehr drängen Paypal, Instant-Payment-Systeme und anderen digitale Zahlungssysteme die Banken und Sparkassen in die Defensive. Die Konkurrenz durch Nichtbanken reduziert das Geschäftsvolumen und belastet die Margen im verbleibenden Zahlungsverkehr. Die Aussage von Bill Gates "Banking is necessary - Banks are not!" bestätigt sich.

Nicht nur der Zahlungsverkehr, auch das Wertpapiergeschäft vieler Kreditinstitute erodiert. Direktbroker wie Consors oder Flatex jagen den Banken immer größere Marktanteile ab. Zudem belasten weitere Faktoren deren Gewinn und Verlustrechnung. Zwar erreichten die weltweiten Aktien- und Rentenmärkte zuletzt Höchststände. Aber die rückläufige Zahl der umlaufenden Aktien schmälert die Börsenumsätze und das Provisionsaufkommen der Banken.

- Zum einen wird durch "Going Private" der Kurszettel immer kürzer. Private-Equity-Gesellschaften nehmen viele zuvor börsengehandelte Gesellschaften vom Markt.

- Zum anderen reduzieren Aktienrückkäufe das Volumen der weiterhin börsengehandelten Dividendenpapiere. Zugleich verdrängen margenschwache ETFs das ertragsstarke Geschäft mit aktiv gemanagten Fonds.

- Zu allem Überfluss erhöht die zunehmende Regulierung die Kosten. Die Auflagen der europäischen Finanzmarktrichtlinie machen das Retailgeschäft unattraktiv. Telefonbuchstarke Risikohinweise und umfangreiche Aufzeichnungspflichten verteuern die Wertpapierberatung und schrecken Kunden ab.

Und zudem graben Robo Advisors junge aufgeschlossene Kunden ab. Im Wertpapiergeschäft mit Privatkunden können die Banken kaum noch Geld verdienen.

Im Kreditgeschäft herausgefordert

Verbleibt noch das klassische Bankgeschäft - Spareinlagen einnehmen und Kredite ausgeben. Doch auch hier werden die Banken inzwischen herausgefordert. Nicht nur die im Niedrigzinsumfeld schrumpfende Zinsmarge belastet die Erträge. Auch digitale Anbieter gewinnen an Bedeutung: Heute erfolgt bereits jede zweite Baufinanzierung über Kreditplattformen.

Zudem drängt sich das Crowdlending zwischen die kreditgebenden Institute und ihre Kunden. Diese Geschäftsvolumina dürften aber bis auf Weiteres eher "übersichtlich" bleiben. Finanzportale bedienen spezielle Kundensegmente überwiegend für bonitätsschwächere Privatkunden oder Unternehmen. Hier waren die Banken schon seit einigen Jahren stärker herausgefordert.

Firmenkundengeschäft kein "Reservat" der Banken mehr

Die gehobene Kundschaft mittelständischer Unternehmen war dagegen bisher noch eine Domäne des klassischen Bankgeschäfts. Hier dominiert noch heute das klassische Hausbankprinzip. Doch auch dieses "Reservat" der klassischen Beziehungsbanker wird sich nun wandeln. Die Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Banken verändern sich.

Aktuell hält die Digitalisierung auch in der Finanzierung Einzug. Neben den traditionellen Banken und Sparkassen etablieren sich verschiedenste Fintechs. Die neuen Intermediäre wenden sich bisher vorwiegend an Unternehmen mit schwächerer Bonität. Dort erhalten beispielsweise Start-ups und kleinere Unternehmen leichteren Zugang zu Fremdkapital - allerdings zu einem vergleichsweise hohen Preis.

Matching als neue Chance für Banken

Angesichts der nachlassenden Beratungsqualität suchen auch bonitätsstarke Unternehmer an anderer Stelle nach der vermissten qualifizierten Beratung. Dies muss aber nicht zum Schaden der Banken sein. Finmatch bietet Kreditinstituten einen neuen digitalen Vertriebskanal - ohne Fixkosten. Das Stuttgarter Fintech-Unternehmen erhebt von den Unternehmen standardisierte Daten, bereitet diese durch erfahrene Berater fachgerecht auf und leitet beschlussfähige Grundlagen für Kreditentscheidungen an die Banken. Dies eröffnet etablierten Unternehmen einen neuen effizienten Weg zu Firmenkrediten.

Digitalisierte Prozesse ermöglichen standardisiert aufbereitete Kreditanfragen. Innerhalb von 10 Bankarbeitstagen erhalten Unternehmer bereits verbindliche Angebote verschiedener Institute. Erfahrene Berater durchdringen anspruchsvolle Finanzierungsvarianten und führen die Unternehmer zu individuellen Lösungen. Damit bietet Finmatch Mittelständlern einen klar strukturierten Weg zu passgenauen, langfristigen Finanzierungen.

Und der Markt ist riesig. Hierzulande existieren aktuell 3,5 Millionen mittelgroße Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern und jährlichen Umsätzen bis zu 50 Millionen Euro. Auf der anderen Seite sind rund 1 600 Kreditinstitute im Geschäft mit Mittelstandskrediten tätig. Dabei vergeben die Institute monatlich Kredite im Volumen von durchschnittlich rund 70 Milliarden Euro, davon 95 Prozent durch Banken. Zukünftig dürfte ein deutlich wachsender Teil dieser Fremdkapitalvolumina über Kreditplattformen "gematcht" werden.

Wie geht es weiter? Nicht alle Fintechs werden sich dauerhaft am Markt durchsetzen. Aber der Trend wird sich nicht umkehren. Konsequente Kundenorientierung und Kosteneffizienz werden letztendlich über den Markterfolg entscheiden.

Martin Hipp, Vorstand, Finmatch AG, Tübingen
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