Preisgestaltung im Retail

Privatkredite: BGH-Urteile kommen die Branche teuer

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Die BGH-Urteile zu Bearbeitungsgebühren bei Privatkrediten sind ein vergangenheitsbezogener Etappensieg für die Verbraucher, so Klaus Fleischer. Der Flurschaden für die Kreditwirtschaft ist gewaltig. Rund 13 Milliarden Euro stehen potenziell zur Rückzahlung an, und vieles deutet darauf hin, dass die Kunden rege von dieser Option Gebrauch machen. Banken und Sparkassen können in dieser Situation nur eines tun, warnt der Autor: Sich der Situation stellen. Hinhaltetaktiken oder Ausreden können die Diskreditierung der Branche nur verstärken. Red.

Jahrelang waren Kreditbearbeitungsgebühren höchstrichterlich umstritten. Mitte vergangenen Jahres hatte der Bundesgerichtshof (BGH) für Klarheit gesorgt, indem er die Vereinbarung von Bearbeitungsentgelten für Verbraucherkredite in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unzulässig erklärt (BGH-Urteile AZ. XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13). In zwei weiteren Urteilen haben die obersten Richter am 28. Oktober 2014 die Verjährung von Rückforderungsansprüchen geregelt (BGH-Urteile AZ. XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14).

Die verbraucherfreundlichen Neuregelungen sehen vor, dass Entgeltgebühren bei der Vergabe von Privatkrediten zu Unrecht erhoben wurden. Ein mit der Bearbeitung von Privatkrediten verbundener Aufwand rechtfertigt keine Verrechnung von Gebühren zusätzlich zum Zins. Zudem verjähren derzeit nur solche Rückforderungsansprüche, die vor dem Jahr 2004 oder im Jahr 2004 vor mehr als zehn Jahren entstanden sind, sofern der Kreditnehmer innerhalb dieser Frist keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergriffen hat.1) Die jüngsten Entscheidungen des BGH bestätigt eine Vielzahl von Juristen und Verbraucherschützern in ihrer Ansicht, dass die Entgeltgebühren bei der Vergabe von Privatkrediten generell zu Unrecht erhoben wurden und folglich die Pflicht der Banken auf umgehende Rückerstattung besteht.

Viele Anfragen bei den Ombudsstellen

Erste Reaktionen der Bankenverbände fielen demgegenüber verhalten aus. So nahm federführend in ihrer ersten Pressemitteilung die Dachvereinigung der Banken "Die Deutsche Kreditwirtschaft" eine abwartende Haltung ein2) und behielt sich eine genaue Bewertung des BGH-Urteils in Bezug Verjährungsfristen vor. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) betonte demgegenüber, dass viele Institute bereits vor den BGH-Entscheidungen in Kontakt mit ihren Kunden stünden, um das Anliegen einvernehmlich zu regeln und dass die Mitglieder des Verbands berechtigten Rückforderungen nachkommen würden.3) Unabhängig vom weiteren Verlauf der Schlichtungen und gerichtlichen Klärungen werden die BGH-Urteile aber deutliche Spuren in der Bankenwelt und in deren Bilanzen hinterlassen.

Erste Informationen seitens der Kundenbeschwerdestellen der Bankenverbände weisen darauf hin, dass die Kunden regen Gebrauch davon machen, ihre Forderungen vor einer drohenden Verjährung zu schützen, indem sie beispielsweise bei den zuständigen Schlichtungsstellen vorstellig wurden. So verzeichnete die Ombudsstelle der genossenschaftlichen Bankengruppe (BVR) seit Verkündung des BGH-Verjährungsurteils binnen Monatsfrist mehr als 1 000 Neuzugänge von Beschwerden.

Rund 13 Milliarden Euro stehen zur Disposition

Betroffen von einer Rückforderungswelle seitens der Verbraucher sind vor allem diejenigen Häuser, deren Geschäftsmodell stark auf die Vergabe lukrativer Konsumentenkredite ausgerichtet ist. Nicht selten wurden in der Vergangenheit, um im harten Wettbewerb zu bestehen, sogenannte Schaufensterangebote werbemäßig forciert, deren niedriger Soll-Zinssatz mit einmalig fälligen Bearbeitungsgebühren von 1 bis 4 Prozent kompensiert wurde.

Nun ist der Flurschaden groß, denn Schätzungen der Verbraucherzentralen zufolge dürften die betroffenen Banken und Sparkassen in den Jahren von 2005 bis 2013 knapp 13 Milliarden Euro unzulässige Bearbeitungsgebühren von ihren Kunden verlangt haben. Dieses Volumen steht nun zur Rückgabe zur Disposition. Zu bedenken ist, dass dieser Kraftaufwand nahezu der Höhe der im Verlauf der nächsten neun Jahre in den geplanten einheitlichen EU-Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund) entspricht.4) Als erstes betroffenes Institut beklagt denn auch die stark auf das Konsumentenkreditgeschäft ausgerichtete Targobank, ohne Zahlen zu nennen, dass die Rückforderungen gewaltig seien und deutliche Spuren im Jahresergebnis hinterlassen werden.5) Hieraus kann exemplarisch abgeleitet werden, dass der Handlungsbedarf für Kreditgeber und Verbraucher gleichermaßen hoch ist.

Verbraucherschützer in der Offensive

Im Markt sind zudem breit angelegte Offensiven seitens von Verbraucherschutzorganisationen festzustellen. Bei den Verbraucherzentralen (VZ) sind die Aktivitäten der federführenden VZ Nordrhein-Westfalen und Hessen hervorzuheben, die neben breit angelegten Verbraucherkampagnen mit Downloads von Musterbeschwerdebriefen, die bereits mehr als 500 000 mal heruntergeladen wurden6) , auch aktuelle Sammlungen der Inhalte von Ablehnungsschreiben der Banken und Sparkassen auf ihren Websites zur Information einstellen. Auf die wichtigsten genannten Ablehnungsgründe werden Argumente den Kunden zur Verfügung gestellt, wie gegebenenfalls eine weitere Vorgehensweise auszusehen hat.

Ergänzend hierzu haben sich in der öffentlichen Wahrnehmung Portale installiert wie beispielsweise das Schlichtungsportal (www.schlichtungsportal.de), das selbst keine Verfahren führt, sondern seine Aufgabe in der Verbraucherinformation und -beratung sieht. Einen Schritt weiter geht die Schutzgemeinschaft für Bankkunden metaclaims (www.sammelklage.org), die die Interessen von bereits mehr als 2 000 Betroffenen vertritt und Einzel- und Sammelklagen bestreitet. Entsprechend ist eine Flut von Einzel- und Sammelklagen von Rückvergütungsansprüchen auf die betroffenen Institute bis zum Jahreswechsel eingegangen, allein schon um einer drohenden Verjährung entgegenzuwirken. Dies bedeutet Überstunden und volle Auftragsbücher hierauf spezialisierter Juristen, die vorab schon als Gewinner zu bezeichnen sind.

Hinhaltetaktiken diskreditieren die Branche

Jüngste Reaktionen betroffener Kreditgeber deuten darauf hin, dass die Phalanx vorwiegend bestehend aus Konsumentenbanken, die eine grundsätzliche Ablehnung jeglicher Rückvergütungen vertrat, sich aufzulösen beginnt. So haben einige ehemals als Hardliner bekannte Institute inzwischen erkannt, dass eine absolute Ablehnung der Kundenforderungen kein begehbarer Weg ist.

Auch weitere Ausrede- und Hinhaltetaktiken führen zu einer erneuten Diskreditierung der Branche. Eine wirkliche Schadensbegrenzung wird nur dann gelingen, wenn die betroffenen Banken, Versicherungen und Bausparkassen sich dem Urteil stellen und entsprechend aktiv werden.

Gut beraten wäre die Branche, wenn vorab die Bankenverbände und speziell die betroffenen Einzelinstitute eine offene Informations- und Beratungspolitik gegenüber ihrer Klientel einnehmen würden. Ein Blick auf die Inhalte ihrer Websites besagt aber, dass dies die Ausnahme ist und vielmehr offensichtlich immer noch nach der Devise "Aushalten und Aussitzen begrenzt den Schaden" gehandelt wird. Dies generiert aber einen weiter anwachsenden Flurschaden, da das BGH-Urteil unumstößlich ist.

Juristen als Gewinner

Allein als Gewinner des BGH-Urteils bleiben neben der beschäftigten Heerschar von Juristen und Beratern die Verbraucher denen es gelang, rechtzeitig vor Verjährung ihre berechtigten Rückforderungsansprüche bei ihren Kreditgebern durchsetzen beziehungsweise eine wirksame Hemmung der Verjährung erreicht zu haben. Dies setzt aber voraus, dass die betroffenen Institute keine Verweigerungshaltung einnehmen und dem berechtigten Rückforderungsverlangen ihrer Kunden möglichst unbürokratisch nachkommen.

Insgesamt verzeichnen die Kunden einen vergangenheitsorientierten, statischen Etappensieg verbunden mit viel Aufwand für beide Seiten.Der Markt hat längst realisiert, dass Kos ten einer Kreditbearbeitung nicht gesondert dem Kunden verrechnet werden können, sondern als Bestandteil in die Produkt- und Angebotskalkulation einzufließen haben.

Erfreulich ist, dass das BGH-Urteil künftig für mehr Markttransparenz und Aufwertung der Aussagekraft von Soll- und Effektivzinssatz sorgt. Die starken Wettbewerbsverzerrungen, bedingt durch hoch abweichende Spannen beim Zinsausweis, die für Kunden nur schwer nachvollziehbar waren, gehören der Vergangenheit an.

Fußnoten

1) Vgl. Burgwinkel, BaFin: Privatkredite: Urteil zu Bearbeitungsgebühren, 30. Juni 2014 und BaFin Journal Nov. 2014, S.5.

2) Vgl. Pressemitteilung: Die Deutsche Kreditwirtschaft vom 28. Oktober 2014.

3) Mitteilung BVR auf Anfrage vom 3. Dezember 2014.

4) Das Volumen des gesamten EU-Bankennotfonds soll 55 Milliarden Euro betragen, wovon deutsche und französische Banken und Sparkassen jeweils zirka 15,5 Milliarden Euro bis Ende 2024 einzuzahlen haben.

5) Vgl. Börsenzeitung vom 9. Dezember 2014: Targobank-Chef hadert mit BGH-Rechtsprechung.

6) Stand 9. Dezember 2014 VZ Hessen.

Zum Autor

Prof. Dr. Klaus Fleischer, Hochschule für angewandte Wissenschaften München (Hochschule München), München

Klaus Fleischer , Prof. (em.) Finanz- und Bankwirtschaft, Hochschule München, München

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