Finanzierung im E-Commerce

"Klassische Banken spielen keine nennenswerte Rolle" - Interview mit Jesper Wahrendorf

Jesper Wahrendorf, Geschäftsführer, RatePAY GmbH, Berlin

Der Kauf auf Rechnung war für Online-Händler in Deutschland seit jeher ein Muss. Mittlerweile beginnt sich jedoch auch der Ratenkauf durchzusetzen. Der Zenit ist nach Ansicht von Jesper Wahrendorf noch nicht erreicht. In dieser Nische haben sich vor allem Spezialanbieter wie Ratepay etabliert. Sie erreichen den Marktzugang am besten dort, wo sie mit Payment Service Providern kooperieren, wo also der Ratenkauf direkt in den Bezahlprozess integriert wird. Klassische Banken oder auch Spezialbanken spielen in diesem Geschäftsfeld bislang kaum eine Rolle, so Wahrendorf. Red.

Als Ratepay 2009 gegründet wurde, war da der Markt noch nicht reif für den Ratenkauf im E-Commerce?

Von Anfang an war es unsere Vision, Ratenzahlung im Internet anzubieten. Den Ratenkauf selbst kennen Kunden und Händler schon lange. Im stationären Handel ist es längst üblich, Produkte wie Fernseher, Jahreskarten für den Bus oder Versicherungen in kleinen Teilbeträgen zu bezahlen. Dass der Ratenkauf im Internet einfach, sicher und unkompliziert ab laufen kann, mussten wir erst vermitteln.

Wir waren und sind der Überzeugung, dass sich die bisherige Form der Finanzierung, sei es über Dispositions- oder Konsumentenkredit, in Richtung der tatsächlichen Transaktion verlagert.

Die erste Zahlungsart, die wir angeboten haben, war der Rechnungskauf. Dies ist nach wie vor die beliebteste Zahlungsart der Deutschen im Onlinehandel. Die Vision, auch die Ratenzahlung erfolgreich zu machen, haben wir konsequent verfolgt und verzeichnen heute einen Anteil der Ratenzahlung am Gesamtportfolio von über 20 Prozent.

Wann ist der Markt so richtig in Bewegung gekommen und was hat dafür den Ausschlag gegeben?

In den letzten Jahren hat sich im deutschen E-Commerce viel getan. Die Nachfrage der Kunden, die den Ratenkauf aus dem stationären Handel kennen, ist gestiegen. Gleichzeitig wissen die meisten Online-Händler, dass die richtigen Bezahlarten entscheidend für ihren Umsatz sind. Heute brechen 30 Prozent aller Internetshopper den Kauf ab, wenn sie nicht die Zahlungsart finden, mit der sie gerne bezahlen möchten.1) Darüber hinaus musste sich erst herumsprechen, dass es Dienstleister wie uns gibt, die neben der kompletten Zahlungsabwicklung auch das Ausfallrisiko übernehmen. Die Mühe hat sich gelohnt: In den letzten ein bis zwei Jahren verzeichnen wir einen deutlichen Zuwachs an Ratenkäufen. Wir sind uns aber sicher, dass der Zenit noch nicht erreicht ist, sondern es gerade erst richtig losgeht.

Welche Rolle spielt der Ratenkauf heute im E-Commerce?

Inzwischen setzt laut Studien ein Viertel der Online-Händler die Ratenzahlung ein. Insbesondere bei Shops mit höheren Warenkörben ist ein signifikanter Anstieg zu erwarten. Der Ratenkauf eignet sich aber nicht nur für höherpreisige Waren wie Möbel oder Elektronik, sondern lohnt sich auch bei kleineren Warenkörben. Laut einer aktuellen Studie von Ibi Research wird die Ratenzahlung derzeit im Produktsegment "Bekleidung und Schuhe" am häufigsten angeboten. 2)

Dieselbe Studie zeigt, dass Händler, die den Ratenkauf anbieten, einen durchschnittlichen Warenkorbwertzuwachs von elf Prozent und eine Umsatzsteigerung von sieben Prozent verzeichnen können.3)

Welcher Shop war Ihr erster großer Kunde?

Im Sommer 2012 gingen gleich zwei große Händler, Butlers und Germanwings, an den Start.

Wie viele Online-Shops arbeiten aktuell mit Ratepay zusammen?

In der Summe arbeiten wir derzeit mit knapp 500 Händlern zusammen. Unser Fokus liegt auf der Größe der Shops, daher ist die Anzahl für uns nicht so relevant.

Wie würden Sie Ihren Marktanteil in Ihrem Geschäftsfeld beziffern und wer sind Ihre wichtigsten Wettbewerber?

Ratepay hat sich im Markt etabliert und zählt zu den Topanbietern für Ratenzahlung. Im Wettbewerbsumfeld gibt es keinen Anbieter mit vergleichbarer Lösung, da wir uns mit individuellen, flexiblen Lösungen an den jeweiligen Bedürfnissen unserer Händler orientieren und keine Standardmodule verkaufen. Ähnliche Anbieter im Markt sind der schwedische Anbieter Klarna und der englische Anbieter Billpay/Wonga.

Spielen klassische Banken im Online-Ratenkauf überhaupt eine nennenswerte Rolle? Oder ist das ein Geschäft, das auch an den Spezialbanken mehr oder weniger vorbeigeht?

Interessanterweise spielen die klassischen Banken, aber auch die Spezialbanken, keine nennenswerte Rolle. Einige Anbieter sind mit Postident-Lösungen am Markt, dies stößt aber auf eine geringe Kundenakzeptanz. Der Ratenkauf im Internet kann nur erfolgreich funktionieren, wenn Kunden eine Sofortzusage erhalten und nicht mit einem Ausdruck während der Geschäftszeiten zur Post oder Bank rennen müssen.

Im Internet erwarten Kunden ja schnelle Prozesse, also eine sofortige Online-Zusage. Was bedeutet das für die Risikoprüfung im Antragsprozess?

Unsere Risikoprüfung findet direkt online und in Echtzeit statt. Das heißt während der Käufer seinen Kauf abschließt, erhält er innerhalb von ein bis zwei Sekunden eine Zu- oder Absage. Dahinter verbirgt sich ein hoch komplexer, voll automatisierter Algorithmus, der insbesondere Identität und Bonität der Käufer prüft. Hierfür nutzen wir die ohnehin im Check-out erforderlichen Daten, es werden keine zusätzlichen Informationen wie Gehaltsnachweise benötigt. Der ganze Vorgang läuft ohne förmlichen Antrag, also etwa Postident, alles findet ausschließlich online statt.

Wie hoch sind die Ausfallquoten beim Online-Ratenkauf im Vergleich zum herkömmlichen Konsumentenkredit?

Zu Ausfallquoten bei herkömmlichen Konsumentenkrediten haben wir leider keine Informationen. Unser tägliches Brot ist es, bei möglichst hoher Annahmequote eine möglichst geringe Ausfallquote zu haben. Ratepay ist eine data-drivencompany; wir optimieren unsere Algorithmen und Prozesse täglich. Hierzu beschäftigen wir zahlreiche Data Scientists und Risk Manager.

Als Unternehmen der Otto Group haben Sie ja schon einen Marktzugang über die Handelsunternehmen der Gruppe. Welchen Anteil ihres Geschäfts macht das aus?

Der Großteil der Umsätze wird außerhalb der Otto Group generiert. Erst als sich das Unternehmen außerhalb des Konzerns am Markt bewiesen hatte, kamen nach und nach die ersten Händler der Otto Group.

Mit unseren Leistungen und Services müssen wir genauso überzeugen wie bei konzernfremden Firmen. Natürlich freuen wir uns immer, wenn sich Unternehmen der Otto Group für uns entscheiden. Mit Collins und seinen Shops About You, Edited und Sister Surprise haben wir Anfang 2014 einen ersten großen Händler gewinnen können. Weitere werden in den nächsten Monaten folgen.

Wie schaffen Sie den Marktzugang zu anderen Online-Händlern? Braucht man dazu Kooperationen mit Payment-Service-Providern, um die Funktion Ratenkauf in den Bezahlprozess zu integrieren?

Die Kooperation mit Payment Service Providern ist hilfreich und sinnvoll, auch was den Kontakt zu Neukunden anbetrifft. Händler, die den Ratenkauf einbinden, akquirieren wir aber hauptsächlich selbst durch direkte Vertriebstätigkeiten.

Ist bei der Neukundengewinnung außerhalb der Gruppe die Konzernzugehörigkeit zu einem Handelsunternehmen eher von Vorteil oder möglicherweise auch hinderlich, weil Sie als Wettbewerber wahrgenommen werden?

Einen großen und stabilen Konzern hinter sich zu haben, ist generell von Vorteil. Wir sind nicht VC- und nicht Exit-getrieben. Das gibt uns die Chance, nachhaltig wirtschaftlich zu handeln und zu wachsen, und wir können uns an anderen KPIs als der Wettbewerb orientieren. Außerdem profitieren wir vom Knowhow der Otto Group und nutzen Erfahrungswerte aus sechzig Jahren Versandhandel - das kann kaum ein anderes junges Unternehmen in Deutschland nachweisen.

Wie wichtig ist die Einbindung anderer Zahlungsarten wie Kauf auf Rechnung oder Lastschrift? Werden Sie damit allmählich selbst zum Payment Service Provider?

Ratepay ist Spezialist für unsichere Zahlungsarten, das heißt Zahlungsarten, bei denen der Käufer erst seine Ware erhält und dann bezahlen muss. Konkret bieten wir neben der Ratenzahlung den Rechnungskauf, die Sepa-Lastschrift und die Vorkasse an. Hierauf sind wir spezialisiert, wir agieren nicht als klassischer Payment Service Provider. Rechnung und Lastschrift sind in Deutschland extrem beliebt: 52,4 Prozent der Online-Shopper bevorzugen den Rechnungskauf, 38,4 Prozent die Lastschrift.4) Das sollten Online-Händler nicht außer Acht lassen. Ganz grundsätzlich sollte ein Händler einen guten Mix von Zahlungsarten anbieten, denn ein größeres Angebot an Zahlungsarten erhöht die Quote der Kaufabschlüsse.

Fußnoten:

1) Quelle: W3B, Bezahlen im Internet, Stand November 2014, URL: http://www.internetworld.de/bildergalerie/payment-sozahlt-deutschland-941682.html?seite=1

2) Quelle: ibi research, Ratenkauf im E-Commerce, Januar 2015, Seite 49, URL: http://www.ecommerce-leitfaden.de/ratenkaufim-e-commerce.html

3) Quelle: ibi research, Ratenkauf im E-Commerce, Januar 2015, Seite 30, URL: http://www.ecommerce-leitfaden.de/ratenkaufim-e-commerce.html

4) Quelle: W3B, Bezahlen im Internet, November 2014, URL: http://www.internetworld.de/bildergalerie/paymentsozahltdeutschland-941682.html?seite=3

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