NEUE PROZESSE

"Wir können von einem Wachstum in der Krise sprechen" - Interview mit Johannes Sczepan

Johannes Sczepan, Foto: Plansecur

Die Corona-Krise stellt für viele Menschen die Zäsur dar, die es braucht, um sich näher mit ihren Finanzen zu befassen, sagt Johannes Sczepan. Aus diesem Grund registriert Plansecur eine steigende Nachfrage nach Beratung bei Bestandskunden sowie einen Anstieg bei den Neukundenzahlen. Sczepan sieht darin auch keinen Strohfeuer-Effekt. Einmal geweckt, bleibe das Interesse an Finanzthemen in der Regel erhalten. Ein Stück weit zum Vor-Corona-Zustand zurückkehren dürfte der persönliche Kontakt. Hier werde es zwar künftig verstärkt hybride Modelle geben. Um Vertrauen aufzubauen, brauche es jedoch den Direktkontakt. Red.

Wie hat sich die Corona-Krise auf die Nachfrage nach Finanzberatung ausgewirkt? Gab es dabei Unterschiede zwischen der Phase zu Beginn des Lockdowns beziehungsweise nach der weitgehenden Lockerung der Einschränkungen?

Die Pandemie hat von Anfang an zu einer stark gestiegenen Nachfrage nach Finanzberatung geführt. Die erste Phase war teilweise von Panik geprägt mit der Kernfrage: "Was bedeutet das für meine Finanzen?" Dabei ging es vor allem um Finanzanlagen. Wir konnten in beinahe allen Fällen beruhigen und von übereiltem Handeln abhalten.

Im nächsten Schritt kamen vor allem zwei Fragen auf: Erstens wie sieht eigentlich meine finanzielle Situation aus, etwa im Fall einer Erkrankung, und zweitens wie kann ich von den aktuellen Kursschwankungen an den Börsen profitieren. In dieser zweiten Phase kamen vor allem Neukunden auf uns zu.

Auf welche Themenfelder haben sich die Beratungswünsche primär konzentriert?

Das Spektrum erstreckt sich von der Überprüfung der eigenen Altersvorsorge über Versicherungsfragen bis hin zu den Chancen bei Wertpapierfonds. Beinahe alle neuen Interessenten drehten sich um eine von zwei Fragen, nämlich Versicherungsschutz und Nutzung der aktuellen Finanzsituation an den Börsen, beispielsweise von Fondssparplänen, die angesichts der anhaltenden Unsicherheiten an den Märkten in vielen Fällen empfehlenswert sind.

Waren es vor allem Bestandskunden, die aufgrund der Krise Beratung gesucht haben? Oder hat die Unsicherheit während der Pandemie auch die Neukundenzahlen überdurchschnittlich steigen lassen?

Zu Beginn der Pandemie waren es vor allem Bestandskunden, doch im Laufe der Zeit kamen zügig und kommen immer noch neue Interessenten hinzu. Wir können tatsächlich von Wachstum in der Krise sprechen. Dabei legen wir bei jedem Neukunden Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz. Dazu gehört, dem Kunden einen Spiegel seiner gesamten finanziellen Situation vorzuhalten, bevor es um Einzelaspekte wie Versicherungen oder Vermögensanlagen geht.

Inwieweit rechnen Sie damit, dass sich die gestiegene Nachfrage nach Beratung auch nach der Krise verfestigen wird, wenn die allgemeine Unsicherheit nachlässt?

Viele Menschen haben sich in der Krise zum ersten Mal ernsthaft mit ihren eigenen Finanzen über ihr Gehalt hinaus beschäftigt. Dieses stark gestiegene Interesse wird nach der Krise nicht verschwinden. Es ist doch so: In der Schule erhalten wir praktisch keine Finanzbildung. Geldanlage, Altersvorsorge, Börse, Rente, Fonds, Versicherungen - nichts davon ist Teil der schulischen Bildung, obwohl all das für das Leben entscheidende Faktoren darstellen.

Häufig bedarf es einer Zäsur im Erwachsenenleben, um sich näher mit diesen Themen zu befassen. Genau das stellt für viele Menschen offenbar die Corona-Krise dar, ein Einschnitt, der dazu führt, dass sie sich mit ihren Finanzen befassen. Doch wenn man sich erst einmal damit beschäftigt hat wie in der aktuellen Situation, dann verlernt man dieses Finanzwissen nicht, nur weil die Pandemie vorbei ist.

Ein Gutteil der Bevölkerung geht aus dieser Krise mit einem deutlich gestärkten Finanzwissen hervor. Dies ist eine gute Grundlage für die Beratungspraxis der Zukunft. Der informierte Kunde will sich viel häufiger mit dem Berater seines Vertrauens austauschen als derjenige, der kein Interesse an finanziellen Dingen hat.

Die Corona-Krise hat sich durch die Einschränkungen im persönlichen Kontakt geradezu als "Booster" für die Digitalisierung erwiesen. Wie hat das die Zugangswege zur Finanzberatung verändert?

Die Krise hat vor allem drei Entwicklungen ausgelöst. Erstens ist eine gewisse Panikstimmung aufgetreten, ein Notfall, der in den Augen der Menschen eine schnelle Reaktion erfordert. Daher wurden Themen, die sonst eher auf die lange Bank geschoben werden, von der finanziellen Absicherung im Krankheitsfall über die Absicherung im Alter beinahe über Nacht ganz nach vorne auf der persönlichen Prioritätenskala katapultiert.

Zweitens verlangten viele Menschen nach einer schnellen Beratung. Der traditionelle Weg einer Terminvereinbarung und eines persönlichen Treffens war zu langsam und durch die Corona-Regeln ohnehin erschwert, sodass sich die Beratung per Telefon und vor allem per Videochat rasch zur ersten Wahl für den Kontakt mit Finanzberatern entwickelte. Die Videochat-Beratung wird uns mit Sicherheit über die Pandemie hinaus langfristig erhalten bleiben. Und das ist auch gut so, weil es Kunden und Beratern gleichermaßen zugutekommt.

Drittens war in der Krise beim Thema Finanzen vor allem eines wichtig: Die persönliche Beratung durch einen Experten, der sich in die eigene Haut versetzt, auf die individuelle Situation eingeht, konkrete Handlungsempfehlungen gibt und bei der Umsetzung hilft. Die Menschen wurden nämlich durch die Vielzahl der klugen Analysen, der heftigen Diskussionen, der weit gefächerten Ratschläge und der Unzahl der Börsentipps, die sie im Fernsehen oder im Internet vorgefunden haben, eher verunsichert. In einem immer weiter ausufernden digitalen Angebotsdschungel ist der Berater aus Fleisch und Blut gefragter als je zuvor.

Was meinen Sie: Werden die Menschen nach der Krise die Beratung von Angesicht zu Angesicht umso mehr zu schätzen wissen? Oder werden sie sich so an die "virtuelle" Beratung gewöhnt haben, dass das persönliche Gespräch vor Ort zum Auslaufmodell wird?

Sie drücken es genau richtig aus, die Menschen haben die Beratung von Angesicht zu Angesicht in der Krise besonders zu schätzen gelernt. Man will sich in die Augen sehen, wenn man etwas Wichtiges bespricht. Dabei muss es sich aber nicht immer um ein persönliches Treffen handeln, in vielen Fällen erfüllt ein Videochat dieselbe Funktion. Ich sehe eine Kombination aus Mensch und Technik.

Zur allerersten Kontaktaufnahme bietet sich der Videochat an, weil man ohne Aufwand vonseiten des Kunden oder des Beraters ein unverbindliches Gespräch führen kann, um zu prüfen, ob man zusammenpasst. Im nächsten Schritt, wenn es dann zur Sache geht, wird auch künftig das persönliche Treffen vor Ort von hoher Bedeutung sein.

Man muss bedenken, dass die Finanzplanung häufig eng mit der Lebensplanung verknüpft ist. Und über unser Leben unterhalten wir uns alle viel lieber mit einem Menschen, der uns zum Anfassen nahe gegenübersitzt. Wir brauchen diesen Direktkontakt, um Vertrauen zu gewinnen. Und Vertrauen ist die Grundlage, um uns jemandem anzuvertrauen. Erst wenn dieses Vertrauen gewonnen und gefestigt ist, reicht es künftig bei einzelnen Fragen, sich per Videochat zusammenzuschalten, um dieses oder jenes Detail zu besprechen.

Verstärkt der Trend zur Digitalisierung auch den Trend zum Robo Advice?

Im Gegenteil. Je anonymer unsere Welt wird, und nichts anderes bedeutet Digitalisierung in der Finanzwelt, desto mehr verlangen die Menschen nach echten Menschen, die sich um sie kümmern. Die Digitalisierung hat darüber hinaus neben der Anonymisierung eine Informationsüberflutung ausgelöst. Das führt umso stärker zu dem Wunsch, von einem Menschen aus Fleisch und Blut persönlich beraten zu werden.

Um nicht missverstanden zu werden: Selbstverständlich bedienen sich unsere Berater aller modernen Tools und nutzen die Digitalisierung in vollem Umfang. Hierzu verfolgen wir in unserer Zentrale schon seit vielen Jahren eine konsequente Digitalisierungsstrategie und stellen die Ergebnisse Beratern und Kunden bereit. So kann etwa jeder Kunde, der in einen Fondssparplan investiert, sein Investment per App tagesaktuell verfolgen. Aber den Kontakt zum Kunden, bei dem es um Beratung geht, übernimmt immer der Mensch. Wir sind alle Menschen und wollen lieber mit Menschen statt mit Algorithmen kommunizieren.

Inwieweit baut Plansecur bereits Roboter in die Beratungsprozesse ein?

Es wird künftig darum gehen, Beratungskompetenz und Digitaltechnik richtig zu kombinieren, nicht zu ersetzen. Ganz im Gegenteil dient die Technik wie beispielsweise Videochats dazu, mehr Kunden und Interessenten zu erreichen, die tendenziell eine höhere Finanzbildung besitzen und daher besser verstehen, dass es sinnvoll ist, sein Geld zu investieren, statt es auf dem Sparkonto an Wert verlieren zu lassen. Wie schon gesagt, kommen dabei natürlich auch Apps und alles, was an Digitalisierung dazu gehört, zum Einsatz. Das gilt selbstverständlich auch für alle Finanzanalysewerkzeuge und perspektivisch auch für den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Alle diese Technologien nutzen wir, um unsere Berater zu stärken, damit diese ihre Kunden noch besser bedienen können. Daher sehen wir im Beruf des Finanzberaters eine langfristige Perspektive mit wachsendem Potenzial.

Die Regulierung der Finanzberater hat die Anzahl der Berater in den letzten Jahren schrumpfen lassen. Ist hier im Markt mittlerweile eine Trendwende in Sicht oder schon erreicht? Wie sieht das bei Plansecur aus?

Wir haben schon immer Wert darauf gelegt, nicht so viele Berater wie möglich zu haben, sondern die richtigen. Diese klare Qualitätsorientierung hat für uns oberste Priorität. Daher begrüßen wir alle Regulierungen, die dabei helfen, die Qualität in der Finanzberatungsbranche insgesamt zu heben. Denn auch für die Branche gilt: Es ist besser, wenn es weniger, aber dafür umso qualifiziertere Berater gibt als umgekehrt.

Finanzberater hatten in den letzten Jahren nicht den allerbesten Ruf. Immer wieder wurde der Vorwurf einer nicht an den Kundeninteressen orientierten Beratung erhoben. Wie lässt sich dem entgegenwirken?

Die Finanzberatung in der heutigen Form hat sich bewährt, auch wenn - wie überall - gelegentlich schwarze Schafe bekannt werden. Wir erleben auch Bundesminister, die ihre Promotion erschlichen haben, und Bundestagsabgeordnete, die rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt werden. Aber trotz dieser Einzelfälle verlangen wir nicht, dass es künftig keine Minister oder keine Ab geordneten mehr geben soll. Ähnlich ist es in der Finanzberatung.

Wir brauchen einen klaren Rahmen, und den hat der Gesetzgeber, wie ich meine, recht gut gesteckt. Doch es liegt bei den einzelnen Beratungsgesellschaften, auf dieser Grundlage ein sauberes und seriöses Geschäft zu führen. Plansecur legt seit Anbeginn größten Wert auf die Einhaltung hoher ethischer Grundsätze, die unmittelbar in die Kundenberatung einfließen.

Die Beratung umfasst stets die sechs gleichen Stufen: erstens ganzheitliche Analyse der Lebenssituation, zweitens Entwicklung eines individuellen Finanzkonzepts, drittens transparente Beratung bei allen Entscheidungen, viertens Dokumentation der Beratung, fünftens Vermittlung der geeigneten Finanzprodukte und sechstens die anschließende Begleitung des Kunden, in der Regel über Jahre hinweg. Zudem erfolgen Kundenberatungen über den Einzelberater hinaus anonymisiert in einem Expertenteam. Durch dieses strikte Vorgehen können wir jederzeit bestmögliche Beratungsqualität gewährleisten.

Wäre ein echter Systemwechsel von der provisions- zur honorarbasierten Beratung eine Lösung?

Auf keinen Fall, denn ein reines Honorarmodell und ein damit verbundenes Vergütungsverbot für Finanzberater würden Millionen von Verbrauchern von der Finanzberatung abschneiden. Dies beträfe vor allem Menschen der unteren und mittleren Einkommen, weil sie sich das Beratungshonorar nicht leisten könnten. Das wäre fatal in einer Zeit, in der die Politik die Bürger geradezu aufruft, sich verstärkt selbst um ihre Altersversorgung zu kümmern. Die 250 000 Berater in Deutschland, die Bezüge aus Vermittlungsprovisionen erhalten, erfüllen eine gesellschaftspolitisch wichtige Aufgabe, indem sie Menschen vor Altersarmut bewahren.

Wie angemessen die Provisionen in der Regel sind, zeigt ein einfaches Beispiel. Für einen durchschnittlichen Lebensversicherungsvertrag mit einem Monatsbeitrag von 100 Euro bei einer Laufzeit von 30 Jahren erhält der Vermittler aus einem Gesamtbeitragsvolumen von 36 000 Euro eine Provision von ins gesamt 1 100 Euro.

Dafür erbringt er nicht nur die Beratungsleistung, häufig in mehreren Gesprächen, sondern hat auch die gesetzliche Pflicht, den Kunden 30 Jahre lang zu betreuen. Bei Heirat, Scheidung, Kindern, Umzug oder Beitragsfreistellung muss der Berater tätig werden. Die Provision ist daher, über die Laufzeit von 30 Jahren gesehen, mehr als angemessen.

Bei einer reinen Honorarberatung müsste der Kunde hingegen vorab bezahlen, unabhängig davon, ob er einen Nutzen aus der Beratung zieht oder nicht.

Generell ist es sicherlich immer gut, bestehende Sachverhalte kritisch zu hinterfragen. Aber es ist ebenso gut, das, was man einmal als richtig erkannt hat, dauerhaft beizubehalten. Dazu gehört die Finanzberatung, wie sie heute gesetzlich verankert ist.

Johannes Sczepan, Geschäftsführer, Plansecur Management GmbH, Kassel
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