KOOPERATIONEN

"Wir setzen neue Maßstäbe in der Bankassurance" / Interview mit Crystal Hanna

Crystal Hanna, Foto: ING

Die ING hat eine exklusive Vertriebskooperation mit der Axa vereinbart. In der konkreten Ausgestaltung geht diese Partnerschaft über das übliche Modell der Bankassurance hinaus. Denn Versicherungen werden ins Onlinebanking und künftig auch in die Banking-App integeriert. Was sich naheliegend anhört, war in der Praxis nicht trivial, berichtet Crystal Hanna - vor allem, was die Beachtung regulatorischer Vorgaben angeht. Als wesentliche Hürde macht Hanna dabei die DSGVO aus. Die PSD2 ist für die erforderliche Integration zwar keine Voraussetzung, erleichtert sie aber. Red.

Welche Anforderungen stellt das digitale Zeitalter an den Versicherungsvertrieb?

Kunden erwarten heute, dass sie jederzeit und von überall ihre Finanzen im Blick behalten und managen können. Das gilt nicht nur für Bankgeschäfte, sondern auch für den Bereich Versicherungen. Produkte und Services müssen daher über eine App in kurzer Zeit abschließbar sein und verwaltet werden können. Nur so kann sichergestellt werden, dass man für Kunden relevant bleibt.

Wie gut sind die Assekuranz und ihre Partner darauf eingestellt?

Digitalisierung ist längst auch bei Versicherern ein wichtiges Zukunftsthema. Für uns als Digitalbank ist es Teil unserer DNA. Daher haben wir uns bei der Kooperation mit Axa bewusst für ein Unternehmen entschieden, für das Digitalisierung ebenso oberste Priorität hat. Gemeinsam wollen wir Kunden ein bislang nicht dagewesenes Maß an digitalen Produkten und Services bieten, damit sie ihre Finanzen ganzheitlich managen können. Sowohl Axa als auch ING teilen den Anspruch, ihre Kunden in den Mittelpunkt zu rücken und sie zu befähigen, ihre Finanzen selbst in die Hand zu nehmen.

Wie stellt sich das Thema aus regulatorischer Sicht dar? Hemmen regulatorische Vorgaben wie die Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) den digitalen Versicherungsabschluss?

Die IDD behindert den Prozess zwar nicht, aber sie macht die Gestaltung und Umsetzung verschiedener Customer Journeys komplexer. Das verzögert die Markteinführung neuer Produkte. Wir mussten daher sicherstellen, dass wir zum einen die IDD-Anforderungen erfüllen, zum anderen aber die Abschlussstrecken so kundenorientiert wie möglich gestalten - sprich, dass sie leicht verständlich sind und der Kunde mit so wenigen "Klicks" wie möglich das Produkt bekommt.

Im Bereich der Lebensversicherungen hat die IDD eine ganz konkrete Auswirkung auf Prozesse, denn wir benötigen die Unterschrift des Kunden. Wir haben daher neben unseren digitalen Prozessen auch papierbasierte implementiert, um die Einhaltung sämtlicher Regularien sicherzustellen und Kunden einen passenden Vertragsabschluss zu ermöglichen.

Der Aufbau der Kooperation war deshalb komplex, da jeder Markt seine eigenen Anforderungen und Bedürfnisse hat. ING und Axa haben viel Zeit investiert, um sicherzustellen, dass in jedem Land und für jedes angebotene Produkt die richtigen Rahmenbedingungen für Governance, Daten, Betrieb und Vertrieb geschaffen wurden. Die Hauptschwerpunkte dabei waren IDD, GDPR und Governance-Strukturen, die erforderlich sind, um ein konformes, kundenfreundliches und nachhaltiges Geschäft zu betreiben. Es war sicher nicht einfach, aber wir haben es geschafft.

Die Regulierung dient dem Schutz der Verbraucher und entwickelt sich wie die meisten Dinge im Geschäftsleben im Laufe der Zeit weiter. Da ING und Axa das gemeinsame Ziel verfolgen, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, liegt es in unserer Verantwortung, qualitativ hochwertige Dienstleistungen und Produkte auf möglichst digitalisierte Weise anzubieten und gleichzeitig sicherzustellen, dass wir die regulatorischen Vorgaben einhalten. Wenn wir sehen, dass einige Vorgaben nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen, wollen wir mit allen Akteuren zusammenarbeiten, um Verbesserungen auf den Weg zu bringen.

Weshalb hatte die ING bislang keine eigenständigen Versicherungsprodukte im Angebot?

Unser Kerngeschäft ist und bleibt das Banking. Dennoch möchten wir unseren Kunden bei all ihren Finanzfragen unterstützen. Daher kooperieren wir mit Partnern, bei denen wir überzeugt sind, dass sie unseren Kunden einen Mehrwert bieten und unser Geschäft sinnvoll ergänzen. So wollen wir gemeinsam mit Axa neue, sinnvoll aufeinander abgestimmte Produkte entwickeln, die die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen.

In der neuen Kooperation mit der Axa integriert die ING Versicherungsprodukte in das Onlinebanking. Das klingt an sich außerordentlich naheliegend. Weshalb ist so etwas nicht schon längst Standard? Wo liegen die Hürden?

Uns treibt ein Ziel an: unsere Kunden mit digitalen Versicherungsprodukten und Services zu begeistern. Dafür haben wir in Technologie und Daten investiert, um damit Angebote zu schaffen, die wir personalisieren und dann in großem Umfang anbieten können.

Und genau in solch einer Daten- und Technologieintegration sehe ich die größte Hürde. Die Anforderungen der europäischen Datenschutzgrundverordnung zu erfüllen, ist sowohl zeit- als auch kostenintensiv. Das Gleiche gilt für die Schaffung von Plattformen und dabei zu gewährleisten, dass diese für unsere Kunden sicher und geschützt sind. Beide Partner müssen bereit sein, in diese Bereiche zu investieren

Wir setzen mit der Kooperation neue Maßstäbe in der Zusammenarbeit zwischen Banken und Versicherungen, denn wir arbeiten gemeinsam an den Produkten und bieten sie Kunden so an, wie sie es erwarten: einfach und digital über unsere Plattform. Dafür tauschen wir im Rahmen der gesetzlichen Regelung und nach Zustimmung der Kunden bestimmte Daten aus.

Die Behandlung von Datenthemen ist nicht einfach und erfordert von allen Seiten ein starkes, langfristiges Engagement. Beispielsweise greifen wir auf bereits vorhandene Daten unserer Kunden zurück und ermöglichen es ihnen, mit nur wenigen Fragen ein für sie passendes Angebot zu erstellen.

Auch wollen wir unsere gemeinsamen Produkte nicht nur über das Onlinebanking, sondern bald auch schon über unsere Banking-togo-App anbieten. Damit können unsere Kunden dann jederzeit und von überall ihre Finanzen ganzheitlich im Blick behalten und verwalten. Eine solche Zusammenarbeit, wie wir sie mit Axa haben, ist ressourcen- und zeitintensiv. Damit sie gelingt, braucht es ein starkes Commitment von allen Seiten. Wir sind überzeugt, dass wir damit aber auf dem richtigen Weg sind und dieses Commitment haben.

Braucht es für ein solches Angebot eine IT-Integration mit dem Versicherer? Oder kann das über Open-Banking-Schnittstellen laufen?

Alle Interaktionen mit den Backend-Systemen der Axa, etwa bei der Ausstellung der Police oder einer Schadenmeldung, werden über APIs gesteuert. Die technische Integration wird über ein globales API-Gateway mit einigen spezifischen Komponenten verwaltet, die Teil der ING-Open-Banking-Plattform sind. Dazu gehört auch eine "Partner-API", die verwendet wird, um Teile der Policenerstellung von Axa abzubilden.

Wird damit durch die PSD2 perspektivisch auch eine Erweiterung des Angebots um Produkte weiterer Partner möglich?

Unser Angebot ist nicht von der PSD2 abhängig, aber durch die PSD2 können wir Kunden in Zukunft bessere Services wie etwa einen einfacheren Versicherungswechsel anbieten.

Die Kooperation zwischen Axa und der ING ist exklusiv. Mit Axa haben wir einen Partner mit langjähriger Erfahrung und großer Innovationskraft an unserer Seite, der auch in mehreren Ländern auf der ganzen Welt tätig ist. Unsere Kunden profitieren nicht nur von einzigartigen Produkten, sondern auch von vorteilhaften Konditionen durch unsere Gruppenpartnerschaft.

Kunden sind heute gewohnt, Angebote jeglicher Art intensiv zu vergleichen. Welches Potenzial sehen sie da für ein exklusives Angebot nur eines Versicherungspartners?

Wir sind der Meinung, dass ein nahtloses, digitales Angebot, welches entsprechend der Kundenbedürfnisse entwickelt wurde und eine faire und transparente Preisgestaltung aufweist für viele Kunden wichtiger ist als eine Vielzahl von Angeboten. Aufgrund der hohen Transparenz, die wir bieten, vergleichen unsere Kunden manchmal und das ist auch in Ordnung. Denn bei uns steht der Kunde im Mittelpunkt unseres Handelns und wir möchten, dass unsere Kunden es nicht bereuen, wenn sie sich für ING entscheiden.

Bisher beschränkt sich das Angebot auf drei Kompositprodukte. Soll es perspektivisch auf weitere Produkte erweitert werden?

Wir bauen das Angebot Schritt für Schritt aus. Zurzeit bieten wir Versicherungen in Partnerschaft mit Axa exklusiv für ING-Kunden an. Unser Ziel ist es, gemeinsam neue, sinnvoll aufeinander abgestimmte Produkte zu entwickeln, die die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden erfüllen. Wir arbeiten daher an weiteren Angeboten, etwa einer Cyber-Versicherung oder einer Kfz-Versicherung.

Weshalb haben Sie ausgerechnet eine Kfz-Versicherung in den Blick genommen? Der Markt ist hier doch besonders umkämpft.

Die Kfz-Versicherung ist hierzulande eines der meistgekauften Produkte, vor allem online. Zudem sind wir durch den speziellen ING Autokredit bereits in Kontakt mit der Zielgruppe und können Interessenten über die Finanzierung hinaus eine sinnvolle Leistung anbieten. Wir sind überzeugt, ein Angebot auf den Markt bringen zu können, das transparent, einfach und zu einem fairen Preis ist - trotz des umkämpften Marktes.

Ist es im Kompositbereich einfacher, den Produktabschluss in das Onlinebanking zu integrieren als bei Personenversicherungen wie Leben oder Kranken?

Die Produkte sind in Sachen Anbindung relativ ähnlich. Wir haben bei unseren bereits eingeführten Produkten immer im Fokus gehabt, dass sie für unsere Kunden einen hohen Mehrwert bieten. Wir konzentrieren uns auch darauf, Produkte anzubieten, von denen wir wissen, dass unsere Kunden sie wollen. Perspektivisch schließen wir aber auch weitere Stand-Alone-Produkte nicht aus.

Ist künftig auch die digitale Lebens- oder Rentenversicherung denkbar?

Wir sind offen für alles, schauen aber genau welche Services für unsere Kunden am sinnvollsten sind.

Weshalb koppeln Sie den digitalen Versicherungsabschluss mit dem Girokonto?

Wir haben die jüngst eingeführten Haftpflicht-, Hausrat- und Gebäudeversicherungen im ersten Schritt unseren Girokonto-Kunden angeboten. In den kommenden Monaten wollen wir diese Versicherungslösungen aber auch all unseren anderen Kunden zur Verfügung stellen. Die ING geht bei neuen Produkten und Services bewusst iterativ vor. Wir testen erst mit ausgewählten Mitarbeitern und Kunden, entwickeln mit ihrem Feedback weiter und bieten die neuen Lösungen dann Step-by-Step allen weiteren Kunden an. Das ist Teil unserer agilen Arbeitsweise.

Welche Anforderungen müssen erfüllt sein, um das Angebot künftig auch anderen Kundengruppen - eventuell auch Neukunden - zugänglich zu machen? Welche könnten das sein? Gibt es hierfür schon einen Zeitplan?

Zurzeit bieten wir Versicherungen in Partnerschaft mit Axa exklusiv für unsere mehr als 9,5 Millionen Kundinnen und Kunden an. Um eine Versicherung abzuschließen, benötigt man also bereits ein Konto mit Zugang zum Onlinebanking der ING Deutschland. Bei uns im Onlinebanking finden unsere Kunden dann auch all ihre Versicherungsdokumente.

Als Teil des Konsumentenkredits ist der Kredit-Schutz auch schon für Neukunden zugängig. Bei unseren eigenständigen Produkten konzentrieren wir uns zunächst darauf, bestehenden Kunden qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen anzubieten. In Zukunft werden wir diese Angebote möglicherweise auf neue Kunden ausweiten.

Crystal Hanna, Leiterin Versicherungen, ING AG, Frankfurt am Main
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