Nicht mehr das Ankerprodukt?

Swantje Benkelberg

sb - Es ist schon lange her, dass die EU-Kommission sich das Thema Kontowechsel erstmals auf die Fahnen geschrieben hat: Bereits als der damalige Kommissionspräsident José Manuel Barroso im November 2007 Vorstellungen von einem modernen Binnenmarkt präsentierte, wurden Vorschläge zur Erleichterung des gebührenfreien Wechsels der kontenführenden Bank angekündigt. Ein Jahr später einigte sich das European Banking Industry Committee mit den "Common Principles for Bank Account Switching" auf gemeinsame Grundsätze. Im Mai 2013 schließlich wurde die Zahlungskontenrichtlinie auf den Weg gebracht und wurden damit die Banken verpflichtet, den Kontowechsel durch Umstellungsservices zu erleichtern. Zumindest in Deutschland war damals die Bankenwelt in diesem Punkt noch in Ordnung: die Kontoführungsentgelte waren so niedrig wie in kaum einem anderen EU-Staat, mit einem breiten Angebot an Gratiskonten; Kontowechselservices gehörten hierzulande auch damals schon zum Standardangebot der meisten Kreditinstitute. Am 18. September dieses Jahres ist nun derjenige Teil des deutschen Zahlungskontengesetzes in Kraft getreten, der die Verpflichtung der Banken zur Kontowechselhilfe betrifft. Und inzwischen sieht das Umfeld auch hierzulande ganz anders aus. Viele Banken haben bereits an der Preisschraube bei den Kontoführungsgebühren gedreht, und das Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Vorgaben fällt genau in den Zeitraum, in dem die Öffentlichkeit über den Ausstieg der Postbank aus dem Gratiskonto diskutiert und die Verbraucher betroffene Kunden zum Wechsel ermuntern. Der erleichterte Kontowechsel dürfte somit vielen Kunden so gelegen kommen wie nie.

Der Wechselaufwand rangiert zwar einer im September veröffentlichten Forsa-Umfrage aus dem Juli dieses Jahres zufolge unter den Gründen, die aus Verbrauchersicht gegen einen Kontowechsel sprechen, nur auf Platz 4 (siehe Daten und Fakten). Dennoch lässt eine Verringerung des damit verbundenen Aufwands die Wechselbereitschaft in allen Altersgruppen deutlich steigen. Wenn also geringerer Aufwand beim Anbieterwechsel mit einer Situation zusammenfällt, in der sich vielfach die Konditionen für die Kunden - der Hauptgrund für einen Wechsel - verschlechtern, dann könnte das erhebliche Bewegung in den Markt bringen. Dem Regulator kann das nur recht sein. Ziel war schließlich ein Mehr an Wettbewerb. Doch ob dieser Wettbewerb unter den gegebenen Rahmenbedingungen tatsächlich die Kontoführungsgebühren wird sinken lassen, wie es die EU-Kommission ursprünglich als Ziel ausgegeben hat, darf sicher infrage gestellt werden. Dafür haben sich die Rahmenbedingungen seit damals zu stark verändert. Für die Filialbanken in Deutschland, die sich ein gebührenfreies Girokonto weniger leisten können denn je, heißt das: Die Erosion der Kundenbasis, insbesondere unter den jungen Erwachsenen, die vom kostenfreien Jugendkonto auf ein kostenpflichtiges Kontomodell umsteigen sollen, dürfte weiter anhalten, ohne dass sich allzu viel dagegen tun lässt. Nicht umsonst bringen sich vor allem Direktbanken, die (noch) am Gratiskonto festhalten, mit neuen Kontowechselservices in Kooperation mit darauf spezialisierten Fintechs in Stellung. Schließlich wird es einer Sparkasse oder Volksbank, die soeben die Monatspauschalen fürs Konto angehoben hat oder kurz davor steht, bei der Neukundengewinnung nur wenig helfen, dass der Umzug des Kontos samt Lastschriften, Daueraufträgen und ähnlichem mit wenigen Klicks möglich ist.

Können die Filialbanken also nur tatenlos zusehen, wie ihnen die Kunden bald scharenweise davonlaufen? So lange, wie es Anbieter gibt, die sich ein entgeltfreies Girokonto für (fast) alle Kunden leisten können, haben sie dem Kundenschwund im Zahlungsverkehr vermutlich tatsächlich wenig entgegenzusetzen. Aber vielleicht müssen die Akzente dann einfach anders gesetzt werden - auch ohne das Girokonto als "Ankerprodukt". So lässt sich beispielsweise der noch immer hohe Marktanteil bei den jüngsten Kunden nutzen (die ihr Taschengeld noch immer gern in die Filiale vor Ort tragen). Hier bietet die Kontoeröffnung eine Gelegenheit, die Eltern auf das Beratungsangebot anzusprechen.

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