Nur ein Aufschub

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Wenn es eines Beweises dafür bedurft hätte, dass die Banken in Sachen Digitalisierung ein gutes Stück vorangekommen sind, dann hat die Corona-Krise ihn geliefert. Auch in Zeiten des "Einfrierens" der Wirtschaft funktionieren Bankgeschäfte weiter - und das nicht nur bei transaktionsbezogenen Prozessen. Sondern auch Beratung ist weiterhin verfügbar. Banken und Sparkassen haben prompt reagiert: Fast alle, bei etlichen Instituten sogar sämtliche Filialen sind zum Schutz von Mitarbeitern und Kunden geschlossen. Dafür wurde im Telefonservice aufgestockt, um dem steigenden Anrufaufkommen gerecht zu werden. Und Berater stehen zur telefonischen und Videoberatung zur Verfügung. Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne gründliche Vorarbeiten in Sachen Digitalisierung, von der Ausstattung der Mitarbeiter mit der erforderlichen Technik bis hin zum Einüben des Umgangs damit. Es wäre aber auch nicht möglich gewesen, wenn Banken und Sparkassen, wie es ihnen oft vorgeworfen wird, unflexibel in etablierten Prozessen verharren würden. Natürlich war der Umstieg auf "Teleberatung" weder seitens der Berater noch der Kunden überall restlos freiwillig. Dass er aber möglich wurde, zeigt doch, dass Banken ein gutes Stück agiler sind, als es ihnen oft unterstellt wurde.

Für die Filialbanken, nicht zuletzt die Sparkassen und VR-Banken, liegt darin bei allen negativen Begleiterscheinungen, die das "Einfrieren" von Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt, auch eine Chance. Wo der Umstieg auf Service und Beratung über Telefon und digitale Medien gut klappt, können sie beweisen, dass ihre Neudefinition von "Nähe" im digitalen Zeitalter mehr ist als ein bloßes Lippenbekenntnis.

Ein Berater, der - mangels anderer Optionen - die Fragen seiner Kunden per Video-Chat gut beantworten kann, punktet damit gerade in Zeiten hoher Unsicherheit mindestens genauso gut wie im persönlichen Gespräch in der Filiale. Daraus den Schluss zu ziehen, dass nach der Krise bei den Filialen tabula rasa gemacht werden könne, weil sich die Kunden ja nun an den digitalen Zugang auch zur Beratung gewöhnt haben, wäre sicher falsch. Die Akzeptanz dafür mag durchaus steigen. Es ist aber auch durchaus denkbar, dass viele Kunden das persönliche Gespräch umso mehr zu schätzen lernen, wenn es denn wieder möglich ist.

Dieses eine Mal sind die Banken ihren neuen Wettbewerbern sogar ein Stück weit voraus - überall dort nämlich, wo sich in der Krise Fragen oder Nöte auftun, die sich mit vorgefertigten FAQs oder Chatbots nicht pauschal beantworten lassen. Direkte telefonische Kontaktaufnahme mit individuellen Anliegen sehen die digitalen Geschäftsmodelle von Fintechs oder Bigtechs überwiegend gar nicht vor. Und das dafür nötige Personal lässt sich (während der Kontaktsperre zumal) nicht von heute auf morgen rekrutieren. Die Umstellung von persönlichem Service auf digitalen geht nun einmal einfacher als umgekehrt. Auch das könnte eine Chance für die etablierten Kreditinstitute darstellen. Denn wo sich Fintech-Kunden mit ihren Fragen und Bedürfnissen allein gelassen fühlen, kehren sie womöglich reumütig zu ihrer vermeintlich ach, so biederen Hausbank zurück.

Das ist natürlich kein Grund für die Kreditwirtschaft, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Denn zum einen ist es längst nicht ausgemacht, ob das alles so kommt. Zum anderen ist das Gedächtnis der Menschen kurz. Nach der Krise könnte schnell vergessen sein, an welcher Stelle neue digitale Anbieter vielleicht im Vergleich mit den Etablierten schlecht abgeschnitten haben. Für Banken und Sparkassen bedeutet das: Digitalisierungsprozesse müssen mit Hochdruck weiter vorangetrieben werden. Allen voran gilt das für den Aufbau digitaler Plattformen beziehungsweise die Integration der eigenen Dienstleistungen in andere ditigale Ökosysteme. Wenn sich Kunden künftig immer mehr auf Plattformen bewegen und dort auch nach den passenden Finanzprodukten zu dem eigentlichen Produkt oder der Dienstleistung suchen, dann ist es entscheidend, dort auch mit nutzerfreundlichen Produkten präsent zu sein und gleichzeitig über eine eigene Plattform zu verfügen, die viele bankfremde Leistungen integriert und - gerade im regionalen Bereich - idealerweise zur ersten Anlaufstelle für Kunden auf der Suche nach diesen Leistungen wird. Die Corona-Pause bietet auf dem Weg dahin allenfalls einen Aufschub.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
Noch keine Bewertungen vorhanden


X