Leitartikel

Ankreuzen oder abwählen?

sb - Im Juni kam die Stiftung Warentest in der Zeitschrift Finanztest zu dem Schluss, Kundenkarten lohnten sich für den Kunden nur dann, wenn er regelmäßig bei den betreffenden Geschäften einkauft. Das kann man den Unternehmen sicher nicht zum Vorwurf machen - geht es doch schließlich darum, aus Laufkunden Stammkunden zu machen. Damit dies gelingen kann, benötigen die Händler freilich auch einige Informationen. Und deren Erhebung, Speicherung und Verwendung zu Werbezwecken ist Verbraucherschützern seit jeher suspekt. Für vergleichsweise geringe Rabatte, so der Verdacht, zahlt der Kunde einen hohen Preis. Die Furcht vor dem gläsernen Kunden, der mit unerwünschten Werbebotschaften überschwemmt wird, geht um.

Gegen den Payback Rabattverein hat sich der VZBV Verbraucherzentrale Bundesver band e. V., Berlin, durch alle Instanzen geklagt. Am 16. Juli hat der Bundesgerichtshof nun Klarheit geschaffen und ein Urteil gesprochen, bei dem sich beide Seiten teilweise als Sieger fühlen können. Nicht verboten wurde die von den Verbraucherschützern beanstandete Abfrage des Geburtsdatums. Angesichts von rund 30 Millionen Teilnehmern des Bonusprogramms sei sie zur Vermeidung von Identitätsverwechslungen besonders geeignet. Auch die Mitteilung über die bei Partnerunternehmen gekauften Waren oder Dienstleistungen an die teilnehmenden Händler diene der Zweckbestimmung des Ver tragssystems. Um die Kunden über ihren Punktestand richtig informieren zu können, sei die Kenntnis der Rabattdaten erforderlich. Ebenfalls nicht durchsetzen konnten sich die Verbraucherschützer mit ihrer Auffassung, dass Kunden der Ver wendung sämtlicher Daten für Werbezwecke in jedem Fall aktiv zustimmen müssen (sogenanntes Opt-Inverfahren). In der bisherigen Vertragsformulierung, wonach die Kunden lediglich dann ein Kreuz setzen müssen, wenn sie die Klausel ablehnen ("Opt-Out-Verfahren") sieht der BGH keinen Rechtsverstoß, soweit es per Post zugestellte Werbung betrifft. Anders sieht es bei elektronischer Werbung per E-Mail oder SMS aus: Hier reicht dem Urteil zufolge die bloße Angabe von E-Mail-Adresse oder Mobilfunk nummer nicht als Einverständniserklärung aus, auch auf diesem Wege Werbung zu erhalten. Dies stehe im Widerspruch zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Einwilligung zu elektronischer Werbung muss separat eingeholt werden, geben die Bundesrichter dem VZBV Recht.

Das Urteil ist sicher eines mit Augenmaß: Ganz ohne die Preisgabe persönlicher Daten sind Bonusprogramme, die über das Kleben von Rabattmarken hinausgehen, nun einmal nicht zu haben, lässt sich als Fazit festhalten. Und das Anerkennen des Opt-Out-Verfahrens ist zugleich ein Votum dafür, dass man dem Verbraucher durchaus zutrauen darf, durchzulesen, was er unterschreibt. Was die elektronische Werbung betrifft, ist die Entscheidung sicher als Grundsatzurteil zu werten, das weit über das bloße Kundenkartenwesen hinausreicht.

Betreiber von Bonusprogrammen können nun aufatmen: Ihr Geschäftsmodell wird nicht infrage gestellt. Allenfalls müssen - wie bei Payback - einzelne Vertragsklauseln geändert werden. Ganz ausgestanden ist das Thema freilich noch nicht: Die Verbraucherschützer sehen mit dem vom BGH gebilligten Opt-Out-Modell den Grundsatz der Freiwilligkeit auf den Kopf gestellt und fordern eine entsprechende Klarstellung in der Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes, die derzeit in Arbeit ist. Doch selbst wenn es dazu kommen sollte, sind die Auswirkungen wohl vergleichsweise gering. Diejenigen Verbraucher, die ihre Daten nicht preisgeben möchten, lehnen Kundenkarten ohnehin meist ab. Die vielen Millionen aber, die sich die winkenden Rabatte nicht entgehen lassen wollen, scheinen wenig Bedenken zu haben. Bei Payback betreffen gerade einmal 0,2 Prozent aller Kundenanfragen den Datenschutz. Insofern ist die Diskussion vermutlich zum großen Teil eine akademische.

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