Im Gespräch

"Für Girogo haben wir nicht die entsprechenden Durchschnittstickets"

Wie ist das Zahlverhalten der Kunden in den Vertriebsschienen der Metro Group?

Im Großen und Ganzen entspricht das Zahlverhalten unserer Kunden den Anteilen von Bar- und Kartenzahlung, wie sie das EHI jährlich ausweist. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den Vertriebslinien. So wird bei Media Saturn weniger bar gezahlt als bei Real. Und es gibt auch massive Unterschiede zwischen den Ländern. Es gibt Länder wie etwa Russland, in denen über 80 Prozent bar gezahlt wird, umgekehrt gibt es typische Kartenländer. So sind die Niederlande ein Debitland und die Türkei ein typisches Kreditkartenland mit jeweils über 70 Prozent Kartenzahlungen.

Würden Sie bestätigen, dass das Zahlverhalten in den einzelnen Ländern sich immer mehr aneinander angleicht?

Ich kann es nicht widerlegen. Bei uns im Konzern haben wir vor fünf Jahren speziell im Großhandel dem Namen Cash & Car ry alle Ehre gemacht. Inzwischen akzeptieren wir in fast allen Ländern auch Kar ten. Hier gibt es schon eine Tendenz in Richtung Karte. Ausgelöst durch die Finanzkrise geht die Entwicklung auch in eher kreditkartenlastigen Ländern wie Großbritannien und Spanien in Richtung Debit. Das zielt im Grunde auf das gleiche, was der Deutsche mit seinem Bar geld macht: Kontrolle. Dieser Trend ist ein bisschen überraschend. Vor fünf bis zehn Jahren hieß es noch, alles würde in Richtung Credit gehen. Der Revolving Credit war damals eine heilige Kuh - aber die ist inzwischen geschlachtet.

Ihr Motto war stets: Bargeld ist mir das liebste Zahlungsmittel. Gilt das auch nach dem Rückzug der Bundesbank aus der Bargeldlogistik noch?

Aus Händlersicht ist Bargeld nach wie vor das günstigste Zahlungsmittel. Nach der Reform der Bargeldlogistik ist die Beschaffung von Bargeld zwar teurer geworden. Dennoch ist Bargeld - speziell in Deutschland - unverändert günstiger als jede andere Form der Bezahlung.

Es gibt natürlich Märkte, in denen das anders ist. Das ist aber eher die Ausnahme. Wenn der Kartenanteil sehr hoch ist, hat man für einen geringen Bargeldanteil dennoch die gleichen Fixkosten. Und der Fixkostenblock beim Bargeld ist sehr hoch. Insofern kann es in dem einen oder anderen Markt sein, dass das Verhältnis kippt. Generell lässt sich aus Händlersicht die Aussage immer noch beibehalten. Banken kommen mitunter zu anderen Ergebnissen. Aber auch die anderen Marktteilnehmer scheint an dieser Stelle nicht so sehr der Schuh zu drücken, dass sie bereit wären, den "war on cash" zu finanzieren.

Natürlich kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist, Bargeld am Geldautomaten abzuheben und zum Händler zu tragen, der es wiederum zur Bank zurückträgt. Das mag aus Sicht der Spezialisten keinen Sinn ergeben. Der Verbraucher hat aber ganz andere Kriterien. Ein ganz wichtiges Kriterium ist die Kontrolle über die eigenen Ausgaben. Und die Kontrolle behalten viele beim Bargeld am besten.

Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll der Handel die Kunden dazu bringen, die jeweils günstigsten Zahlverfahren zu nutzen. Werden Sie also künftig Plakate aufhängen, mit denen Sie für die Barzahlung werben?

Meines Erachtens lässt sich der Verbraucher nicht so leicht lenken. Ohne Surcharging glaube ich nicht an eine solche Lenkung der Kunden. Aber dieses Schwert ist für uns stumpf. In einigen Ländern ist Surcharging gar nicht erlaubt. Und speziell im deutschen Lebensmittelhandel ist die Konkurrenz so stark, dass ich mir einen Vorstoß in dieser Richtung nicht vorstellen kann.

Welches Kartenzahlverfahren ist Ihnen das liebste, wenn der Kunde schon nicht bar zahlt?

Debit. Und hier sind die Niederlande und Belgien vom Preis-Leistungsverhältnis her "Best in Class".

Ist die Frage an der Kasse "Haben Sie nicht auch eine ec-Karte?" ein probates Mittel, wenn der Kunde die Kreditkarte zückt?

Ich denke, das kommt speziell bei kleineren Händlern vor. Denn die haben natürlich noch höhere Kosten und in der Regel auch mehr Zeit an der Kasse. Bei uns wird das nicht gemacht. Denn wir sehen die Zahlungsmittel - und wir akzeptieren fast überall auch die teuren - als Service. Der Kunde soll an der Kasse die Freiheit haben, mit dem Zahlungsmittel zu zahlen, mit dem er zahlen will. Zudem würde es den Betrieb an der Kasse aufhalten, wenn der Kunde erst nach einer anderen Karte suchen müsste. Wir stellen dafür andere Fragen, etwa nach einer Payback-Karte.

Die EU-Kommission will auch die "Honour-all-Cards"-Regel kippen. Hätte das für den Handel einen praktischen Nutzen? Oder ist das mehr eine theoretische Option?

An der Kasse wäre es sicher schwierig, die eine Karte zu akzeptieren und den nächsten Kunden mit seiner Karte zurückzuweisen. Zumindest hätte man aber die theoretische Chance dazu, einzelne Karten nicht zu akzeptieren - und die Gegenseite wüsste das. Das würde die Verhandlungsposition des Handels sicher verbessern.

Eine Art "Warnstreik" mit dem vorüber gehenden Aussetzen der Akzeptanz einzelner Karten würde sicher Wirkung entfalten. Auseinandersetzungen um die Konditionen sollte man aber nicht auf dem Rücken der Kunden austragen. Den Kunden mit Zurückweisung seiner Karte oder Surcharging zu bestrafen, weil wir zu keiner Lösung finden, wäre sicher der schlechteste Weg.

Ich hoffe deshalb auf eine Weiterentwicklung der Preismodelle in Richtung einer Angleichung der Preise für Commercial- und Consumer-Karten. Denn Zahlungen mit Firmenkreditkarten oder

Privatkarten beinhalten für uns den gleichen Ser vice. Aus Händler sicht zahlen wir also unterschiedliche Preise für den gleichen Service.

Warum gibt die Metro keine eigenen Karten aus?

Das ist je nach Vertriebslinie unterschiedlich. Im Großhandel kennen wir die Kunden, die ja alle registriert sind, und die Banken tun sich im Vergleich mit den Retailkunden mit der Kreditvergabe oft schwer. Daher liegt es für uns nahe, eigene Karten anzubieten. Deshalb haben wir für unsere Großhandelskunden ein eigenes, kartenbasiertes Kreditprogramm.

Im Retail-Bereich muss man den Kampf in der Geldbörse erst einmal gewinnen. In Deutschland gibt es mehr Debitkarten als Einwohner. Warum sollte jemand, der schon zig Karten in seinem Geldbeutel hat, noch eine zusätzliche Zahlkarte nehmen? In anderen Märkten ist es noch schwieriger. In Polen beispielsweise werden Kreditkarten mit Vergünstigungen von bis zu zwei Prozent Rabatt bei Einkäufen angeboten, die indirekt durch die hohen Interchange-Gebühren finanziert werden. Dort eine eigene Karte zu platzieren wäre sehr schwer.

Hinzu kommt: Der Zahlungsverkehr ist nicht unser Kerngeschäft. Eine eigene Bank hatte der Konzern schon einmal. Die wurde jedoch verkauft.

Wie man an Payback Maestro sieht, nehmen wir jedoch gerne Händlerkarten an und akzeptieren beispielsweise bei Media Markt und Saturn sowie Real auch die Ikea Family Card.

Warum beteiligen Sie sich nicht am Girogo-Projekt?

Auch mit dem schönen neuen Namen ist Girogo immer noch das Produkt Geldkarte. Und auch die Geldkarte akzeptieren wir nicht. Dafür haben wir nicht die entsprechenden Durchschnittstickets. Die liegen bei uns höher.

Wir werden den Test jedoch aufmerksam verfolgen und testen parallel dazu in Tönnisvorst bei Krefeld das kontaktlose Zahlen per NFC mit Paypass. Wir sammeln dabei wertvolle Erfahrungen und müssen keine anderen Produkte testen.

2008 gab es im damaligen Future Store in Rheinberg schon einmal einen Test mit der NFC-Technologie. Weshalb brauchen Sie jetzt einen neuen Test?

Die Rahmenbedingungen haben sich etwas geändert. Damals wurden NFC-basierte Zahlungen mit Mobiltelefonen getestet. Allerdings gab es damals nur ein NFC-fähiges Mobiltelefon am Markt. Und es war eine proprietäre Lösung. Der aktuelle Test basiert auf NFC und dem Mastercard-Produkt Paypass. Damit haben wir eine größere Verbreitung, und es passt auch mit dem Payback-Maestro-Produkt zusammen. Insofern haben wir jetzt keine Insellösung mehr, sondern eine marktgängige Lösung.

Damals war es für einen Rollout viel zu früh. Heute stehen die Chancen dafür sehr viel besser, zumal auch die Technik in den Terminals kommen wird und mehr und mehr Issuer auf die kontaktlose Technik setzen werden.

Ist der Future Store eine Art "Laborumgebung" mit besonders experimentierfreudigen Kunden? Oder sind die Ergebnisse eines solchen Tests auch aussagekräftig für die Fläche?

Es ist sicher sinnvoll, Neuheiten unter ganz normalen Bedingungen zu testen. Der Future Store in Tönnisvorst ist deshalb ein ganz normaler Real-Markt, in dem man die Innovationen nicht ohne Weiteres erkennt. Hier werden auch nicht nur neue Zahlverfahren getestet, sondern auch neue Kundenservices wie die Weinverkostung. Der Kunde testet die Innovationen deshalb eher unbewusst.

Die Kunden kommen sicher nicht in den Markt, weil sie dort per Finger abdruck oder mit dem Mobiltelefon bezahlen können, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen der Frischeabteilung oder der guten Verkehrsanbindung mit Parkplatz.

Mehr als schöne Extra-Services sind die Innovationen im Zahlungsverkehr nicht. Denn im Grunde hat der Kunde beim Bezahlen im stationären Handel kein grundlegendes Problem. Er will aber schnell durch die Kasse. Und hier ist die

NFC-Technik ein Mittel, den Kassiervorgang noch schneller zu machen. Das wird dann auch vom Kunden angenommen. Self-Checkout ist beispielsweise sehr erfolgreich, weil es für den Kunden meist schneller geht.

Wird Self-Checkout zum Standard werden?

Das wird der Kunde entscheiden. Eine Komplettumstellung ist unwahrscheinlich, denn wir wollen den Kunden nicht zwingen. Wird Self-Checkout aber alternativ angeboten, werden viele Kunden das Angebot annehmen. Wo es sinnvoll ist, wird es sich durchsetzen. Es wird aber sicher auch künftig noch eine herkömmliche Kasse geben, für die Kunden, die Wert darauf legen, bei einem menschlichen Gegenüber in bar zu bezahlen.

Ist Bezahlen per Fingerprint eine kostengünstige Alternative zu Kartenzahlungen?

Technisch ist dies möglich, wie wir bereits im Future Store gezeigt haben, Allerdings ist die Kundenakzeptanz deutlich geringer als beim kontaktlosen Zahlen auf Basis der NFC-Technologie. Bei unserem Test im Future Store wurde deutlich, dass sich fast ausschließlich junge, technikaffine

Kunden für das Bezahlen per Fingerprint interessiert haben. Deshalb haben wir das Bezahlen per Fingerabdruck dort nicht weiterverfolgt. Das kontaktlose Zahlen hat die größeren Perspektiven.

Wie interessant ist das kontaktlose Zahlen aus Kostengründen?

Es gab weder im stationären Geschäft noch im Internet jemals ein Micropayment, das rentabel war - weder für die Bankseite noch für die Händler. Das ist ein Grundproblem.

Bei NFC setze ich die Hoffnung deshalb gar nicht so sehr auf die Kleinstbeträge. Der Prozess muss auch nicht unbedingt "Tap and go" sein, auch "Tap, PIN and go" wäre akzeptabel.

Derzeit haben wir immer noch relativ viele Fallback-Transaktionen über den Magnetstreifen, was auch damit zu tun hat, dass manchmal die kontaktbehaftete Chip-Transaktion nicht funktioniert. Hier ist die NFC-Technik einfacher und (hoffentlich) weniger anfällig. Deshalb denke ich, dass sich das kontaktlose Bezahlen nicht nur für die Kleinbetragszahlungen durchsetzen wird, sondern auch für die normalen Zahlungen. Wenn die Girocard erst einmal kontaktlos wird, wird es sicher interessanter. Das nicht Prepaid-bezogene Konzept ist sicher ausgereifter. Das sehen wir auch bei Paywave oder Paypass.

Im Wettbewerb der Systeme würden Sie also dem Ansatz der internationalen Kartengesellschaften den Vorzug geben?

Für die Durchschnittstickets unserer Vertriebslinien sind Paypass und Paywave sicher der adäquatere Ansatz.

Was halten Sie von ec-cash 2.0?

Wenn das der Einstieg in günstigere Preise ist - und davon gehe ich aus -, nehmen wir dies gerne wahr.

Wie beurteilen Sie die Lage bei der Systemverfügbarkeit von Girocard?

Die Systemverfügbarkeit ist ein essenzielles Thema für uns. Selbst in Deutschland mit seinem relativ hohen Baranteil kann sich der Handel keine Systemausfälle leisten - bei Kreditkarten nicht und bei Debitkarten schon gar nicht. Hier muss es Backup-Szenarien geben.

Speziell im Bereich der Debitkarten gab es teilweise große Ausfälle, zum Beispiel 2005. Durch Investitionen der Kreditwirtschaft und der Netzbetreiber wurden hier Verbesserungen erreicht. Die Systemverfügbarkeit ist aber noch nicht so, wie sie sein soll.

Sind Sie ein ELV-Verfechter?

Verfechter ist ein sehr hartes Schlagwort. Es gibt sicher andere, die ELV noch stärker einsetzen. Aber auch wir haben ELV gerne in unserem Zahlungsmix.

Hoffen Sie noch auf ein europäisches Debitsystem?

Wir sind weltweit der internationalste Handelskonzern mit 2 200 Standorten in 33 Ländern. Deshalb sind wir per se gegen nationale Handelsschranken. Für uns ist es im Grunde egal, ob es ein amerikanisches, europäisches oder vielleicht französisches oder deutsches Debitsystem ist, das mit Sepa in ganz Europa erfolgreich ist. Entscheidend ist, dass es die vom Handel geforderten Kriterien erfüllt und dass es Wettbewerb gibt.

Und das ist die Problematik, an der sich auch durch ein europäisches System nichts ändern würde. Der Wettbewerb ist heute massiv gestört. Denn durch die Interchange-Gebühren findet er nur auf der kartenausgebenden Seite statt.

Deshalb wird versucht, die Interchange möglichst hoch anzusetzen, damit möglichst viele Banken Karten ausgeben. Es gibt Beispiele, in denen Kartenportfolien auf eine andere Marke migriert wurden, weil dort die Interchange-Einkünfte höher waren. Auf der Debitseite kann sich der Handel nicht wirklich dagegen wehren. Wenn man diese Systematik nicht ändert, hat der Handel wenig davon. Dann wäre auch ein europäisches Debit-System nur ein weiteres System, das der Handel aufgrund der Anzahl der ausgegebenen Karten zusätzlich akzeptieren muss.

Ist die EU-Kommission hier auf dem richtigen Weg?

Die Möglichkeit für Surcharging und das Abschaffen der Honour-all-Cards-Regel halten wir für sinnvoll.

Auch bei der Interchange ist der eingeschlagene Weg richtig. Aber auch im Sepa-Umfeld wird immer noch von nationalen und Cross-Border-Transaktionen gesprochen. Hier müsste man endlich den Gedankensprung zum einheitlichen Zahlungsraum sehen. International liegt die Mastercard-Interchange bei 0,3 Prozent, aber national sind die Sätze höher, in einigen Ländern sogar sehr hoch.

Das ist nicht nachvollziehbar. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass die inter nationale Transaktion die kompliziertere und damit teurere ist.

Gibt es Fortschritte beim Cross-Border-Acquiring?

Cross-Border-Acquiring ist technisch möglich, aber wirtschaftlich oft sinnlos aufgrund der vorhandenen Interchange Strukturen. Und weil es durch unterschiedliche Protokolle und Software zu kompliziert ist. Hier hoffen wir auf eine Harmonisierung. Euphorie wäre zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht, aber es tut sich etwas, wenn auch eher Schnecken als Pferde vor den Karren gespannt sind. Zumindest ziehen sie in die richtige Richtung. Sowohl anbieterseitig als auch durch Initiativen wie epas.org bewegt sich etwas. {L.notdef}

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