Kontaktloses Zahlen

Kampf gegen die Karte statt "war on cash"?

Derzeit stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Art der Bezahlung. Dies ist nicht nur die Feststellung der Europäischen Kommission (Green Paper vom 11. Januar 2012). NFC ist derzeit das Schlagwort, auch das Bezahlen mit dem Handy ist in aller Munde, so hat dieser Themenbereich derzeit einen festen Platz auf Konferenzen und in der Presse. Verschiedene Pilotprojekte sind gestartet. Seitens der Marktteilnehmer werden große Steigerungsraten vorhergesehen, für 2016 werden den mobilen Zahlungen signifikante Marktanteile vorausgesagt. (edgar dunn.com, Advanced Payments Report 2011). Werden wir eine Umverteilung der Rollen und Machtverhältnisse sehen? Werden internationale Systeme hier Erfolg haben, oder werden die nationalen Systeme weiterhin Bestand haben; welchen Anteil werden sie haben?

Händler-Anforderung: Marktdurchdringung und Preis

Der Kunde (Konsument) ist daran gewöhnt, dass für ihn die Zahlung mit Karte keine direkten zusätzlichen Kosten beinhaltet; mit Ausnahme der Opportunitätskosten bei vorgeladenen Systemen und der gegebenenfalls fälligen Grundgebühr beziehungsweise den Kartenkosten. Auch kann der Kunde heute zwischen einer Vielzahl von Systemen aussuchen und das für ihn im Zahlungsfall geeignete und präferierte auswählen. Um Aussichten auf Erfolg zu haben, muss ein neues System mindestens genauso einfach, schnell und sicher sein wie die bisherigen Lösungen oder über einen unschlagbaren Mehrwert verfügen (Killer application). Aus Sicht des Kunden besteht kein Mangel, sondern es gilt bei der Einführung eines weiteren Verfahrens, ihn zu überzeugen. Diese Aufgabe fällt in der Regel der Issuingseite zu.

Der Händler ist zusammen mit seinem Zahlungsdienstleister (in der Regel Netzbetreiber und Acquirer oder PSP und Acquirer) auf der Suche nach einem System, welches in erster Linie den Kunden bedient. Eine Marktdurchdringung von mindestens fünf Prozent wird hier als Maßstab angegeben.

Da alle Verfahren mit einer entsprechenden Marktdurchdringung nicht konkurrenzlos sind, zählt für den Händler der Preis als weiteres entscheidendes Kriterium. Die Investition in die notwendige Infrastruktur beschränkt hier die Schnelligkeit für technologische Paradigmenwechsel. Der Zahlungsdienstleister ist hier in der Rolle des Mittlers zwischen Händler und Betreiber des Zahlungssystems.

Anforderung aus Betreibersicht: Ertragreiches System

Der Betreiber des Zahlungssystems ist bestrebt, ein Zahlungssystem mit funktionierenden Abläufen und Verfahren (zum Beispiel bei Reklamationen/Erstattungen, Entgeltverrechnung oder (inter-)nationaler Rechnungslegung) zu betreiben und einen Ertrag zu erwirtschaften. Seine Herausforderung ist es, sowohl den Kunden über den Issuer als auch den Händler über den Zahlungsdienstleister zu gewinnen.

In der Vergangenheit waren Visa, Master card und die DK (ZKA) die Triebkräfte in Deutschland, welche für eine ausreichende Marktdurchdringung sorgen konnten. Eine wichtige Eigenschaft haben diese Player in der Vergangenheit wahrgenommen: die Zertifizierung. Einerseits wichtig für eine Interoperabilität, andererseits wichtig für die Netzbetreiber und Acquirer, um die getätigten Investitionen zu schützen und den Markt mit für alle gleich hohen Eingangsschwellen zu versehen. Die Frage nach der angemessenen Bepreisung wird sicher noch folgende Generationen umtreiben.

NFC-Karte als Brückentechnologie

Die heute verbreitete Karte wird mit NFC-Technik ausgestattet. Die Karte unterscheidet sich äußerlich nicht von einer Karte ohne diese Funktion. Darüber hinaus zeichnet sie sich aus durch

ein abwärtskompatibles System, da die Karte auch Chip und Magnetstreifen unterstützt,

ein bekanntes Abrechnungsverfahren mit bekannten Kosten und Erträgen,

eine geringe Markteinführungsschwelle, da die Karte dem Kunden beim nächsten Kartentausch zugesandt wird, ferner keine Aktion des Kunden notwendig ist,

bestehende internationale Clearingmethoden,

die Chance zur Steigerung des Ertragspotenzials durch Gewinnung neuer Branchen,

einfache Bedienung,

unveränderte Rollenverteilung der Teilnehmer, somit keine erkennbaren Wider stände gegen das System,

bewährte relative Sicherheit,

Investitionsbedarf für den Händler in das Terminal,

keinen Zusatzaufwand für den Kunden, der auch keine Zweitkarte benötigt,

und starke Vereinfachung bei Bezahlungen bis in der Regel 20 bis 25 Euro.

Die NFC-Karte (Paywave, Paypass, Girogo) hat hier den Charakter einer Brückentechnologie, die den Kunden an die kontaktlose Zahlung heranführt. Für den Händler besteht die Chance, Abläufe am Nadelöhr Checkout zu beschleunigen.

Alternativ wird die NFC-Technologie auf das Handy aufgebracht. Hierbei sind Aufkleber oder Hüllen derzeit die meist diskutierten Formen. Die Eigenschaften sind analog NFC-Karte, jedoch benötigt der Kunde eine "Zweitkarte" und hat Zusatzaufwand, gegebenenfalls mit einer Investition. In dieser Stufe der Entwicklung wird derer Kunde von der Karte "entwöhnt". Auf Seiten der Händler ergibt sich keine Änderung zur Kartenvorstufe.

Wird das Handy zum Träger einer "virtuellen" Karte (plugIn), ist es bereits mit einer NFC-Technik ausgestattet und somit in der Lage, die Bezahlfunktion in die Handysoftware zu integrieren. Hierbei können auch zusätzliche SIM-Karten zum Einsatz kommen. In jedem Fall wird der Kunde die Benutzeroberfläche des Handys nutzen. Eine ausreichende Verbreitung von Geräten wird nach Expertenschätzungen weitere drei bis vier Jahre benötigen.

Der Kunde benötigt eine Zweitkarte zur Akzeptanz, bis NFC weltweit flächendeckend verbreitet ist. Die Kombination mit Bonussystemen oder ähnlichem ist möglich, somit ein möglicher Zusatznutzen für Kunden. Der Kunde hat Zusatzaufwand, gegebenenfalls Investition.

Beim Nutzen der "Sicheren Sim" kommt ein weiterer Teilnehmer, etwa Vodafone hinzu. Sicherlich wird der neue Teilnehmer sein wirtschaftliches Interesse geltend machen. Wie dies erfolgreich funktioniert, werden wir gespannt beobachten dürfen.

Die Sicherheit des Smartphones wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Abhilfe kann im Anfang eines möglichen Systems das Momentum der noch unbedeutenden Schadenshöhe, bedingt durch Betrag und Anzahl der Zahlungen, sein. Generelle Frage wird sein, wer im Fehlerfall, oder beim Handytausch den Service für den Kunden erbringt. Für die Telefongesellschaft/Handyhersteller ergibt sich die Chance zum Einstieg in ein neues Marktsegment. Damit besteht für die heutigen Akteure das Risiko, Marktanteile an die neuen Marktteilnehmer zu verlieren.

Diese Lösung ist die High-End-Lösung, sie verspricht echte Vorteile durch die Kombination von Kundenbindungssystemen und einer perfekten Kontrolle der Ausgaben bei gleichzeitigem Wegfall der Karte. Für den Händler ergibt sich die Chance, Kundenbindungssysteme effektiv zu betreiben. Ob seitens des Kunden ein Nutzen (zum Beispiel einfacherer Handhabung, Zusatzanwendung) empfunden wird, bleibt abzuwarten.

Kombination von QR-Code und Bezahlanwendung

Möglich ist auch die Kombination von zum Beispiel QR-Code und Bezahlanwendung (wie Paypal, Google-Wallet oder M-Payment mit PIN/TAN). Bei diesem System wird ein QR-Code mit dem Handy gescannt. Es wird eine Verbindung zum entsprechenden (Internet)Shop hergestellt und die Bezahlung via App angestoßen. Folglich übernimmt das Handy hier die Funktion des Terminals.

Die Kombination mit Bonussystemen oder ähnlichem ist möglich, somit kann sich ein Zusatznutzen für Kunden ergeben. Ob seitens des Kunden ein Nutzen (zum Beispiel einfachere Handhabung, Zusatzanwendung) empfunden wird, bleibt abzuwarten. Auch hierbei hat der Kunde einen Zusatzaufwand. Die Technik unterstützt neue Vertriebskanäle als Mischung von E-Commerce und Stationärgeschäft. Dabei ist die Sicherheitsfrage noch zu klären. Bestehende Akteure werden ihre Markanteile verteidigen.

Die virtuelle und die reale Welt wachsen zusammen. Für den Kunden bietet dies die Möglichkeit, rund um die Uhr zu zahlen, für den Händler, rund um die Uhr geöffnet zu sein.

Kartenleser und Terminal-App: Das Handy als Terminal

Bei diesem System ersetzt das Handy das Terminal. Eine Hardwareerweiterung zum Auslesen der Karte wird an das Handy gedockt. Die Zahlung erfolgt über die heutigen Zahlungssysteme (zum Beispiel Visa, Mastercard oder lokale Debitverfahren). Der Kunde hat dafür keinen Aufwand, der Händler einen geringen Investitionsaufwand. Dafür kann er Zahlungen "überall" akzeptieren. Es besteht die Chance zur Kombination von Beratung und sofortigem Verkauf. Das Abrechnungsverfahren ist bekannt. Es besteht die Chance zur Steigerung des Ertragspotenzials durch Gewinnung neuer Transaktionen. Die Rollenverteilung der Teilnehmer bleibt unverändert. Die Sicherheitsfrage ist zu klären. In diesem Fall ist es darüber hinaus der Kunde, der einem "fremden" Handy vertrauen muss.

Die Lösung ist für Geschäftsvorfälle, die in der Regel heute nicht per Karte abgewickelt werden. Für den Kunden bietet sich somit die Möglichkeit, Spontankäufe per Karte zu tätigen (zum Beispiel auf dem Flohmarkt). Für den Händler eine interessante Lösung mit geringem Investitionsbedarf.

Der Kunde wird letztlich auf die Werbung reagieren. Welche der möglichen Verfahren durch ihn nachhaltig genutzt werden, wird er entscheiden nach den Vorteilen, zum Beispiel Vereinfachung oder Zusatznutzen. Um ein neues Verfahren zu etablieren, werden die Issuer, beziehungsweise die neuen Player hier investieren müssen.

Der Händler wird sich engagieren, wenn er signifikante Vorteile erwarten kann. Diese können sein: Prozessoptimierung am Checkout, Kostenvorteile in absehbarer Zeit, Zusatzumsätze durch eine neue Kundengruppe. Verfahren, wie zum Beispiel das nationale Debitverfahren werden, solange sie konkurrenzfähig hinsichtlich Marktdurchdringung und Kosten sind, weiterhin unterstützt werden müssen.

Der Zahlungsdienstleister wird sich engagieren, wenn er durch den Händler indirekt oder direkt motiviert wird, oder sich Wettbewerbsvorteile verspricht. Bei der Suche nach einem Business Case werden mögliche Sponsoren, zum Beispiel Sondernutzenanbieter, mit ins Boot geholt werden. Als Beispiel aus der Vergangenheit sei hier das Aufladen von Handyguthaben zu nennen.

Die Motivation des Betreibers des Zahlungssystems liegt ähnlich gelagert wie die des Zahlungsdienstleisters. Visa, Master card und "Die Deutsche Kreditwirtschaft" haben hier die Entwicklungen begonnen.

Neue Player werden die Chance ergreifen wollen, indem sie mit der bereits bestehenden Stärke (in der Regel viele Kunden, hohe Investitionsbereitschaft) in den Markt eindringen. Es wird sich herausstellen, inwieweit der Aufbau eines neuen nationalen oder internationalen Zahlungssystems wirtschaftlich machbar ist. System-Know-how ist bei den bestehenden Akteuren vorhanden, inwieweit diese Kooperationen mit neuen Playern eingehen (oder müssen) wird bei den zukünftigen Kaffeepausen für Gesprächsstoff sorgen. Auch wird sich zeigen, ob es ein System geben wird, welches von einer Mehrzahl der heutigen Akteure akzeptiert und somit nicht als Wettbewerbssystem bekämpft wird oder nicht zu einer Marktdurchdringung kommt. Beispiele von vielversprechenden Systemen in der New-Economy-Ära hatten wir, die meisten sind an vorgenannten Hürden gescheitert.

Einfluss der EU-Kommission

Ferner wird hier der Regulator, die Europäische Kommission, einen gewissen Einfluss haben. Die klare Anforderung hier ist es, möglichst über einen funktionierenden Wettbewerb zu einem günstigen Preis zu kommen und gleichzeitig ein interoperables, internationales Zahlungssystem zu haben. In vielen Teilen wird diese Forderung durch die heutigen Zahlungssysteme bereits erfüllt, ferner haben diese heute eine weit verbreitete Akzeptanz. Die Diskussion über den angemessenen Preis wird bereits in verschiedenen Ländern geführt.

Ungeachtet der jeweiligen Eigenschaften der Grundrichtungen ist festzustellen, dass die Angebote der "neuen" Player immer auf die bestehenden Verfahren wie Kreditkarten oder den standardisierten Zahlungsverkehr zurückgreifen. Diese haben ein Hintergrundsystem, welches die Funktionsfähigkeit unter Beweis gestellt hat und das Vertrauen aller Beteiligten genießt.

Einigkeit besteht bei allen Akteuren über den Erfolg der NFC-Technologie mit der Karte, so haben die marktführenden Zahlungsdienstleister Paywave und Paypass bereits für Händler umgesetzt, und die Umsätze mit Paywave und Paypass steigen! Zum Einsatz kommen hier Karten, Terminals und Automaten, welche durch die heutigen Akteure in den bereits etablierten Rollen bereitgestellt werden, und der Kunde erhält nach und nach einen leistungsfähigen Kartenersatz mit Zusatznutzen.

Nach der erfolgreichen Einführung dieser Brückentechnologie ist der Weg frei für die nächsten Entwicklungsstufen. Sicherlich wird es interessant werden, den Händlern hier neuen Zusatznutzen - wie zum Beispiel die Bereitstellung von Kundenverhaltensdaten - zur Verkaufsförderung anbieten zu können. Nach dem Kampf gegen das Cash nun der Kampf gegen die Karte?

NFC wird das Cash in Teilbereichen verdrängen, vielversprechende Lösungen zeigen einen Weg in Lösungen mit Zusatznutzen für den Händler. Die Karte oder das hinter ihr stehende Netzwerk mit stabilen funktionierenden Verfahren und Regeln werden wir jedoch noch einige Zeit nutzen.

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