E-Commerce

Zahlen im Internet: Totgesagteleben länger

Mit dem Fortschritt der digitalen Technologien drängen innovative Bezahlsysteme unter fantasievollen Namen wie Crandy, Coral-Pay, e-gold, Digitproof oder Luup in den Markt. Diese innovativen Systeme lassen sowohl die 3 000 Jahre bestehende Idee des Geldes, aber auch die Idee der bisher gängigen Bezahlsysteme überhaupt alt aussehen. Demnach lesen wir immer wieder Meldungen, die uns vom Ende des uns bisher gewohnten Bezahlens künden.

Der Distanzhandel entwickelt sich fort. Die Transparenz und bequeme Handhabung machen den Business-to-Consumer-(B2C-) E-Commerce weltweit populär. Bei der Analyse der Shops, der Shopper und der gehandelten Güter des B2C-E-Commerce fallen folgende Besonderheiten auf:

Die Shops, die in den B2C-E-Commerce einsteigen, wollen über den Web-Vertrieb neue Kundengruppen erschließen. Vor allem beim grenzüberschreitenden Handel erkennen viele Shops ihren Nachholbedarf. Zwei Drittel der deutschen Unternehmen bieten ihre Waren und Dienstleistungen über Web-Plattformen an. Bei vier von fünf dieser Shops liegt der Auslandsanteil am Umsatz bei unter einem Zehntel.

Bei den Shoppern zeigt sich, dass die Sicherheit immer als sehr wichtig eingestuft wird. Gleichwohl ist das Sicherheitsempfinden je nach Geschlecht, Erfahrung im B2C-E-Commerce und Lebensalter des E-Shoppers unterschiedlich ausgeprägt. So legen Männer mehr als Frauen besonderen Wert auf technische Sicherheit (speziell die Verschlüsselung über Secure Sockets Layer, SSL). Daneben vertrauen unerfahrene E-Shopper vorrangig auf Web-Sites in seriösem Design. Jeder zweite über 60-Jährige fährt seine eigene E-Shopping-Aktivität wegen Sicherheitsbedenken zurück und beschränkt sich auf bekannte Marken, denen er bereits länger vertraut.

Reisen sind in Europa die umsatzstärkste Kategorie gehandelter Güter. Mit großem Abstand folgen jeweils dicht aufeinander Kleidung, Medien, elektrische Haushaltsgeräte, Computerhardware, Eintrittskarten, Nahrungsmittel und Getränke sowie Heimwerkerbedarf. Bei Weitem findet man also nicht nur die üblichen Verdächtigen des B2C-E-Commerce. Besonders mit physischen Gütern wie Kleidung und Haushaltsgeräten begegnen uns auch die Verkaufsschlager des klassischen Versandhandels.

Das Bezahlen beim E-Commerce nicht vergessen

Wir schätzen, dass der westeuropäische B2C-E-Commerce zwischen 2006 und 2010 durchschnittlich um 27 Prozent pro Jahr wachsen wird. Allerdings bezieht sich dieses beeindruckende Wachstum auf eine kleine Ausgangsbasis, nämlich den Jahresumsatz von 130 Milliarden Euro, einem Sechszehntel des westeuropäischen Einzelhandelsumsatzes. Somit wird der B2C-E-Commerce im Vergleich zum gesamten Einzelhandel auch mittelfristig klein bleiben.

Die E-Shops gehen oft unzureichend auf die besonderen Umstände des Distanzhandels im unpersönlichen virtuellen Raum ein. So fallen im B2C-E-Commerce die Auslieferung und das Bezahlen der Ware sowohl räumlich als auch zeitlich deutlich auseinander. Dabei sind einander persönlich unbekannte Geschäftspartner in der Praxis beim Bezahlen besonders argwöhnisch.

Innovative Bezahlsysteme sind breit gefächert und unterscheiden sich in folgenden fünf Dimensionen: Internet-System beziehungsweise mobiles System (Zahlung per Handy, das heißt Spracheingabe oder Textnachricht initiiert die unbare Zahlung);

Zahlungszeitpunkt: Pre-Paid, Post-Paid beziehungsweise unmittelbare Zahlung; nachladbares beziehungsweise nicht nachladbares System;

Höhe der Zahlung: System zur Abwicklung kleiner Zahlungsbeträge (Micro-Payments unter zehn Euro) beziehungsweise großer Zahlungsbeträge (Macro-Payment);

System mit direktem Bezug beziehungsweise ohne direkten Bezug zum Schuldnerkonto. Unterschiedliche Anforderungen von Händlern und Kunden

E-Shopper und E-Shops haben unterschiedliche Anforderungen an Bezahlsysteme. Diese beziehen sich auf folgende zehn Aspekte:

1. (empfundene) Sicherheit, abgeleitet aus dem Image der Technologie und dem objektiven technischen Sicherheitsniveau des Systems;

2. Konsistenz der Information hinsichtlich Höhe, Ausführungszeitpunkt und Zweck der unbaren Zahlung;

3. Totalität, das heißt im Falle unbeabsichtigter Datenkorruption sollte das Konto des Schuldners nicht fälschlicherweise belastet werden;

4. Rückforderungsmöglichkeit von Zahlungen;

5. Transaktionskosten;

6. Geschwindigkeit;

7. Verbreitungsgrad bei E-Shops und E-Shoppern;

8. Diskretion bei personenbezogenen Daten;

9. bequeme Handhabung der Hard- und Software bezüglich Menüführung und Systemstabilität;

10. Portabilität, das heißt Kompatibilität mit verschiedenen Medien und Endgeräten sowie Nutzung in unterschiedlichen Situationen des stationären und virtuellen Handels.

Interessenkonflikte behindern Markterfolg

E-Shopper und E-Shops stellen nicht nur unterschiedliche, sondern teilweise auch widersprüchliche Anforderungen an das Bezahlsystem. Der Interessenkonflikt tritt bei dem Zugang zu personenbezogenen Daten und der Möglichkeit, geleistete Zahlungen zurückzufordern, besonders zutage.

Um ein aussagekräftiges Kundenprofil erstellen zu können, möchte der E-Shop möglichst viel über seine E-Shopper erfahren. Doch eben diese Möglichkeit, dass personenbezogene Daten systematisch erhoben werden, steht im Gegensatz zum Interesse der E-Shopper, die ihre Privatsphäre weitgehend geschützt sehen wollen.

Der Interessenkonflikt entfacht sich aber auch um die Möglichkeit geleistete Zahlungen zurückzufordern. Hier ist der E-Shopper an einer möglichst weit gefassten Regelung interessiert. Der E-Shop dagegen will eine vom E-Shopper veranlasste Rückforderung weitgehend ausschließen und zusätzliche Kosten vermeiden.

Im Gemengelage divergierender Interessen stockt der Markterfolg der innovativen Bezahlsystem.

Vorwiegend klassische Bezahlsysteme im Angebot

Lediglich zwei von drei E-Shops erachten das Angebot kundenfreundlicher Systeme als wichtig. Dies, obwohl allein wegen der Komplexität der Bezahlsysteme bereits zwei Fünftel der E-Shopper irgendwann einen Kaufvorgang abgebrochen hatten. Nur die Hälfte der deutschen E-Shops erkennt im Bezahlportfolio ein geschäftsrelevantes Instrument. Insbesondere berücksichtigt dabei nur ein Viertel der E-Shops die Sicherheitsbedenken der E-Shopper. Dies ist verwunderlich, da letztlich die Binsenweisheit gilt, dass allein solche Bezahlsysteme erfolgreich sein können, die auch von den E-Shoppern akzeptiert werden.

Mit dieser Ausgestaltung ihres eigenen Portfolios zeigen sich die E-Shops weitgehend zufrieden. Neunzehn von zwanzig deutschen E-Shops bieten derzeit mindestens zwei Bezahlsysteme; knapp zwei Drittel gar drei bis fünf Systeme . Allerdings begnügen sich die E-Shops zumeist mit dem Angebot klassischer Bezahlsysteme (Vorkasse, Rechnung, Nachnahme, Lastschrift, Kreditkarte). Ein Drittel der deutschen E-Shops hatte bislang konkrete Pläne zum Ausbau des Portfolios. Shops der mittleren Umsatzklasse (zwischen 0,1 Millionen und 2,5 Millionen Euro) zeigen beim Ausbau ihres Bezahlportfolios besondere Zurückhaltung.

Spagat zwischen Bequemlichkeit und Sicherheit

Um Erfolg zu haben, müssen die Bezahlsysteme den Anforderungen der E-Shopper gerecht werden. Neben der (empfundenen) Sicherheit achten die E-Shopper vor allem auf die schnelle Abwicklung der Transaktion. Darüber hinaus erkennen insbesondere die Frauen in der Bequemlichkeit ein äußerst wichtiges Kriterium.

Für ein Bezahlsystem ist diese von den E-Shoppern formulierte Kombination aus hohen Erwartungen an Sicherheit und Bequemlichkeit bereits deshalb äußerst komplex, weil die E-Shopper technisch sichere Bezahlsysteme tendenziell als unbequem empfinden.

Bei den vielfältigen Anforderungen wundert es schier, dass nur ein Drittel der E-Shopper mit den etablierten Bezahlsystemen unzufrieden ist. Doch trotz dieser Unzufriedenheit mit den bestehenden Angeboten, ist auch die Zurückhaltung gegenüber neuen Angeboten sehr stark ausgeprägt. Dabei ist besonders die offensichtliche Risikoscheu der Internet-Einkäufer eine große Herausforderung für die Bezahlsysteme. So misstrauen 52 Prozent der deutschen E-Shopper der Sicherheit der Bezahlsysteme.

Vorkasse und Lastschrift vor allem bei höheren Einkommen So ist hinsichtlich des Einkommens auffällig, dass sich die E-Shopper mit einem Nettoeinkommen über 3 000 Euro pro Monat im B2C-E-Commerce eher auf die Vorkasse und die Lastschrift einlassen als die einkommensschwächeren E-Shopper.

Hinsichtlich des Alters der E-Shopper fällt auf, dass die Kohorte der 30- bis 39-Jährigen vermehrt auf innovative Bezahlsysteme vertraut. Dagegen greifen die 40- bis 49-Jährigen meist auf die OnlineÜberweisung und die elektronische Lastschrift zurück. Den über 50-Jährigen Käufern sind Sicherheit und Bequemlichkeit besonders wichtig. Als nachrangig erachten sie dagegen die Geschwindigkeit der Abwicklung. Dabei setzen die über 50-Jährigen im B2C-E-Commerce überdurchschnittlich stark auf die Kreditkarte. Die über 60-Jährigen nutzen insbesondere die Lieferung per Nachnahme - trotz der hohen Transaktionskosten. Letztlich steigt mit der Kauferfahrung die Wahrscheinlichkeit, dass sich der E-Shopper auf innovative Bezahlsysteme einlässt.

Micropayment-Systeme nur für die Nische

Viele innovative Bezahlsysteme agieren in den verschiedenen Ländern - in Deutschland allein mehr als 40. Doch erst in jüngster Zeit finden einige wenige wie Paypal, Click & Buy oder Giropay tatsächlich ihren Platz im Bezahlportfolio der E-Shops. Die klassischen Bezahlsysteme bleiben auch im E-Commerce dominant.

Diese Dominanz leitet sich aus folgenden drei Punkten ab:

Der ausgeprägte Netzgütereffekt verhindert, dass konkurrierende neue Bezahlsysteme schnell Marktanteile erobern. Die geringe personelle und finanzielle

Ressourcenausstattung kleiner E-Shops beschränkt das Potenzial der innovativen Bezahlsysteme deutlich. Besonders kleine Shops verlassen sich oft auf die Vorkasse um Zahlungsausfälle zu vermeiden.

Der Fokus innovativer Bezahlsysteme zielt in einigen Aspekten - beispielsweise hinsichtlich des Zahlbetrags oder der portablen Nutzung - nicht auf die typische Geschäftssituation, sondern auf Nischenbereiche des B2C-E-Commerce. So wickeln viele Systeme nur Micro-Payments unter zehn Euro ab. Diese Kleinstbeträge fallen aber bei zwei Drittel der E-Shops überhaupt nicht an.

Portabilität hat keine Priorität

Daneben werben die mobilen innovativen Bezahlsysteme mit ihrer Portabilität. Die Analyse der typischen Kaufsituation relativiert die Bedeutung dieser Möglichkeit allerdings schnell. So wird in Deutschland der Großteil des B2C-E-Commerce in der typischen Arbeitszeit, das heißt überwiegend an Wochentagen zwischen acht und 18 Uhr, getätigt.

Wenn die E-Shopper in der Arbeitszeit kaufen, deutet dies darauf hin, dass sie typischerweise die stationäre Infrastruktur ihres Büros einsetzen. In dieser Online-Nutzungssituation liegt es nahe, dass der E-Shopper die vorhandene stationäre Infrastruktur für den gesamten Prozess nutzt.

Mit der Single European Payment Area (Sepa) kommt bei etlichen E-Shops die Beschäftigung mit dem eigenen Bezahlportfolio wieder auf die Tagesordnung. Sepa-konforme, E-Commerce-fähige, IPbasierte innovative Systeme (wie Giropay) erscheinen grundsätzlich besonders aussichtsreich. Dies gilt umso mehr, als zum bisherigen Stand der Debatte der kommende Rechtsrahmen für den Zahlungsverkehr im europäischen Binnenmarkt (Payment Services Directive, PSD) das Ziel der Innovationsförderung womöglich stärker betonen könnte als das Ziel der Gleichbehandlung des gesamten Zahlungsverkehrs.

In Deutschland werden innovative Bezahlsysteme, die Vorauszahlungen ihrer Kunden annehmen, nach der E-Geld-Richtlinie (2000/46/EG) und dem Kreditwesengesetz (KWG) als E-Geld-Institute behandelt. E-Geld-Institute unterstehen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), müssen aber deutlich weniger Auflagen erfüllen als klassische Finanzinstitute.

Mobile Payment: vorwiegend regionale Projekte

Im komplexen, intensiv regulierten Markt der Bezahlsysteme beeinflussen selbst nicht auf den Finanzbereich gerichtete politische Entscheidungen die Marktsituation der Bezahlsysteme nachhaltig. Beispielsweise können seit Januar 2005 in Deutschland Parkgebühren per Handy bezahlt werden.

In Kooperation zwischen verschiedenen Anbietern von Bezahlsystemen und Städten wie Berlin, Paderborn, Saarbrücken oder Wiesbaden wurden einige kommunale Projekte realisiert. Die Effekte dieser geographisch begrenzten Geschäftsmodelle auf überregional präsente innovative Systeme sind jedoch gering.

Indes schränkt die politische Entscheidung, den Jugendschutz in Deutschland zu verbessern, das Potenzial der innovativen Bezahlsysteme ein.

Seit Januar 2007 geben die 550 000 Zigarettenautomaten in Deutschland nur noch Waren an Kunden ab, die via Geldkarte dokumentieren, dass sie älter als 16 Jahre sind. Der neue Ansatz im Jugendschutz hilft der bereits totgesagten Geldkarte und setzt die konkurrierenden innovativen Bezahlsysteme unter zusätzlichen Druck.

Bevor der B2C-E-Commerce richtig ins Rollen kommen kann, müssen sich die E-Shops intensiv mit den neuen Anforderungen und Möglichkeiten des bezahlens auseinander setzen. Denn selbst das attraktivste Angebot bleibt kurz vor der virtuellen Ladenkasse liegen, wenn dem Shopper das angebotene Bezahlverfahren nicht zusagt.

Innovative Zahlungssysteme: meist nur in der Nische

Auch im B2C-E-Commerce spielen die aus dem stationären Handel der realen Welt bekannten klassischen Bezahlsystemen (Vorkasse, Rechnung, Nachnahme, Lastschrift, Kreditkarte) die entscheidende Rolle. Letztlich sind es somit der ausgeprägte Netzgütereffekt, der auf Nischen des B2C-E-Commerce begrenzte Fokus etlicher innovativer Systeme und die geringe Ressourcenausstattung vieler E-Shops, die das Marktpotenzial neuer Bezahlsysteme beschränken. Zumeist bleiben den innovativen Bezahlsystemen nur kleine Teilsegmente, wie die Micro-Payments oder über das Handy angewiesene unbare grenzüberschreitende Überweisungen, die den etablierten klassischen Systemen als Geschäftsfeld nicht hinreichend profitabel erscheinen.

Ausnahme Paypal

Paypal bildet hier die große Ausnahme. Diese Ausnahme bestätigt, dass ein Geschäftsmodell nur dann erfolgreich sein kann, wenn es die Besonderheiten des B2C-E-Commerce berücksichtigt, von etablierten E-Shops oder Finanzdienstleistern unterstützt wird und der Öffentlichkeit sein mehrwertiges Alleinstellungsmerkmal vermitteln kann.

Jenseits dieser seltenen Einzelfälle lassen die klassischen Bezahlsysteme den innovativen Systemen aber nur wenig Platz. Dies gilt umso mehr, wenn die klassischen Bezahlsysteme verstärkt auf die neuen Anforderungen im E-Commerce reagieren. Totgesagte leben eben länger. -

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