Leitartikel

Zeitfenster

sb - Fünf Jahre nach dem Marktstart ist das Debitprodukt V-Pay für Visa eine Erfolgsgeschichte. 25 Millionen Karten sind in Deutschland mittlerweile am Markt - gegenüber 16,7 Millionen Visa-Karten. Weitere 20 Millionen sind bis 2015 fest zugesagt. Damit hat Visa im deutschen Debitmarkt Fuß gefasst. Wie man es sich vorgenommen hatte, wird jetzt - nach dem Motto "eins nach dem anderen" - auch das Thema technische Innovationen vorangetrieben. Beim kontaktlosen Zahlen mit Visa und V-Pay geht es nun, da die TA 7.0-Umstellung endlich geschafft ist, spürbar voran. Zehn Banken in Deutschland geben inzwischen kontaktlose Karten aus, zuletzt sind Cortal Consors und die ING-Diba dazugekommen. Die Zahl der Terminals im Handel beläuft sich auf 35 000, mit stark steigender Tendenz. Und das Zeitfenster ist günstig: Etwa 200 000 bis 300 000 Terminals stehen in den nächsten zwei Jahren zum Austausch an. Da ist es hoch wahrscheinlich, dass die neuen Geräte sämtlich mit Kontaktlos-Technologie ausgestattet werden.

An anderer Stelle droht sich freilich ein Zeitfenster zu schließen. Mit dem Ausstieg der Genossenschaftsorganisation aus Girogo hat zwar ein Wettbewerbsmodell (das zweifellos geholfen hat, dem kontaktlose Zahlen Wahrnehmung zu verschaffen) an Unterstützung im Markt verloren. Wenn aber die Girocard kontaktlos wird, wäre dies ein neuer starker Wettbewerber, der zudem nicht mit der Hürde des Prepaid-Ansatzes zu kämpfen hätte. Bei den gängigen Co-Badging-Karten wäre dann der große Brocken der Debitumsätze im Inland für Paywave verloren. Für Visa bliebe wohl nur noch die Kreditkarte, falls der Kunde, einmal ans kontaktlose Zahlen gewöhnt, diese Funktion auch auf seiner Kreditkarte verlangt. Noch ist es jedoch nicht so weit. Erst muss die Deutsche Kreditwirtschaft ein Konzept absegnen, das dann mit deutscher Gründlichkeit umgesetzt wird. Beinahe könnte man formulieren: Je uneiniger sich die in der Deutschen Kreditwirtschaft vertretenen Verbände sind, je länger es also dauert, bis die kontaktlose Girocard kommt, desto besser für Visa. Denn diesen Zeitraum muss die Kartenorganisation nutzen, um Paywave am Markt möglichst breit zu etablieren; schließlich werden einmal bestehende Portfolien bekanntlich nicht so schnell umgesteuert. Das aber heißt auch: Ansetzen kann man vor allem bei den bisherigen V-Pay-Emittenten. Denn angesichts der im Raum stehenden Interchange-Regulierung werden Entscheidungen über die künftige Produktstrategie vielfach erst einmal aufgeschoben, bis etwas mehr Klarheit besteht.

Es ist also sicher kein Zufall, dass es die V-Pay-Emittenten BW-Bank, DKB, Hanseatic Bank und Landesbank Berlin sind, die für 2014 die Einführung von "V.me by Visa" in Deutschland angekündigt haben. Diese Anwendung, die im Erscheinungsbild der Bank daherkommt, soll bei all denen Vertrauen zu wecken, die im E-Commerce aus Sicherheitsgründen nur per Rechnung bestellen, wie es Ottmar Bloching, der General Manager Deutschland bei Visa Europe, als Ziel formuliert. Das Nebeneinander von "V.me" und der im Dezember 2013 in Düsseldorf gestarteten Wallet-Lösung von Vodafone und Wirecard sorgt allerdings auch für eine Verwirrung der Begriffe. Während "Vodafone Smartpass" eine mobile Wallet für den stationären Point of Sale ist, zielt "V.me by Visa" rein auf den E- beziehungsweise M-Commerce. In beiden Lösungen kann der Karteninhaber zwar verschiedene Karten hinterlegen (zumindest theoretisch, denn Vodafone und Wirecard unterstützen bisher nur die eigene Karte). Doch bei V.me lässt der Login mit Eingabe von E-Mail-Adresse und Passwort erkennen, dass dies nicht für den stationären PoS taugt. Bei der gemeinsam mit Vodafone entwickelten Lösung, die demnächst auch in Berlin, München und Frankfurt eingeführt werden soll, genügt hingegen - durchaus warteschlangentauglich - eine nummerische PIN, um die Anwendung freizuschalten. "Wallet" steht also in beiden Fällen drauf, es ist aber Unterschiedliches drin. Die eine Anwendung für alle Bezahlsituationen gibt es immer noch nicht.

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