IM GESPRÄCH

"Pluscard ist ein echtes Sparkassengewächs" / Interview mit Julian Weste

Julian Weste, Foto : PLUSCARD

Im Vergleich zu den großen, internationalen Payment-Dienstleistern sieht Julian Weste die Saarbrücker Pluscard, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert als Qualitätsdienstleister, der nicht an der Preisfront, dafür aber mit individuellen Lösungen punkten kann. Zudem hilft die Tiefenintegration in die S-Finanzgruppe dabei, effizient zu arbeiten. Potenzial bei den Sparkassen sieht er nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise geringen Penetrationsrate mit Kreditkarten. Zum Verkauf der Bayern Card Services an die DKB wollte er sich im Redaktionsgespräch nicht äußern. Red.

Herr Weste, Sie sind jetzt rund eineinhalb Jahre bei Pluscard. Wie haben Sie das Unternehmen bisher erlebt?

Ich habe zum 1. April 2020 im Voll-Lockdown angefangen und nur wenige der rund 450 Mitarbeiter vor Ort angetroffen. Das war eine ungewöhnliche Einarbeitung. Es zeigt jedoch auch die Agilität des Unternehmens. Ich habe eine große Motivation und einen starken Willen vorgefunden, sich zu verändern. 250 Mitarbeiter im Callcenter PCI-konform sicher ins Homeoffice zu bringen, ist eine Leistung, die nur gelingt, wenn alle motiviert sind, das zu tun.

In diesem Jahr feiert Pluscard das 25-jährige Bestehen des Unternehmens. Wie kam es seinerzeit überhaupt zur Gründung?

Vor 25 Jahren verarbeitete die damalige GZS nur Mastercard. Es gab jedoch auch Sparkassen, die Visa Karten herausgeben wollten. So kommt es, dass das Geschäft bei Pluscard historisch bedingt, lange etwas Visalastig war. Der Anteil an Visa Karten bei unseren Instituten ist generell höher als bei anderen Instituten. Welche Karten sie konkret vertreiben, ist jedoch eine Entscheidung der einzelnen Institute.

Heute betreut Pluscard mehr als sechs Millionen Karten, drei Millionen davon im Voll- und drei Millionen im Teilprocessing. Darüber hinaus bietet das Unternehmen 24-Stunden Service an sieben Tagen die Woche.

Welche Leistungen erbringen Sie für die drei Millionen Karten im Teilprocessing?

Im Grunde haben wir zwei Geschäftsschwerpunkte: Wir haben eine eigene Processingplattform, über die wir das technische Processing selbst abwickeln. Das heißt, all das, was zum Issuing Processing gehört - von den Schnittstellen zu Visa und Mastercard bis zu Fraud Management und Dispute - erledigen wir über unsere eigene Plattform. Darüber hinaus bieten wir auch ein 24/7 Callcenter und Backoffice-Service für unsere Kunden an. Einige unserer Kunden nutzen nur diesen Service und nutzen Processing-Leistungen bei einem anderen Anbieter.

Im Markt der Payment-Dienstleister geht der Trend zu immer größeren Einheiten - Zauberwort Skaleneffekte. Reichen drei Millionen Karten im Vollprocessing, um die im Wettbewerb erforderlichen Skaleneffekte zu erzielen?

Kunden, die Standardisierung zum ab soluten Margenpreis möchten, können wir das in der Tat nicht bieten. Sondern wir verstehen uns als Qualitätsdienstleister mit individuellen Möglichkeiten. Zudem sind wir tiefenintegriert in die Finanzinformatik. Pluscard ist ein echtes "Sparkassengewächs". Zum Gesellschafterkreis zählen die Sparkassenförderungsgesellschaft Saar, der Deutsche Sparkassenverlag, die Förderungsgesellschaft des Sparkassenverbandes Niedersachsen mbH, der Sparkassen- und Giroverband Schleswig-Holstein und der Ostdeutsche Sparkassenverband.

Das heißt: Als Unternehmen im Besitz der Sparkassen und des DSV sind wir in die gesamte Landschaft der Sparkassen-Finanzgruppe integriert. Im Umkehrschluss bedeutet das auch: Wenn Sparkassen einen anderen Anbieter wählen, muss auch dieser sich erst entsprechend integrieren. Das macht es uns möglich, in dem Rahmen effizient zu arbeiten. Aber natürlich tun Skalen auch uns gut, wenn wir mehr Kunden im technischen Processing haben.

Wie viele Sparkassen arbeiten aktuell mit Pluscard zusammen?

Das sind rund 130 Institute - also rund ein Drittel der Sparkassen. Darüber hinaus zählen wir noch einige Institute außerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe.

Die Anzahl der Karten im Voll- und Teilprocessing wurde auch schon 2016 zum 20-jährigen Bestehen des Unternehmens mit "weit über sechs Millionen Kreditkarten" angegeben. Heißt das, das Potenzial in der Sparkassen-Finanzgruppe ist ausgeschöpft?

Im Kartenbereich arbeiten wir in einem Markt, der immer in Bewegung ist. Das führt dazu, dass es immer wieder neue Kartenmodelle gibt und neue Möglichkeiten, die Girokonten mit Karten zu versorgen. Deshalb gibt es in diesem Bereich sicher noch einiges an Potenzial. Das gilt auch für die Penetrationsrate mit Kreditkarten bei den Sparkassenkunden, die im Vergleich zu den Kunden anderer Banken eher niedrig ist.

Hat sich Corona mit dem Trend zum verstärkten bargeldlosen Bezahlen bei der Penetrationsrate mit Kreditkarten bemerkbar gemacht?

Beim Zahlungsverhalten der Kreditkartenbesitzer hat sich Corona auf jeden Fall bemerkbar gemacht. Beispielsweise gab es einen drastischen Einbruch bei den internationalen Transaktionen und dafür eine Zunahme bei nationalen Transaktionen. Zudem ist der Bon je Karte zurückgegangen. Das beginnt sich jetzt wieder zu ändern. Was die Anzahl der Karten angeht, haben wir keinen Corona-Effekt bemerkt. Wir sind mit einem stabilen Wachstum im Markt, haben jedoch keinen Corona-bedingten Sprung gesehen. Ob es mehr oder weniger Kreditkarten im Markt gibt, hängt ja in erster Linie vom Vertrieb ab. Und der Vertrieb von Kreditkarten unter Corona-Bedingungen war für eine Sparkasse sicher schwieriger als bei einer Direktbank.

Wachsen Sie auch bei der Anzahl der Institute, die mit Pluscard zusammenarbeiten beziehungsweise beim Marktanteil an den von Sparkassen ausgegebenen Kreditkarten?

Da die Anzahl der Institute tendenziell eher abnehmen wird, ist deshalb die Anzahl der Karten eher maßgeblich. Hier liegt unser Marktanteil bei einem Drittel. Auch das hat historische Gründe. Als Pluscard als kleine Einheit des damaligen Rechenzentrums der saarländischen Sparkassen gegründet wurde, hatten die Sparkassen kein eigenes Vollprocessing. Sondern viele Sparkassen nutzten einen der großen Dienstleister für das technische Processing und die Bayern Card Services für den Servicebereich. So kommt es, dass viele Institute auch heute noch für das technische Processing auf einen anderen Payment-Dienstleister setzen.

Stichwort Service: Wie haben Sie die Einführung der starken Kundenauthentifizierung erlebt? Wie stark ist hier etwa die Anzahl der Anrufe im Callcenter gestiegen?

Die starke Kundenauthentifzierung hat automatisch zu einem starken Anstieg des Anrufaufkommens geführt. Das haben sicher alle so erlebt. Um damit bestmöglich umzugehen, haben wir bereits im Vorfeld mit den Händlern zusammengearbeitet.

Unsere Fraud-Prevention-Abteilung hat es geschafft, die Möglichkeit der Ausnahmen von der starken Kundenauthentifzierung bestmöglich zu nutzen, sodass der Kunde nicht automatisch bei jeder Online-Transaktion eine starke Kundenauthentifzierung machen muss. Deshalb hatten vermutlich wir in Relation zu den anderen ein geringeres Anrufaufkommen durch die starke Kundenauthentifizierung. Exakt beziffern lässt sich das jedoch nicht, weil wir in diesem Fall nicht die Gründe für Anrufe analysiert haben.

Bei welchem Anteil der Transaktionen lassen sich Ausnahmen nutzen?

Das ist tatsächlich eine relevante Kennzahl: Zwischen 30 und 40 Prozent der Transaktionen müssen bei uns überhaupt nur "gechallenged" werden, für die übrigen lässt sich die Ausnahmeregelung nutzen. Dabei macht sich natürlich auch bemerkbar, dass der Durchschnittsbon - zum Beispiel durch den Wegfall von Reisebuchungen - gesunken ist.

Der geringe Anteil an Transaktionen, die "gechallenged" werden müssen, ist natürlich auch ein Kostenfaktor. Denn jede zusätzliche Authentifizierung ist ein Vorgang mehr und jeder Vorgang kostet Geld. Hier ist man wieder beim Thema Wettbewerbsfähigkeit. Denn natürlich lassen sich diese Kosten über Skaleneffekte auffangen. Die andere Möglichkeit ist es, sich die einzelne Transaktion genauer anzuschauen, wie wir es tun.

Als erster Anbieter haben sie die Authentifizierung nach Fido2-Standard umgesetzt. Weshalb?

Fido2 ist ein Standard großer Technologiefirmen für Menschen, die zwar im E-Commerce einkaufen wollen, aber dafür kein Smartphone nutzen. Für diese Kundengruppe braucht es eine Lösung für die starke Kundenauthentifzierung. Hierfür haben wir den Fido2-Standard genutzt und als erster Anbieter in Europa einen Fido-Hardware-Token eingeführt. Das ist ein Token etwa in der Größe eines USB-Sticks, der in den Computer gesteckt wird und der berührt werden muss, um zu bestätigen, dass tatsächlich eine Person an dem Computer sitzt.

Diese Einführung der Fido-Authentifizierung ist ein Beispiel dafür, dass wir individuelle Lösungen für unsere Kunden umsetzen können. Denn natürlich ist eine Lösung für Menschen, die online einkaufen, aber kein Smartphone nutzen, keine Lösung für die breite Masse.

Lohnt sich dann überhaupt die Investition?

Der Regulator fordert, dass wir trotz Strong Customer Authentication niemanden davon ausschließen dürfen, im E-Commerce einzukaufen. Die meisten Anbieter setzen hier auf SMS, Fingerprint oder andere Lösungen. Weil wir SMS schon in der Vergangenheit nicht genutzt haben, haben wir uns für Fido entschieden und damit für eine Lösung, die der Kunde möglicherweise künftig auch dazu nutzen kann, sich bei anderen Diensten zu identifizieren.

Im Kreditkarten-Processing sind technische Innovationen natürlich schwierig und oftmals getrieben durch den Regulator. Insofern lässt sich der Regulatorik an dem einen oder anderen Punkt etwas Positives abgewinnen, wo sie Innovation fördert. Umsetzen müssen die Regulatorik alle Marktteilnehmer. Man kann sich jedoch durch die Umsetzung und die Lösungen dafür differenzieren. Hier kommt es uns zustatten, dass wir über eine eigene Plattform verfügen und klein und agil sind. Dafür ist Fido ein Beispiel, weil es technisch ein komplett neuer Ansatz ist.

Ist eine "Manufaktur" wie Pluscard mit der Tiefenintegration in die S-Finanzgruppe dadurch im Vorteil gegenüber den großen Wettbewerbern?

Unbedingt. Dadurch, dass wir sehr spezialisiert sind, können wir sehr schnell und agil arbeiten. Das Thema API-Management ermöglicht es uns, uns wesentlich breiter aufzustellen, um Lösungen, die einmal umgesetzt sind, schnell zu multiplizieren.

Wo sehen Sie die Pluscard in fünf Jahren?

Das ist genauso einfach zu beantworten wie die Frage, ob und wann EPI kommt. Was ich damit sagen will: Es kann morgen eine Entscheidung getroffen werden, die jegliche Zukunftsprognosen obsolet werden lässt. Für die Zukunft von Pluscard bin ich jedoch sehr positiv gestimmt. Meine strategische Vision ist ganz klar folgende: Pluscard ist der technische Processor der Sparkassen-Finanzgruppe. Ich hoffe, dass sich in fünf Jahren mehr Menschen dessen bewusst sind. Und ich gehe davon aus, dass das betreute Volumen sich in den kommenden fünf Jahren positiv entwickeln wird.

Julian Weste , Geschäftsführer , PLUSCARD Service-Gesellschaft für Kreditkarten-Processing mbH, Saarbrücken

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