Im Gespräch

"Die meisten Sparkassen wissen nicht, was sie im Kartengeschäft verdienen" verdienen" Interview mit Professor Michael Ilg

Welche Bedeutung hat das Geschäftsfeld Kartensysteme in der DSV-Gruppe?

Entstanden ist der Verlag im Jahr 1935 als Dienstleister im Formularwesen, aber schon bald kamen die Ausrichtung auf die gemeinsame Werbung und weitere Dienstleistungen aus den drei Kernkompetenzbereichen Medien, Kartensysteme und Systemhaus hinzu.

Die Sparte Kartensysteme ist ursprünglich aus unseren Aktivitäten zum Druck von eurocheques erwachsen. Heute decken wir im Bereich Karten nahezu die gesamte Wertschöpfungskette ab und sind der führende Anbieter von Chipkarten für den Zahlungsverkehr. Wir entwickeln, spezifizieren, produzieren und vertreiben diese Karten. Zudem stellen wir die Akzeptanz von Karten im Handel sicher und sorgen für die Sicherheit in der Abwicklung.

Im Kartengeschäft sind wir Marktführer und Mengenbündler. In Deutschland haben wir ungefähr 50 Millionen Debitkarten sowie sechs Millionen Kreditkarten von Mastercard und Visa am Markt, die wir ebenfalls herstellen und an die Sparkassen vertreiben. Das ist für uns ein bedeutendes Geschäftsfeld.

Pro Jahr produzieren wir im Durchschnitt im Rahmen des routinemäßigen Austauschs acht Millionen neue Karten und sieben Millionen Karten, die von Kunden neu bestellt werden, etwa wegen Heirat, Umzug, Verlust oder Beschädigung.

Zur Kartensparte gehört auch das Thema der sicheren Zahlungsverkehrstechnik. Hier geht es zum Beispiel um die Ausstattung der Sparkassenkunden mit Chipkartenlesern und TAN-Generatoren für das Online-Banking.

Welche Beteiligungen der DSV-Gruppe sind dem Kartengeschäft zuzurechnen?

Die EPC Electronic Payment Cards Gesellschaft für Kartenmanagement mbH, ist ein Joint Venture des DSV (51 Prozent) mit dem Technologieunternehmen Giesecke & Devrient (49 Prozent). Die EPC ist für die Produktion und den Versand von Zahlungsverkehrskarten zuständig.

Ebenfalls dem Kartengeschäft zuzurechnen sind die Dienstleister S-Card Service und B+S Card Service.

Welchen Stellenwert hat das Thema Karten aus Ihrer Sicht bei den Sparkassen?

Was Sparkassen im Kartengeschäft verdienen, so unsere interessante Beobachtung, das wissen die meisten Häuser erstaunlicherweise gar nicht exakt. Dass hingegen als Ertrag aus dem Bauspargeschäft mit all dem damit verbundenen Aufwand einer früheren Erhebung zufolge 0,02 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme verdient wurden, ist ebenso bekannt wie die 0,06 Prozent der Bilanz summe für die Versicherungsvermittlung.

Im Kartengeschäft legen unsere Erhebungen nahe, dass sich insbesondere mit den Einnahmen aus Debitkarten und Kredit karten sowie den Anteilen am Jahrespreis, an eccash und an den Interchange-Gebühren höhere Erträge generieren lassen, nämlich 0,08 Prozent der Bilanzsumme.

Das Forcieren dieses Geschäfts sollte bei einer Kundenreichweite von 74 Prozent der Sparkassen und ihrer Verbundpartner bei der deutschen Bevölkerung zwischen 16 und 64 Jahren nicht allzu schwerfallen.

Aus diesem Potenzial wird meines Erachtens noch zu wenig gemacht. Sparkassen sind bei 52 Prozent der Kundenverbindungen Hausbank, aber haben im Kreditkartengeschäft nur 15 bis 20 Prozent an Marktanteil. Das Kreditkartengeschäft wird teil weise immer noch als Randgeschäft gesehen.

Wie wollen Sie das künftig ändern?

Unser Ansatzpunkt ist an dieser Stelle, den Sparkassen eine Analyse ihres gesamten Kartengeschäftes vorzuschlagen und dabei zu kommunizieren, welche Erlössituation die beste Sparkasse dort hat. Und insgesamt will ich weg vom Produktverkauf hin zu ganzheitlichen Lösungen, die am Markt und den Zielgruppen ausgerichtet sind und mit denen sich Erträge steigern und Kunden binden lassen.

Was für Maßnahmen empfehlen Sie Sparkassen, um ihre Potenziale im Kreditkartengeschäft besser auszuschöpfen?

Zum einen zeigen wir auf, welche Etrags potenziale die Karte bietet. Das muss man nur wollen. Dazu muss der Kreditkartenabsatz in die Zielsysteme der Sparkassenmitarbeiter aufgenommen werden.

Darüber hinaus helfen wir den Sparkassen, potenzielle Kreditkartenkunden zu identifizieren und anzusprechen. Beispielsweise haben sich Incentives als erfolgreich erwiesen, um die Nutzung der bereits ausgegebenen Karten zu intensivieren.

Sind Kontopakete, in denen die Kredit karte in der Pauschale enthalten ist, der Kartennutzung nicht abträglich? Eine Karte, die der Kunde aktiv beantragt hat, genießt doch vermutlich ganz andere Aufmerksamkeit als eine, die er gewisser maßen als Dreingabe dazubekommt ...

Dieses Risiko besteht natürlich. Deshalb versuchen die Kartenorganisationen immer wieder, die Kunden zur Kartennutzung zu bewegen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, dass sich die Sparkassen ihre Preispolitik rund ums Girokonto genau überlegen.

Sind die Ertragspotenziale bei der Kreditkarte angesichts einer absehbaren Interchange von 0,3 Prozent auch für Inlandszahlungen noch ein überzeugendes Argument?

Eine Absenkung der Interchange und deren Auswirkungen auf die Ertragssituation muss genau betrachtet werden. Für Institute, die bisher kaum Erträge aus Kredit karten generieren, können selbst 0,3 Prozent Interchange noch einen Mehrwert darstellen. Aber natürlich ist auch die Jahresgebühr ein Ertragsposten.

Die größte Ertragsquelle für die Sparkassen ist aber natürlich die Debitkarte. Auch bei der Girocard sind die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft. Zum einen muss versucht werden, den Bargeldanteil im stationären Zahlungsverkehr weiter zu senken. Der zweite Punkt ist, dass die Girocard auch im Online-Handel stattfinden muss.

Haben die Sparkassen neben Girogo überhaupt Kapazitäten, um sich auch mit anderen Kartenthemen zu befassen?

Girogo ist nach wie vor ein Schwerpunktthema. Jetzt kommt die Kärrnerarbeit, die Händler zu gewinnen und die Verhaltensänderung beim Kassenpersonal und beim Kunden zu bewirken.

Es gibt aber durch aus auch andere Kartenthemen, in denen Ertragspotenziale stecken, zum Beispiel die Picture Card. Kreditkarten mit individuellen Motiven sind mehr denn je im Kommen - für Privatkunden, aber auch für Unternehmen.

Ist Instant Issuing heute noch ein Thema für die Sparkassen?

Wir spüren keine Nachfrage vom Markt. Im Rahmen unserer Wertschöpfungskette sorgen wir dafür, dass die Auslieferung der Karten an die Karteninhaber zeitnah und sicher erfolgt.

Stichwort Sepa: Welche Kosten hat der DSV selbst durch die Umstellung?

Wir als Verlag haben intern Kosten von 1,5 Millionen Euro für die Sepa-Umstellung. Dazu gehört die Prozess-Umstellung in SAP und die Hinterlegung von Mandatsdaten.

Haben die Sparkassen das Thema schon genug vorangetrieben?

Ich kann nur an die Sparkassen appellieren, das Thema kommunikativ stärker zu befeuern. Gerade dieser Tage hat die Deutsche Bundesbank noch einmal ihre großen Sorgen hinsichtlich des Stands der Umsetzung von Sepa bei Privat- und Firmenkunden sowie Vereinen formuliert. Unter dem Motto: "Aus dieser Nummer kommen Sie nicht heraus" soll dazu eine große Werbekampagne gestartet werden. Momentan sind nur 8,7 Prozent der Überweisungen im Sepa-Format und sogar nur ein Prozent der Lastschriften.

Welche Tools stellt der DSV für das Kampagnenmanagement bereit?

Wir bieten umfassende Kommunikationslösungen für die Sparkassen und ihre Kunden an. Angefangen bei Flyern und Broschüren über Passantenstopper bis hin zum personalisierten Mailing. Wir haben Mailings für Privatkunden, Firmenkunden und Vereine.

Die Sparkassen müssen uns nur die Adressen liefern und wir sorgen für das komplette Mailingpaket. Privatkunden erhalten ein Anschreiben mit integrierter Kontokarte, die die persönliche IBAN und den BIC der Sparkasse enthält, sowie einen Informationsflyer. Aber genau bei der Kommunikation den Privatkunden gegenüber stellen wir noch eine große Zurückhaltung fest.

Im vergangenen Jahr war das bei der Verbreitung der AGB, die man den Kunden zwingend zuschicken musste, noch ganz anders. Seinerzeit haben wir für über 400 Sparkassen rund 30 Millionen Schreiben verschickt.

Offenbar scheuen viele Häuser die Kosten einer Informationskampagne. Das könnte sich aber doch noch wenden. Denn zum 1. Februar 2014 ändern sich mit Sepa mehrere Kundenbedingungen. Da mit die neuen Bedingungen Gültigkeit erlangen, müssen sie rechtswirksam mit dem Kunden vereinbart werden.

Wir bieten ganz neu ein Kombipaket für Privatkunden an. So können Sparkassen ihre Kunden Sepa, IBAN und BIC mit auf den Weg geben und kommen gleichzeitig ihrer Informationspflicht über die Änderungen der Kundenbedingungen nach.

Die Sparkassen schauen heute natürlich sehr auf die Kosten. Im Privatkundenbereich informieren viele Institute die Kunden über die Kontoauszüge oder im Online-Banking. Auch werden jetzt bei neu ausgelieferten Debitkarten IBAN und BIC an gegeben. Deshalb überlegen es sich die Sparkassen, ob sie Sepa-Mailings an ihre Privatkunden verschicken.

Wie sieht das bei Unternehmen und vor allem bei Vereinen aus?

Die entsprechenden Materialbestellungen für Kommunikationsmittel entwickeln sich deutlich positiver, sind jedoch angesichts der hohen Kundenzahl der beiden Zielgruppen noch zu gering. Hier sind weitere Informationsanstrengungen erforderlich.

Ein Blick aufs Organisatorische: In vielen Ihrer Geschäftsfelder stellt sich die Frage der Arbeitsteilung und der Aufgabenabgrenzung zu anderen Teilen der Sparkassenorganisation. Wie sieht das im Bereich der Karten aus?

Ganz aktuell gibt es zu dieser Frage, auf einen Vorstoß der Landesobleute hin, ein Projekt des DSGV. Die Landesobleute haben die Frage aufgeworfen, was denn die Verbände und Verbundpartner für die Sparkassen tun können, deren Ertragslage aufgrund des niedrigen Zinsniveaus zurückgeht. Es geht darum, wie man durch Strukturänderungen oder verkürzte Entscheidungswege den Sparkassen mehr Ertrag sichern oder Kosten senken kann.

In einem der Teilprojekte, Technikeinheiten/Kartengesellschaften und Mobile Payment, wird der DSGV als Strategieführer genannt, und wir sollen unternehmerisch für die Umsetzung im gesamten Payment-Geschäft von Karten über Online bis Mobile verantwortlich sein. Im Bereich Karten und Zahlungen bin ich gerne bereit, diese Verantwortung zu übernehmen, auch wenn das natürlich mehr Risiko beinhaltet.

In diesem Projekt wird auch überprüft, was die Finanz Informatik aus unserem Tätigkeitsspektrum für Sparkassen sinnvoller machen könnte. Insofern ist das für alle Beteiligten eine große Chance, zu klaren Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu gelangen.

Bei den Karten sind wir Marktführer. Der DSV spezifiziert, entwickelt und produziert Karten. Wir vertreiben sie an die Sparkassen und führen Projekte in den und für die Sparkassen durch, beispielsweise Stadionprojekte zum kontaktlosen Bezahlen.

Wie sieht die Arbeitsteilung zwischen DSV, Pluscard und Bayern Card aus?

Sparkassen haben immer gerne Partner, die ihnen im Kartengeschäft helfen. Im Debitkartengeschäft übernehmen wir da bei viel. Im Kreditkartenbereich teilen wir uns die Kompetenz mit den Prozessoren. Sie übernehmen viele Aufgaben im Bereich des Produktdesign, der Ausstattungsmerkmale, sie unterstützen die Sparkassen bei Marketingkampagnen und Mailings, und sie kümmern sich um Kunden beschwerden. Die Pluscard übernimmt das für vier Regionalverbände, die Bayern Card für sieben Verbände.

Wenn die Prozessoren den Sparkassen eine Marketingkampagne vorschlagen, kommen Flyer oder Mailings wieder als Produkt von uns. Dies entspricht der integrativen Rolle des DSV im Kartengeschäft. Ein Eintritt des DSV bei der Pluscard ist darauf ausgerichtet, dass die Pluscard einen starken Partner im Markt gewinnt und sich dies positiv auf dieses Unternehmen und den Standort Saarbrücken auswirkt.

Bei den Karten sind Sie der Lieferant für die Sparkassen. Führen Pannen wie die Probleme mit Gemalto-Chips Anfang 2010 dazu, dass Sparkassen sich nach anderen Anbietern umsehen?
Wir sind als bewährter Partner für die Sparkassen gesetzt. Das ist nicht nur eine Frage der Verbundtreue, sondern hat auch praktische Vorteile. Als Mengenbündler kaufen wir Chips in großer Stückzahl ein. Daraus ergeben sich natürlich Preisvorteile im Einkauf, die kein anderer Anbieter erreicht. Deshalb können wir Karten zu besonders günstigen Preisen liefern.

Wenn Probleme auftraten, so wie Anfang 2010 mit dem Chip, konnten wir diese immer lösen, sodass die Sparkassen nicht auf die Idee kamen, einen alternativen Dienstleister zu suchen.

Im vergangenen Jahr gab es Probleme, weil die Deutsche Kreditwirtschaft das MM-Merkmal von den Karten genommen hatte, die Terminals je doch noch nicht entsprechend aktualisiert waren. Auch hier konnten wir dank unserer Marktstellung und in Zusammen arbeit mit den Netzbetreibern die Aktuali sierung der Terminal-Software sicherstellen.

Manche Landesbanken nutzen tatsächlich andere Anbieter im Bereich Kreditkarten, nehmen dabei unseres Erachtens jedoch bestimmte Nachteile bei der Qualität des Kartenkörpers in Kauf.

Der DSV verfolgt eine Multisourcen-/ Mehrlieferantenstrategie. Die Absicherung der Produktionsmengen erfolgt durch die Verfügbarkeit mehrerer Partner und Lieferanten auf der Produktionsebene - Chip, Kartenkörper oder Antenne - sowie in der Produktion, Personalisierung et cetera. Das reduziert Risiken, wenn einzelne Produkte, Komponenten oder Produktionsteile nicht verfügbar sind.

Darüber hinaus verfügt die DSV-Gruppe über umfangreiches Knowhow im Zahlungsverkehr. Dies gibt uns einen gesamtheitlichen Blick auf die Herausforderungen in diesem Gebiet.

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