Kartenstrategie

Langfristige Lösungen erfordern ganz neue Ideen und Konzepte

Im Juli 2009 hat die Bundesbank die Studie "Zahlungsverhalten in Deutschland" vorgestellt. Vielleicht die wichtigsten drei Worte aus dieser Studie sind: "insgesamt wachsenden Bargeldumlauf". Bargeld ist für die Banken ein essenzielles Thema; machen doch die Kosten für das Handling von Bargeld bei Banken in allen europäischen Ländern den größten - und leider negativen - Anteil aller Umsatzkomponenten des gesamten Zahlungsverkehrs aus, wie entsprechenden langjährigen Untersuchungen der Unternehmensberatung McKinsey zu entnehmen ist. Und wir sehen an zwei aktuellen Beispielen, dass man gerade das Thema der "Karten" gar nicht von anderen Entwicklungen trennen kann.

Zum einen spannt der von der Europäischen Kommission in die Interchange-Diskussion eingebrachte Tourist-Test eine Brücke von Kartenzahlungen zum Bar geld.

Zum anderen verbindet das von der Berlin Group vorgeschlagene "Sepa Card Clearing" die Kartenzahlungen direkt mit den Sepa-Zahlungsverfahren.

Karten sind also keine spezialisierte Ecke der Landkarte des Bankgeschäfts; Karten sind ein zentraler Fleck auf dieser Landkarte, welcher aber stark mit anderen Entwicklung verknüpft ist. Ich möchte deshalb fünf Thesen formulieren:

1. Kartengeschäft ist Bankgeschäft - im Issuing und im Acquiring.

2. Sepa - als Teil der politischen Lissa-bon-Agenda mit dem Ziel der Harmonisierung des Zahlungsverkehrs in Europa bietet durchaus Chancen für Banken, dieses Geschäft aktiv zu betreiben.

3. Um diese Chancen wahrzunehmen, brauchen die Banken Handlungsoptionen und Handlungsspielräume.

4. Handlungsspielräume wiederum bedeuten positiven, konstruktiven, kreativen Wettbewerb.

5. Und schließlich bedeutet Wettbewerb dynamische Entwicklungen,

bei welchen es auch durchaus temporäre, sinnvolle Zwischenschritte geben kann,

bei welchen unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit der verschiedenen Beteiligten möglich sind (neudeutsch auch "Co-optition" genannt) und

bei welchen wir gerade in Europa im Dialog mit den Kollegen aus anderen Ländern den Mut haben müssen, an der einen oder anderen Stelle über unsere Schatten zu springen und liebgewonnene Besonderheiten der Vergangenheit zugunsten von zukunftsfähigen paneuropäischen Strukturen beiseite zu lassen.

Dritte Säule des Bankgeschäfts

Auch wenn es dazu gegenteilige Meinungen geben mag, so ist Kartengeschäft ein generischer Teil des Bankgeschäfts. Natürlich bedienen wir uns alle gerade auch aus dem Aspekt der Kostendisziplin der Möglichkeiten, Economies of Scale durch die Einbindung beispielsweise von Infrastrukturprovidern zu nutzen. Aber der Kern des Geschäfts sind die Kunden auf beiden Seiten: die Privatkunden als Cardholders und die Firmenkunden als Merchants. Über die Karten werden auf beiden Seiten dieses zweiseitigen Marktes Zahlungsverkehrstransaktionen abgewickelt - und der Zahlungsverkehr ist neben dem Einlagen- und Kreditgeschäft die dritte Säule des Bankwesens.

Daher ist es auch wichtig, im Kartengeschäft den Blick auf das Geschäft mit den verschiedenen Kunden zu richten, denn in der Vergangenheit wurde vielleicht gerade in Deutschland die Diskussion zu stark um technologische Details geführt und zu wenig um den Wertbeitrag für die Kunden.

Daher konnten auch in der Vergangenheit hier sogenannte "wilde" Lösungen entstehen, welche aber weder der Entwicklung zum harmonisierten Zahlungsverkehrsraum in Europa entsprechen noch einen zukunftsfähigen Wertbeitrag für die Kunden bieten können.

Acquiring ist mehr als "technischer Vor-Ort-Dienst"

Und "Kunden" bedeutet im zweiseitigen Markt des Kartengeschäfts natürlich zum einen die Cardholders, also die Issuingseite, und zum anderen die Händler, die Acquiringseite. Gerade im Acquiring hatten wir Banken diese lange als eine Art "technischen Vor-Ort-Dienst" gesehen und die Bedeutung des direkten Zugangs zum Kunden vergessen.

Auch hier hat ein Umdenken eingesetzt, und wir Banken bieten den Händlern, den Kunden innovative Leistungen für das Bezahlen - ob am Point of Sale, im E-Business oder auch bei der Bargeldlogistik!

Im Zahlungsverkehr haben die europäischen Banken in Selbstregulierung des European Banking Council den politischen Willen der Lissabon-Agenda durch die Konzeption von Sepa erfolgreich umgesetzt.

Banken brauchen Handlungsspielräume

Auch wenn jetzt der Ball sozusagen wieder im Feld der politisch Verantwortlichen für die notwendigen, abschließenden gesetzlichen Rahmenbedingungen liegt, so sehe ich die Harmonisierung des Zahlungsverkehrs in Europa als eine Chance für Banken, dieses Geschäft auch in Zukunft aktiv zu betreiben - immer vorausgesetzt, dass die politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ein nachhaltiges Geschäftsmodell für den Zahlungsverkehr und das Kartengeschäft mit adäquaten Kompensationen für Dienstleistungen der Banken ermöglichen.

Um diese Chancen, die uns Europa bietet, wahrzunehmen, brauchen die Banken Handlungsoptionen und Handlungsspielräume. Wir dürfen uns nicht abhängig machen: weder von der einen Vergangenheit, welche sich technisch im vor vielen Jahren begonnenen System widerspiegelt, noch von der anderen Vergangenheit, in welcher die Banken wenig Interesse an diesem Geschäft gezeigt und es duopolistischen Entwicklungen überlassen hatten.

Handlungsspielräume wiederum bedeuten positiven, konstruktiven, kreativen Wettbewerb. Wenn sich heute Banken in Europa in ihrer unternehmerischen Verantwortung zusammenfinden, um gemeinsam neue zukunftsorientierte Initiativen zu beginnen, so ist dies niemals gegen andere Marktteilnehmer gerichtet, sondern immer ein aktiver Beitrag zur Weiterentwicklung und ein Beitrag zur Zukunftsgestaltung.

Monnet als Teilelement

Hierbei haben die Banken auch sehr sorgfältig auf die Stimmen der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Eurosystems gehört und stehen in einem sehr konstruktiven Dialog mit diesen Institutionen. Auch hier gilt, dass Kartengeschäft Bankgeschäft ist.

Daher dient der Dialog dazu, gemeinsam konstruktive und nachhaltige Rahmenbedingungen für das Kartengeschäft der Zukunft zu finden, welche in der konkreten Ausgestaltung aber dem freien Spiel der im Wettbewerb stehenden Banken unter liegt.

Mit der gemeinsamen Initiative Monnet von großen europäischen Banken für eine "New European Card Solution" werden dabei grenzüberschreitende Brücken geschlagen. Die ersten Schritte von Monnet sind aber nur der Start zu einer zukünftigen paneuropäischen Lösung, welche allen Banken in Europa offen steht. Monnet ist hier ein Teilelement der Handlungsspielräume, welche in einem funktionierenden Markt benötigt werden.

Unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit

So bedeutet Wettbewerb, dass dynamische Entwicklungen stattfinden. Bei diesen Entwicklungen kann und wird es in der Regel durchaus temporäre, sinnvolle und wichtige Zwischenschritte geben. Langfristig zukunftsträchtige Lösungen erfordern aber darüber hinausgehende, ganz neue Ideen und Konzepte, um auch die vorhandenen paneuropäischen Potenziale wirklich heben zu können.

Wettbewerb bedeutet ebenso, dass unter schiedliche Formen der Zusammenarbeit der Beteiligten möglich sind. Und wenn wir uns nur ein wenig in anderen Industrien umsehen, so finden wir dort viel ausgeprägtere "Ökosysteme" von Unternehmen. Letztlich müssen wir gerade auch im Kartengeschäft den Mut haben, an der einen oder anderen Stelle über unseren Schatten zu springen. Wenn wir nicht liebgewonnene Besonderheiten der Vergangenheit zugunsten von zukunftsfähigen paneuropäischen Strukturen beiseite lassen, dann sollten wir vielleicht wirklich eher über Bargeld als über Karten reden.

Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors beim Bankkarten-Forum 2009.

Gregor Roth , Bereichsleiter Transaction Management, , DZ Bank AG, Frankfurt am Main
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