MOBILITÄT

"Durch Corona stieg der Bedarf an individueller Mobilität"

Interview mit Dr. Kathrin Kerls

Dr. Kathrin Kerls, Foto: BMW Bank

Seit rund 1,5 Jahren steht Dr. Kathrin Kerls an der Spitze der BMW Bank. Damit hat sie vom klassischen Banking auf die Seite der Autobanken gewechselt. In den letzten 20 Jahren war sie für verschiedene Banken tätig, die meiste Zeit davon in Führungspositionen. Als ausgewiesene Branchenexpertin kennt sie die Bankenwelt durch und durch und weiß daher um die Besonderheiten von Captives. Im Interview spricht sie über das Geschäftsmodell der BMW Bank, sich wandelnde Kundenwünsche und Erwartungshaltungen sowie über das digitale Zeitalter. (Red.)

Zum 1. April letzten Jahres sind Sie von der UniCredit Bank zur BMW Bank gewechselt. Was hat Sie an dem Wechsel gereizt?

Das Geschäftsmodell - vor allem die Vertriebsstruktur - einer Captive unterscheidet sich grundlegend von dem einer Universalbank: Die BMW Bank bietet individuelle und maßgeschneiderte Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen aus einer Hand. Der Kunde erhält die Kreditzusage direkt im Autohaus. Das heißt, im Gegensatz zu den meisten Universalbanken haben wir keine Filialen, sondern arbeiten im Kundenkontakt Hand in Hand mit dem Handel.

Unsere Aufgabe als Herstellerbank ist es, den Kunden langfristig an uns zu binden, ihn zu loyalisieren. Als Absatzförderer der BMW Group spielen wir somit eine zentrale Rolle im Dreiklang Handel, Hersteller und Bank. Und eine Captive hat dabei gegenüber traditionellen Finanzdienstleistern einen gewaltigen Vorteil: das emotionale Produkt Auto. Das hat mich sehr gereizt.

Als konzerneigene Bank unterliegen Sie einerseits der Bankenaufsicht, sollen aber auch die Interessen des Herstellers berücksichtigen. Wie gehen Sie mit möglichen Konfliktpotenzialen um?

Ich sehe hier keine Konfliktpotenziale. Die BMW Bank ist die Tochtergesellschaft eines Automobilherstellers, sie agiert aber wie jede andere Bank auch und führt ihre Geschäfte selbstverständlich ordnungsgemäß durch - und das bereits seit über 50 Jahren. Die BMW AG partizipiert durch die BMW Bank an der eigenen automobilen Wertschöpfungskette - und überlässt dieses Geschäft nicht anderen Finanzdienstleistern.

Im Übrigen glänzt die BMW AG mit ihren Premium-Modellen sicherlich auch ohne uns. Fakt ist aber: Viele Kunden erwarten beim Fahrzeugkauf am Verkaufsort ein ganzheitliches Angebot. Das bedeutet, je nach Bedürfnisstruktur fragen sie neben dem Fahrzeugpreis auch Leasing- oder Finanzierungsraten ab. Zudem stellen wir fest, dass sich immer mehr für die Gesamtkosten eines Fahrzeugs, also auch fortlaufende Ausgaben, interessieren. Diesen Erwartungen begegnen wir mit einem entsprechend breiten und bedarfsorientierten Produktportfolio, und das natürlich unabhängig von der Fahrzeugklasse.

Wie positioniert sich die BMW Bank im Spannungsfeld zwischen Absatzunterstützung, Kundenbindung und Ergebniserzielung?

Es klingt banal: Ein zufriedener Kunde ist der Schlüssel zum Erfolg. Weniger banal ist aber der Weg dorthin: Gemeinsam mit dem Handel fokussieren wir uns immer stärker auf den Kunden. Wir stehen mit ihm im ständigen Dialog und richten unser Angebot nach seinem Bedarf aus. So sehen wir beispielsweise gerade bei privaten Einzelkunden einen Trend hin zu sogenannten Add-on-Produkten, wie etwa einen in den Leasing-Vertrag integrierten Wartungs- und Reparaturservice oder Reifenersatz. Dahinter steht der Wunsch nach einer sorgenfreien und umfassend kalkulierbaren Mobilität. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Bequemlichkeit für den Kunden immer entscheidender wird. Unser Ziel ist es also, den Serviceanteil weiter zu erhöhen.

Dazu gehört auch, dass die Gebrauchtwagenfinanzierung für uns schon lange einen hohen Stellenwert hat - weil sie auch für die BMW-Händler eine große Rolle spielt. Durch die Corona-Krise gewann dieses Geschäftsfeld weiter an Bedeutung. Der zusätzliche Bedarf an individueller Mobilität führte bei den Gebrauchtwagen zu einer höheren Nachfrage. Gleichzeitig stieg der Bedarf an guten Finanzierungsangeboten. Wir bieten hier unseren Kunden attraktive Finanzierungsprodukte sowie auf Wunsch weitere Zusatzprodukte an. Darüber hinaus haben wir für unsere jungen gebrauchten Automobile auch ein interessantes Leasing-Produkt, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut.

Die Kunden sind grundsätzlich risikoscheu. Was tun Sie für die sorgenfreie "Freude am Fahren"?

Als Absatzförderer des BMW Konzerns befinden wir uns bei der Restwertkalkulation in einer sehr komfortablen Lage. Denn je wertstabiler ein Automobil ist, desto besser lassen sich Restwerte kalkulieren. Das wiederum kommt dem Kunden in Form von attraktiven Leasing-Raten zugute. Darüber hinaus bieten wir seit vielen Jahren Kilometerleasing-Verträge an. Der Kunde erhält also eine transparente Kalkulationsbasis und muss keine Überraschungen am Vertragsende befürchten.

Warum müssen sich (Privat-)Kunden noch immer zunächst für ein Fahrzeug entscheiden und erst dann für das geeignete Finanzierungsmodell?

Das läuft mittlerweile synchron ab: Im Autohaus hat der Kunde die Möglichkeit - gemeinsam mit dem Verkäufer - bereits bei der Konfiguration seines Fahrzeuges jederzeit die entsprechende Leasing- oder Finanzierungsrate einzusehen. Er weiß also, was ihn das Panoramaschiebedach zusätzlich im Monat kosten würde und kann sich daher sein Fahrzeug so ausstatten, dass es in sein monatliches Budget passt.

Die Kunden wünschen sich mehr Flexibilität in der Fahrzeugfinanzierung. Könnten Sie sich vorstellen, dass die Monatsrate auch die Nutzung von Shared-Services abdeckt?

Vorstellbar ist das durchaus. Hier möchten wir aber zuerst sehen, wie sich der Markt für die jeweiligen Services entwickelt. Vor allem sollte eine ausreichend große Anzahl an Kunden solche Services nachfragen, damit wir ein attraktives Angebot kalkulieren können. Das ist zurzeit nicht der Fall.

Zusätzlich ist der digitale Wandel vor allem in seiner technologischen Entwicklung sehr dynamisch. Es gibt zahlreiche Fintechs am Markt, die spezifische digitale Lösungen anbieten - beispielsweise für schnellere Prozesse. Wir beobachten das Angebot genau und eruieren, inwiefern gegebenenfalls eine Zusammenarbeit Sinn macht.

Wie läuft das Passivgeschäft, welches die BMW Bank als eine der ersten Autobanken gestartet hat?

Der Einlagenbestand lag zum 31. Dezember 2020 bei 10,6 Milliarden Euro und hatte sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 1,3 Milliarden Euro erhöht. Einlagen sind für uns nach wie vor eine wichtige Refinanzierungsquelle. Deshalb spielen Spar- und Tagesgeldkonten sowie Festgeld eine wichtige Rolle für uns. Wer Geld bei der BMW Bank anlegt, entscheidet sich damit auch ein Stück weit für die Marke BMW. Daher lohnt es sich, über attraktive Einlagenprodukte auch solche Kunden für uns zu begeistern, die noch kein Fahrzeug unserer Premiummarken fahren.

Wann können die Kunden mit einem durchgängig digitalen Abschluss ohne Medienbrüche in der Autofinanzierung rechnen?

Den haben wir bereits. Als eine der ersten Captives haben wir sehr früh eine komplett digitale Autofinanzierung mit ausgewählten Handelsbetrieben angeboten. Unser eFinance haben wir seitdem konsequent ausgebaut und immer mehr Handelsbetriebe nutzen diese Möglichkeit. Egal, ob Leasing oder Finanzierung, bequem von zu Hause oder im Autohaus, für unsere Privatkunden bieten wir bereits den gesamten Vertragsabschluss vollständig elektronisch an. Dieser umfasst von der Datenerhebung, über die Legitimation und die digitale Unterschrift bis hin zum Versand der Dokumente alle erforderlichen Schritte. Besonders interessant ist dabei die Möglichkeit der Verbindung mit Online-Sales, dem elektronischen Fahrzeugverkauf.

Und zum Schluss: Wie hat die BMW Bank die Coronakrise gemeistert?

Auch wir haben im letzten Jahr mehr Rückstellungen gebildet als üblich. Bei den Kreditausfällen verzeichnen wir bisher jedoch erfreulicherweise keine signifikanten Ausfälle durch Corona. Für die kommenden Monate sind wir vorsichtig optimistisch - abhängig davon, wie sich die Pandemie weiterentwickelt und was das in Folge für die wirtschaftliche Entwicklung bedeutet.

Das Interview führte Branchenexperte Prof. Dr. Frank Stenner im Auftrag der FLF.

Dr. Kathrin Kerls , Vorsitzende der Geschäftsführung bei der BMW Bank GmbH
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