LEASING

"Das Potenzial der Reinigungsbranche wird tendenziell unterschätzt"

Interview mit Achim Becker

Achim Becker, Foto: Kärcher Financial Solutions GmbH

Nicht selten entscheiden sich Unternehmen dafür, Leasing- und Finanzierungsangebote nicht mehr über Partner abzuwickeln, sondern selbst in die Hand zu nehmen und eine eigene Gesellschaft zu gründen. Der Vorteil soll für die Kunden eine deutlich schnellere Abwicklung sein. Auch Kärcher ist diesen Schritt gegangen und stellt künftig mit der Gründung der Kärcher Financial Solutions GmbH (KFS) eigene Finanzierungs- und Leasing-Möglichkeiten zur Verfügung. Der Interviewpartner erläutert die Hintergründe und zeigt, wie die Angebote der hauseigenen Absatzfinanzierungsgesellschaft ab Frühsommer 2022 aussehen werden. (Red.)

Herr Becker, Sie haben über 20 Jahre Erfahrung im Bereich Absatzfinanzierung und leiten nun die neue Kärcher Financial Solutions GmbH. Warum war es für Kärcher wichtig, das Thema ins Haus zu holen?

Da muss man sich das Unternehmen etwas genauer anschauen. Wir haben es mit einer Marke zu tun, die weltweit hohe Bekanntheit und ein positives Image genießt - kärchern ist in verschiedenen Wörterbüchern sogar zum Synonym für Hochdruckreinigen geworden. Was viele Menschen allerdings nicht wissen, ist, dass Kärcher sehr viel mehr ist als Hochdruckreiniger und Fensterreiniger.

Inwiefern?

Das Unternehmen ist sehr klug und krisensicher aufgestellt, schon allein durch die beiden Hauptzielgruppen Home & Garden, also die Privatkunden, und Professional, worunter sämtliche gewerblichen Anwender fallen. Innerhalb der Zielgruppen gibt es jeweils sehr breite Portfolios, die eine sehr umfangreiche Palette an Reinigungslösungen im Innen- und Außenbereich sowie Produkte zur Grünpflege umfassen. Mit der Absatzfinanzierung haben wir natürlich die gewerblichen Kunden im Blick, und da bieten wir nicht nur Sauger oder klassische Scheuersaug- und Kehrmaschinen. Eine Tochter wie die Kärcher Municipal hat beispielsweise umfassende Kommunallösungen bis hin zu Schmal spurtraktoren für die Landwirtschaft im Angebot, die Woma bietet Höchstdrucklösungen, mit denen man die Außenhaut von Hochseeschiffen von einem Belag aus Tang, Algen und Muscheln befreien kann.

Der Bedarf für Finanzierungslösungen seitens gewerblicher Kunden war also der Ausschlag?

Ja, dieses Anliegen wird von großen Kunden aktiv an das Unternehmen herangetragen. Dabei muss man verstehen, dass die Banken die Reinigungsbranche nicht im Fokus haben - da ist man in Industrien wie Automotive oder Maschinenbau unterwegs, aber das Potenzial unserer Branche wird tendenziell unterschätzt. Eigentlich kaum zu begreifen, denn wir haben es mit einem Wachstumsmarkt zu tun. Die Bedeutung von Sauberkeit und Hygiene nimmt weltweit immer mehr zu. Im Übrigen ein Trend, der nicht nur mit der aktuellen Pandemie zu tun hat, dadurch aber nochmals verstärkt wird.

Wie verlief die Gründungsphase der neuen GmbH?

Anfang 2020 fiel die Entscheidung, Leasing- und Finanzierungsangebote selbst in die Hand zu nehmen. Der erste Schritt auf dem Weg war die Rekrutierung eines in der Absatzfinanzierung erfahrenen Experten, der die neue Kärcher Financial Solutions GmbH leiten sollte. Im Oktober 2020 fiel diese Wahl auf mich, da ich über jahrezehntelange Erfahrung im Absatzfinanzierungs- und Leasing-Geschäft verfüge. Keine 15 Monate später ist die GmbH gegründet und das Team nahezu komplett gewesen.

Inwiefern unterliegen angehende Finanzdienstleister besonderen Bedingungen und Anforderungen?

In Deutschland kann man zwar teilweise lizenzfrei arbeiten, aber für das komplette Vertragsangebot benötigt man eine BaFin-Zulassung. International besteht die Herausforderung in variierenden Vorgaben. Manche Länder fordern eine Registrierung und umsatzsteuerliche Anmeldung, andere die Gründung einer eigenen Gesellschaft.

Welchen Vorteil haben Kunden in Zukunft, wenn sie bei Kärcher eine Finanzierungslösung anstreben?

Mit der Einrichtung einer eigenen Absatzfinanzierungsgesellschaft bedienen wir künftig solche Anfragen aus einer Hand, und innerhalb des Unternehmens aus einem Guss. Es geht also weg von verschiedenen Insellösungen mit Finanzierungspartnern hin zu einem konsistenten Angebot. Wir können deutlich schneller reagieren und bieten dem Kunden nun auch im Bereich der Finanzierung eine echte Partnerschaft, weil wir Markt und Branche kennen und Kundenbelange gezielt adressieren können.

Was verspricht Kärcher sich konkret davon?

Wir sind ein Unternehmen, das solche Schritte sehr bewusst geht. Die Einrichtung der Kärcher Financial Solutions GmbH, kurz KFS, ist Teil der langfristigen Unternehmensstrategie, und selbstverständlich versprechen wir uns wirtschaftliche Erfolge davon. Im Vorfeld fand ein intensiver Austausch mit anderen mittelständischen Familienunternehmen in Deutschland statt, die ebenfalls eine hauseigene Absatzfinanzierung implementiert haben. Es zeigen sich viele Vorteile für Anbieter und Kunden, weil sich Bestellungen schneller abwickeln lassen und in vielen Fällen aufgrund guter Konditionen Maschinen mit besserer Ausstattung beschafft werden können.

In welcher Hinsicht setzen Sie sich mit Ihrer neuen Produktpalette vom Markt ab?

Aus meiner Sicht ist unsere Payper-Use-Lösung am Leasing-Markt recht einzigartig, da üblicherweise eine Gebühr für die Mindestnutzung mit der tatsächlichen Nutzung verrechnet wird. Die KFS berechnet ausschließlich Kosten für die reale Nutzungsdauer, sodass für den Kunden wirklich kein Risiko besteht. Ein weiteres Standbein ist das Fuhrparkmanagement für Großkunden, das von der Bestellung über die Wartungsplanung bis zum Schadenmanagement alle Schritte umfasst. Dazu bringen wir Experten aus unserem Team mit den jeweiligen Fachexperten aus dem Unternehmen zusammen, um für den Kunden die beste Lösung zu erarbeiten.

Liegt auf Standardprodukten der Hauptfokus, oder bieten Sie individuelle Lösungen gleichwertig an?

Wir werden mit Standardprodukten etwa 60 Prozent unseres Umsatzes generieren, der Rest werden individuelle, auf den jeweiligen Kunden bezogene Produkte sein. Seit wir im Juli vergangenen Jahres die GmbH gegründet haben, sind wir aktiv, da der Vertrieb unser Angebot stark nachfragt. Da gab es beispielsweise eine Anfrage, weil eine große Kommune 75 Geräteträger anschaffen wollte, aber ein siebenmonatiges Zahlungsziel brauchte. Diese Liquidität können wir bieten, sodass Aufträge dieser Art zustande kommen. Oder es kommt ein Kunde, der ein sehr flexibles Finanzierungsmodell wünscht, mit flexibler Laufzeit, flexiblen Kündigungsfristen - da können wir unterstützen und eine passende Lösung entwickeln. Small Tickets bis zu einer bestimmten Investitionshöhe werden wir - wie branchenüblich - rein digital, für den Kunden also schnell und einfach, abwickeln.

Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Entwicklung der KFS? Haben Sie unerwartete Hürden konfrontiert oder entwickelte sich alles nach Plan?

Ich bin sehr zufrieden, denn wir liegen mit allem vor dem Zeitplan - das ist bei einem derart ambitionierten Projekt nicht selbstverständlich. Natürlich gab es auch Unvorhersehbares, aber das hat uns nicht aufgehalten.

Sie sind zwar schon im Einsatz, der offizielle Marktstart der KFS ist aber erst im Juni 2022. Fühlen Sie sich gut aufgestellt?

Auf jeden Fall. Seit Januar ist unser Team komplett. Allerdings muss man sagen, dass die Suche nach Experten angesichts des Fachkräftemangels in allen Bereichen auch für Kärcher keine einfache Aufgabe war. Wir haben es aber geschafft und sind dabei, uns als Mannschaft zu finden und zu positionieren.

Beim Marktstart der Software haben wir den klaren Vorteil, dass wir von der grünen Wiese starten. Das ist einerseits eine Herausforderung, andererseits haben wir keine Daten zu migrieren, und wir können unsere Prozesse mehr oder weniger nach der Software richten, sodass das geschmeidig laufen wird. Also freuen wir uns darauf, richtig anzupacken und am Markt in Erscheinung zu treten.

Achim Becker , Geschäftsführer , Kärcher Financial Solutions GmbH, Winnenden
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