Schwerpunkt Genossenschaften

Anteile an Wohnungsgenossenschaften - eine sichere Kapitalanlage und Altersvorsorge?

Folgende Tatsachen bestehen:

- Menschen werden älter,

- es gibt weniger Nachwuchs,

- Gesundheit wird teurer,

- Renten und -ansprüche sinken,

- Wohnkosten steigen,

- Anteil der Wohnkosten an Gesamtausgaben steigt im Alter und wird weiter steigen.

Gerade Genossenschaften, deren Mitglieder überwiegend aus der mittleren Unterschicht bis hin zur oberen Mittelschicht kommen, müssen sich auf diese Tatsachen einstellen. Jede Finanzierung eines Neubaus, energetische Modernisierung oder Anpassung von Gebäuden und Wohnungen an den heutigen Standard braucht aber das nötige Eigenkapital sowie Darlehen von Banken beziehungsweise anderen Gläubigern. Die Genossenschaft muss teurer verzinstes Geld von Banken leihen, während die Mitglieder und Mieter ihr Erspartes für wesentlich weniger Zins auf ihrem Bankguthaben deponieren.

Warum also diesen Weg über den "Zwischenhändler" Bank gehen, der dabei ja nicht schlecht verdient? Ist es nicht geschickter, wenn die Mitglieder ihr Geld direkt gut verzinst bei ihrer Genossenschaft anlegen, statt bei der Bank? Für Genossenschaften mit Spareinlagen ist das kein Problem - wohl aber für alle anderen, da das Kreditwesengesetz diesem direkten Weg der Anleihe bei den Mitgliedern leider im Wege steht. Aber es gibt für Genossenschaften einen anderen legalen Weg der Finanzierung durch die Mitglieder - die Zeichnung freiwilliger Anteile.

Woraus besteht das Eigenkapital?

Das sind einmal die durch Überschüsse aus Mieten oder Verkauf von Eigentumsmaßnahmen erwirtschafteten Gewinne, zum anderen die Anteile, die Genossenschaftsmitglieder bei ihrer Genossenschaft zeichnen und einzahlen. Die Genossenschaftsbeteiligung kann aus Pflicht- oder freiwilligen Anteilen bestehen.

Pflichtanteile: Durch Zeichnung eines Pflichtanteils wird man Genossenschaftsmitglied. Darüber hinaus verlangt die Genossenschaft bei Anmietung einer Wohnung meist weitere Pflichtanteile. Diese Anteile sind als Eigenkapitaleinsatz des Genossenschaftsmitglieds für seine Wohnung gedacht; ihre Anzahl ist abhängig vom Anteil des jeweils benötigten Eigenkapitals, das zur Erstellung einer Wohnung nötig war, und der finanziellen Ausstattung der Genossenschaft.

Freiwillige Anteile: Genossenschaften bieten die Möglichkeit neben den Pflichtanteilen zusätzlich freiwillige Anteile zu zeichnen. Diese freiwilligen Anteile umfassen auch die neu eingeführten Anteile zur genossenschaftlichen Altersvorsorge, die für viele Genossenschaftsmitglieder, aber auch die Genossenschaft, sehr interessant sind.

Das Ansparungsmodell der genossenschaftlichen Altersvorsorge funktioniert ebenso wie die Zeichnung freiwilliger Anteile. Allerdings wird in diesem Fall dem Genossenschaftsmitglied die vertragliche Möglichkeit eröffnet, seine Genossenschaftsanteile entweder voll oder in monatlichen Raten anzusparen, um sich damit einen Kapitalstock zu bilden, der mit Erreichen der vertraglich definierten Altersgrenze in verschiedenen Formen ausgezahlt werden kann.

Diese Auszahlung kann erfolgen, indem der gesamte Kapitalstock gekündigt wird und das im Ruhestand befindliche Genossenschaftsmitglied endlich seine ersehnte Weltreise antreten kann. Es gibt allerdings auch die gerade in Zeiten sinkender Renten verlockendere Möglichkeit, durch diesen Kapitalstock die eigene Miete in der Rentenphase monatlich um einen vom Mitglied zu definierenden Betrag zu mindern (selbstbestimmte Miete im Alter). Durch diese verminderten Mietzahlungen, die mit dem Kapitalstock verrechnet werden, braucht sich dieser im Laufe einer vorbestimmten Zeit wieder auf.

Verwendung des Kapitalstocks zur Altersvororge Daneben gibt es noch die dritte Möglichkeit, dass der Kapitalstock zum Ankauf eines Dauernutzungsrechts an der Wohnung bis zum Lebensende verwendet wird; die Genossenschafts trägt dabei aber das nicht zu unterschätzende Risiko, dass bei der Bemessung der einmaligen Zahlung die Lebenserwartung eines

Menschen sehr schwer abzuschätzen ist. Wesentlich interessanter für die Genossenschaft als auch das Genossenschaftsmitglied ist daher die Ansparung des Kapitalstocks zur genossenschaftlichen Altersvorsorge während der Berufstätigkeit. Sofern das Mitglied in einer Genossenschaftswohnung wohnt und die Genossenschaft entsprechend zertifiziert ist, besteht zusätzlich die Möglichkeit die Riester-Förderung in Anspruch zu nehmen. Wenn auch die Finanzierung über freiwillige Anteile ihrer Mitglieder für eine Genossenschaft etliche Vorteile hat, darf man die Problematiken nicht außer Acht lassen.

Für das Genossenschaftsmitglied ist es sicher von Vorteil, während der Berufstätigkeit mit kleineren Sparbeiträgen, zum Beispiel ab 30 Euro monatlich, doch einen beachtlichen Kapitalstock anzusammeln und diesen vor Ort bei seiner Genossenschaft zu haben, bei der es mitbestimmen kann, in welche Richtung die Geschäftspolitik laufen soll, wie hoch die Dividendenauszahlungen sein sollen.

Ausstiegsmöglichkeiten, Mindestdividende, Sicherheit

Das Genossenschaftsmitglied kann auch leicht mitverfolgen, was mit seinem Geld gemacht wird: Es sieht die Investitionen in den Wohnungsbestand, durch den der Wert der Genossenschaftsimmobilien gesteigert beziehungsweise zumindest erhalten bleibt, es hat Einblick in die Geschäftsunterlagen und damit in die Entwicklung der Genossenschaft. Zusätzlich ist die Dividende, die Genossenschaften ausschütten, in den meisten Fällen höher als das, was man als Zins auf sein Sparguthaben bei der Bank bekommt.

Um ein Genossenschaftsmitglied aber dazu zu bewegen, sein Sparguthaben bei der Bank aufzulösen und damit direkt zu seiner Genossenschaft zu gehen, bedarf es einiger weiterer Voraussetzungen: Das Mitglied will im Bedarfsfall kurzfristiger die angesparten Anteile wieder zurückbekommen, denn kaum jemand will sich heute mehr in einer langfristigen Anlage binden, ohne die Möglichkeit des kurzfristigeren Ausstiegs ohne Verluste zu haben.

Diese unkomplizierte, kurzfristigere Handhabung kann von der Genossenschaft in der Satzung vorgesehen werden. Allerdings muss die Genossenschaft dabei bedenken, dass damit größere Geldbeträge in kurzer Zeit abfließen könnten und die Liquidität dadurch infrage gestellt sein kann. Teure Kreditaufnahmen bei der Bank wären - wenn nicht genug eigene Reserven vorhanden sind - die Konsequenz.

Das Genossenschaftsmitglied möchte gern im Voraus wissen, welche möglichst garantierte Mindestdividende beziehungsweise Verzinsung seine freiwilligen Anteile bekommen werden, sodass die Vergleichbarkeit mit banküblichen Finanzierungen gegeben ist. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass ein Rahmen von vier Prozent Verzinsung für Genossenschaftsmitglieder derzeit durchaus einen Anreiz zur Zeichnung freiwilliger Anteile für genossenschaftliche Altersvorsorge bietet. Besser ist auch eine Mindestverzinsung statt der Dividendenberechtigung zu wählen, damit Planungssicherheit für den Anleger gegeben ist.

Die Sicherheit der Geldanlage ist für die meisten Mitglieder mit das wichtigste Entscheidungskriterium bei der Geldanlage - durch die Finanzkrise wurde dieser Aspekt noch verstärkt. Hier ist die Genossenschaft im Vorteil, denn aufgrund der Geschäftsbeziehungen mit dem Genossenschaftsmitglied, das ja meist auch Mieter ist, gibt es bereits eine gewisse Vertrauensbasis. Außerdem hat das Genossenschaftsmitglied als Miteigentümer Einsichtsrecht in Geschäftsunterlagen und bekommt in der Mitgliederversammlung Auskünfte zur Geschäftspolitik.

Sicherheit der Geldanlage als Entscheidungskriterium

Trotzdem steht die Frage im Raum: Was passiert im Falle der Insolvenz einer Genossenschaft mit dem Geld, das ein Mitglied in freiwillige Anteile investiert hat? Wenn die Genossenschaft für diesen Fall die Anteile zur genossenschaftlichen Altersvorsorge nicht ausreichend abgesichert hat, fallen sie unter die Insolvenzmasse und das angesparte Geld ist verloren. Um dies zu verhindern, muss jeder verantwortungsvoll denkende Genossenschaftsvorstand erweiterte besondere Sicherheiten für die Anteile seiner Mitglieder zur genossenschaftlichen Altersvorsorge bieten.

Es gibt dazu verschiedene Möglichkeiten: Das Wohnungsbau und Siedlungswerk Werkvolk etwa hat ein Modell entwickelt, bei dem auf einem lastenfreien Objekt eine Eigentümerbriefgrundschuld eingetragen wird. Diese wird entweder an einen Treuhänder oder an einen Verein abgetreten, dessen einziger Zweck es ist, im Falle der Insolvenz mit Hilfe der Grundschuld das Objekt zu verwerten und dadurch den Kapitalstock zur genossenschaftlichen Altersvorsorge für die einzelnen Genossenschaftsmitglieder zu erhalten.

Eigentümerbriefgrundschuld

Durch Änderungen des Genossenschaftsgesetzes sind inzwischen auch investierende Mitglieder zugelassen, das sind Genossenschaftsmitglieder, die keine Wohnung bewohnen oder sonstige Dienstleistung der Genossenschaft in Anspruch nehmen, sondern nur ihr Geld in einem florierenden Unternehmen anlegen wollen.

Diese Genossenschaftsmitglieder haben als oberste Zielsetzung eine möglichst hohe Kapitalrendite ähnlich wie die Investoren in einer Aktiengesellschaft. Ob dieser Anspruch auf kurzfristige Gewinnmaximierung statt langfristiger Förderung der Mitglieder noch mit dem Genossenschaftsgedanken zu vereinbaren ist, mag dahingestellt sein.

Die Erfahrungen zeigen, dass investierende Mitglieder sich oft in Genossenschaftspolitik einmischen, etwa um mitzubestimmen, ob Geld für zukunftsweisende Instandhaltungen oder doch lieber für erhöhte Dividende auszugeben ist. In unserer Genossenschaft ist daher der Höchstbetrag der Anteile auf 100, das sind 32500 Euro, begrenzt. Um investierende Mitglieder zusätzlich abzuschrecken, haben wir im Dividendenbeschluss der letzten Mitgliederversammlungen festgelegt, dass nur die Mitglieder, die auch Mieter sind, derzeit eine fünfprozentige Dividende erhalten, alle anderen nur drei Prozent.

Wie aber darf eine Genossenschaft, die durch freiwillige Anteile mehr Eigenkapital bekommt, mit diesem Zuwachs umgehen? Jedem Genossenschaftsvorstand, der einen Anreiz zur Zeichnung weiterer freiwilliger Anteile oder Anteile zur genossenschaftlichen Altersvorsorge schafft, muss klar sein: Das Kapital das jetzt im erhöhten Maße zufließt, wird eines Tages auch wieder abfließen.

Dies kann durch Kündigung von gesamten Kapitalstöcken, aber auch verringerte Mieteinnahmen durch ratenweise Verrechnung der Miete mit dem Kapitalstock zur genossenschaftlichen Altersvorsorge passieren. Die Zu- oder Abnahme von Eigenkapital ist nicht fest kalkulierbar.

Erhalt des Kapitalstocks Sehr gefährlich ist, wenn der Liquiditätszuwachs nicht in Maßnahmen investiert wird, die künftig wieder Ertrag bringen, zum Beispiel einen Neubau, mietsteigernde Modernisierungen oder - noch besser - zur Ablösung von Gläubigerdarlehen verwendet wird, bei denen die

Zinsbindung ausläuft. Denn nur dadurch kann auch künftig die notwendige Dividende/Verzinsung erwirtschaftet werden beziehungsweise der Kapitalstock der Mitglieder erhalten bleiben. Sollte aber das zusätzliche Eigenkapital nur für laufende Instandhaltungen in Anspruch genommen werden, kann die Genossenschaft bei der Rückzahlung der freiwilligen Anteile eventuell Liquiditätsprobleme bekommen. Trotzdem überwiegen die Vorteile für die Genossenschaft, denn etliche künftige Risiken werden durch den Kapitalstock der freiwilligen Anteile der Mitglieder abgedeckt, zum Beispiel:

Mietausfälle durch

- Altersarmut,

- Erbausschlagungen,

- erhöhte Kosten für Wohnungsrenovierungen bei Verwahrlosung von Wohnungen durch Demenz.

Vorteile sind:

- größere Unabhängigkeit von Banken,

- besseres Rating durch Ersatz von Fremd- durch Eigenkapital,

- Stärkung des Genossenschaftsgedankens und der Mitgliederbindung.

Fazit: Die Kapitalanlage von Genossenschaftsmitgliedern in freiwilligen Anteilen ist sowohl für die Genossenschaft als auch das Mitglied eine lohnende und sichere Finanzierungsalternative.

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