Genossenschaftsbanken

"Die Bank hat die Hoheit über den Markt"

Verbandsfusionen sind für Sie kein neues Thema. Sind die eingeleiteten Zusammenschlüsse in Baden-Württemberg sowie zwischen den Genossenschaftsverbänden Frankfurt und Norddeutschland nun die Schritte zu einem Regionalverband, wie er von Ihnen schon seit Jahren angeregt wird?

Betriebswirtschaftlich wäre es wahrscheinlich das Beste, wenn alle genossenschaftlichen Regionalverbände sich auf einmal zusammenschließen. Realistisch ist das freilich nicht. Es wird vielmehr zu Fusionen von einzelnen Verbänden kommen, wie sie sich jetzt in Baden-Württemberg sowie zwischen Hannover und Frankfurt abzeichnen.

Gleichwohl bleibt die Vision, dass aus diesen bilateralen Verschmelzungen einmal ein einziger genossenschaftlicher Prüfungsverband wird, der zwar national aufgestellt, aber regional gegliedert ist. Nach den beiden angesprochenen Fusionen wird es weitere geben.

Wie sieht die genossenschaftliche Verbandslandschaft nach den angepeilten Fusionen aus?

Zurzeit gibt es noch sieben Regionalverbände, nach den Fusionen würden es noch fünf sein. Neben den beiden fusionierten gibt es dann noch den Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverband, den Genossenschaftsverband Bayern sowie den Genossenschaftsverband Weser-Ems. Dann sollte man auch die bereits national aufgestellten Prüfungsverbände der Sparda-Banken und der PSD-Banken nicht vergessen.

Wieso werden Verbandsfusionen gerade jetzt wieder zum Thema?

Vor Jahren hat man in der Genossenschaftsorganisation die Forderung einer Fusion auf Verbandsebene gerne erhoben, um die angestrebte Konzentration auf Ortsebene voranzutreiben. Das ist heute eher umgekehrt. Wir müssen die Verbände auch zusammenfassen, um auf Ortsebene nicht unendlich zu fusionieren - also zur Erhaltung der dezentralen Struktur. Starke Regionalverbände müssen heute zur Kostenentlastung und zu Qualitätsverbesserungen aller Ortsbanken, ob sie nun sehr groß oder sehr klein sind, beitragen und deren Interessen gegenüber den Verbundunternehmen vertreten.

Es gibt im genossenschaftlichen Verbund keine Konkurrenzsituation im Bauspar-, Fonds- und - von Bayern abgesehen im Versicherungsgeschäft und ein Nebeneinander der verbliebenen Rechenzentralen, Zentralbanken und Regionalverbände. Wenn man auf diesen Ebenen auch die größtmögliche Einheitlichkeit herstellt, gewährt man den Ortsbanken die Kostenentlastungen, die sie für den Markt brauchen.

Wie kann ein vergrößerter Regionalverband den Bezug und den guten Kontakt zur Basis wahren?

In dieser wichtigen Frage muss man in zwei Kategorien denken, der räumlichen Nähe und der qualitativen Nähe. Natürlich wird der Vorstand eines einheitlichen Verbandes nicht immer präsent sein können. Aber wir haben mit dem Key Accounting ein sehr ausgeklügeltes Organisationssystem. Ein leitender Mitarbeiter unseres Verbandes ist nach diesem Konzept schon heute für die Rundumversorgung von 20 bis 30 Volksbanken zuständig. Dabei agieren wir im Grunde sogar noch weitergehend als vergleichbare Dienstleister wie die großen Beratungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Wir sind nah an den Mandanten.

Bei der Fusion der Verbände, wie wir sie jetzt mit Hannover durchdenken, wird dieses Key-Account-System weiter greifen, es wird auch in Hannover eingeführt. Wir haben diese intensive Betreuung von unten nach oben bis zum Vorstand durchgezogen und haben deshalb anders als andere Verbände auch vier statt zwei Vorstände. Darüber garantieren wir die räumliche Nähe. Wir werden solche Strukturen in abgeschlossenen ländlichen Räumen haben, aber gleichzeitig auch ein höchst qualifiziertes System für Ballungsräume, für große Kreditgenossenschaften.

Nach welchen Kriterien sind die Key-Account-Manager ihren Ortsbanken zugeordnet, nach räumlicher Nähe, nach vergleichbaren Marktstrukturen oder verschiedenen Größenklassen der Primärbanken?

Im Moment bestimmt eine gewisse räumliche Nähe die Gruppenbildung. Aber ich will nicht ausschließen, dass wir mit der anstehenden Verbandsfusion an einen Punkt kommen, die Zuordnung von Key-Account-Managern zu den Primärbanken an anderen Kriterien, sprich sehr vergleichbaren Marktbedingungen, auszurichten.

Wie viel wird die Fusion mit Norddeutschland kosten?

Jede Fusion kostet Geld, weil wir zwei Unternehmen zusammenführen und dafür Steuern bezahlen müssen. Das sind die Kosten, die nicht gerade gering sind. Aber wir werden keine weiteren Kosten im Sinne von Personalfreisetzungen haben, denn wir fusionieren nicht-überschneidende Geschäftsgebiete. Wir werden die natürliche Fluktuation nutzen, um intern schlanker aufgestellt zu sein. Damit haben wir schon im vorigen Jahr begonnen.

Insgesamt wird die Fusion Kosteneinsparungen für die Mitglieder bringen. Nehmen wir an, die Fusionsbeschlüsse kommen in diesem Jahr, dann wird es sicher noch eine Übergangszeit von einem weiteren Jahr geben, die der Verband überstehen muss, ohne unsere Mitglieder zu belasten, obwohl wir Grunderwerbssteuern an den Staat abführen müssen. Im Jahr darauf entstehen Kostenentlastungen in Millionenhöhe, die wir an die Mitglieder weitergeben. Dies haben wir schon berechnet.

Welche Bedeutung hat die private Baufinanzierung für die Genossenschaftsbanken?

Dieser Kreditbereich ist ausgesprochen wichtig. Von Institut zu Institut schwankt allerdings der Anteil sehr stark. Im Schnitt sind 20 bis 30 Prozent der Kredite Baufinanzierungen. Wo viel gebaut wird und die Konjunktur stark ist, kann dieser Wert aber auch schnell über 50 Prozent erreichen.

Wo sehen Sie im Immobiliengeschäft der Ortsbanken noch Risiken oder unentdeckte Chancen - was kann man besser machen?

Wir sind gut beraten, das Immobiliengeschäft, das ein wesentliches Geschäft der Primärbanken ist, dort zu belassen. Aber wir müssen die Banken vor Ort wesentlich stärker unterstützen als das heute der Fall ist. Wir im Verbund haben die Marktentwicklung sicherlich zunächst unterschätzt. Für die Ortsbanken fehlten anfangs die entsprechenden

Systeme, um auf die Herausforderungen rasch zu reagieren. Hier war der Verbund nicht aufeinander abgestimmt. Die einzelnen Banken sind in ihrer Aufstellung zu klein, um solche Geschäftsfelder, wie sie heute vorgehalten werden müssen, selbst zu gestalten. Das ist eine Aufgabe des Verbundes, der gemeinsam mit den Rechenzentren die notwendigen Programme entwickeln und bei entsprechender EDV-Begleitung einen schlanken Prozess mit günstigen Konditionen darstellen muss. Das haben wir jetzt nachgeholt.

In diesem Zusammenhang sind die Konsumentenkredite Vorbild für die Baudarlehen: Man muss der DZ Bank dankbar sein, dass sie damals die Norisbank, die heutige Teambank, kaufte, denn damit wurde ein Umdenken im Verbund angestoßen. Bis dahin war es nicht möglich, mit den Rechenzentren Programme zu schreiben, die Kredite in Score-Kategorien einteilen, sodass eine automatische Entscheidung erfolgen kann und das Geld möglichst schnell ausgezahlt wird. In diesen Strukturen muss man auch im Baufinanzierungsgeschäft denken. Hierzu hat gerade die DG Hyp gute Vorarbeit geleistet, die jetzt langsam in der Breite zu wirken beginnt.

Aber Baufinanzierungen passieren vor Ort im Markt der Bank. Das Primärinstitut muss sich darum kümmern und die Leistungen umstellen. Wir können hier nicht einen nationalen Baufinanzierer aufstellen. Baufinanzierung ist ein örtliches Geschäft.

Warum ist die Initiative der Bausparkassen Schwäbisch Hall in Ballungszentren am Widerstand der Ortsbanken gescheitert?

Das kann ich so nicht bestätigen. Wir haben festgestellt, dass die Zulieferer oder Hersteller von Finanzdienstleistungen den größten Erfolg haben, die mit einem Bankenvertrieb zusammenarbeiten. Diejenigen, die über Finanzvermittler, über Strukturvertrieb ihre Produkte vertreiben, konnten sich nicht in der Breite durchsetzen. Deshalb zählt Schwäbisch Hall heute zu den Bausparkassen, die in den vergangenen Jahren die höchsten Zuwachsraten erzielten. Vergleichbar gut positioniert haben sich die R+V Versicherung und die Union Investment.

Deshalb hat Schwäbisch Hall seinen Vertrieb jetzt noch stärker an die Banken angebunden. Die Bank hat die Hoheit über den Markt, sie muss auch die Absatzplanung für die Produkte steuern. Somit ist die Einstellung des bankunabhängigen PKS-Vertriebs von Schwäbisch Hall die logische Konsequenz und durchaus in unserem Sinne.

Heute hat jede Bank einen mehr oder weniger großen Außendienst. Diese Mitarbeiter haben einen stationären Halt in der Filiale, wo sie auch außerhalb der Schalterzeiten erreichbar sind. Selbstverständlich kommen sie auf Wunsch auch zu den Kunden nach Hause. Diese mobile Vertriebseinheit in Kombination mit dem stationären Vertrieb funktioniert und darauf hat sich die Bausparkasse eingestellt.

War vielleicht auch die Kannibalisierungsgefahr zu groß?

In den Ballungsgebieten sind die Genossenschaftsbanken nicht mit großen Marktanteilen gesegnet. Wenn eines unserer Institute in einer Großstadt ein Zehntel des Marktes auf sich vereint, dann ist das schon ganz ordentlich, aber es reicht nicht, um sich zu kannibalisieren. Diese Gefahr besteht schon eher auf dem Land, wo wir eine sehr hohe Marktdurchdringung haben. Für uns entscheidend ist, dass die Stabilität einer Geschäftsbeziehung höher ist, wenn sie über die Bank hergestellt wird - auch bei Verbundprodukten. Das ist der Wert und das Besondere am genossenschaftlichen Finanzverbund und darauf müssen wir uns einstellen.

Wer macht den Kreditgenossen in der privaten Baufinanzierung am meisten Konkurrenz? Wie wollen Sie verlorene Marktanteile zurückgewinnen?

Viele Genossenschaftsbanken, aber auch Sparkassen und Großbanken haben in den Städten Filialen geschlossen. Das war ein Fehler. Denn es führte nicht dazu, dass es weniger Finanzdienstleister gibt, sondern Finanzvertriebe wie AWD und MLP sowie ausländische Banken füllten die Lücke und eröffneten eigene Filialen. Besser wäre es gewesen, wenn die etablierten Institute umstrukturiert hätten.

Wir brauchen heute andere Filialen, die sich an den frequenzstarken Standorten für das Laufpublikum interessant darstellen müssen. Dorthin gehört ein VR-Finanzshop. Was wir uns darunter vorstellen, präsentieren wir derzeit den Instituten. Dabei sollen die Kunden zum Beispiel aus einem Regal die Produkte zu ihren speziellen Bedürfnissen entnehmen können. Baufinanzierung gehört ebenso dazu wie Versicherungen, Sparanlagen oder Konsumentenkredite.

Wird es ein spezielles Online- Angebot der Genossenschaftsbanken in der Baufinanzierung geben?

Natürlich braucht eine große Kreditgenossenschaft in einem Ballungsraum mit hohem Wettbewerb auch ein attraktives Direktbankangebot. Dieses muss aber sehr individuell sein. Ich halte nichts von Ballungsraum- oder gar nationalen Konzepten.

Wir gehen den Weg, dass jede Bank ihr eigenes Internetangebot darstellen kann. Diese Individualität wollen wir gewahrt wissen. Bereits vor mehr als einem Jahr hat die Fiducia, unser Rechenzentrum, die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen, damit jede Bank ein Direktbankangebot, auch mit Baufinanzierungen, anbieten kann. Wir arbeiten derzeit nicht daran, diese Online-Produkte von einem nationalen Anbieter liefern zu lassen.

Dieser Weg mag etwas schwieriger und langwieriger sein, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht durch ein nationales Internetangebot unsere Stärke, den persönlichen Vertrieb, schwächen. Der Kunde von heute empfindet das Mehr an Beratung, das er von seiner Bank vor Ort bekommt, als eine persönliche Form der Betreuung. Diese Kompetenz wollen wir stärken.

Aber der Geschäftsverkehr mit den Kunden findet heute nicht mehr körperlich statt, sondern mehr und mehr virtuell. Das bedeutet, dass unsere Banken ihre Kunden auch elektronisch betreuen müssen. Eine Bank ist gut, wenn sie 100 000 Privatkunden hat und davon mindestens 70 000 oder 80 000 E-Mail-Adressen. Das ist die Stoßrichtung der genossenschaftlichen Kreditinstitute. Die Geschäftsprozesse sind national einheitlich vorzudenken, damit nicht jede Bank das Rad neu erfinden muss, aber sie sind regional umzusetzen.

Mit dem Kreditwerk wurde das schlanke Hypotheken-Processing im Verbund sehr weit vorgedacht. Dennoch ist die Akzeptanz bei den Genossenschaftsbanken allenfalls mäßig. Woran liegt das?

Das Kreditwerk machte einen entscheidenden Fehler, den wir aber auch immer angemahnt haben: Es hat sich von Anfang an zentral aufgestellt. Wer die Struktur unserer Gruppe kennt, weiß, dass das eher ein Problem ist. Das Kreditwerk wäre besser beraten gewesen, seine Leistungen regional anzubieten. Warum? Das Kreditwerk ist nicht im Markt tätig, sondern es hat eine Funktion für die Verwaltung. Aber ein Banker alter Prägung hat bis vor wenigen Jahren die Kreditverwaltung als sein Hoheitsgebiet angesehen.

Das ist auch heute noch bei vielen Kreditgenossenschaften so. Vieles geben

die Banken aus dem Haus, aber die Kredite wollen sie behalten. Mit der nachrückenden Banker-Generation wächst aber auch die Bereitschaft, die Kreditverwaltung abzutrennen und abzugeben.

Doch was macht die Bank dann mit ihrem Personal, das bisher für die Kreditverwaltung zuständig war? Wenn deren Aufgaben nach Hamburg oder in eine andere zentrale Stelle in Deutschland verlagert werden, sind Arbeitsplatzverluste zwangsläufig. Aber unsere Banken haben auch eine Verantwortung für den lokalen, den regionalen Arbeitsmarkt. Deshalb ist der Weg, wie er beispielsweise in Dreieich gegangen wird, der bessere. Dort wollen die Genossenschaften miteinander ein Serviceunternehmen gründen, das die Kreditverwaltung für die angeschlossenen Banken übernimmt.

Auf diese Weise kann die Bank von beispielsweise vier Mitarbeitern, die bisher die Kredite verwalteten, zwei in die gemeinsame Servicegesellschaft entsenden und die beiden übrigen an anderer Stelle in der Bank einsetzen oder mit ihnen altersbedingt frei werdende Stellen besetzen. Wir werden immer den Weg der weichen Übergänge gehen.

Dadurch kommen wir vielleicht manchmal ein bisschen spät, aber schließlich haben wir auch eine Verantwortung für die Region, von der wir leben. Diese Philosophie dürfen wir nicht durch zentralistische Maßnahmen aushöhlen. Aber aufgrund der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten wird es auch im Genossenschaftssektor in Kürze keine Kreditverwaltung mehr in den Banken geben. Hier wird schon bald vieles fabrikmäßig bearbeitet werden.

Zum Verband gehören nicht nur die Kredit-, sondern beispielsweise auch die Wohnungsgenossenschaften. Gibt es hier gemeinsame Interessen?

Das ist von Institut zu Institut sehr unterschiedlich. Es gibt hierzu keine Verbandsleitlinie oder -vorschrift. Die Genossenschaftsbanken stehen somit auch bei der Finanzierung der Wohnungsgenossenschaften im Wettbewerb mit allen anderen Banken. Historisch bedingt ist jedoch die Zusammenarbeit der Wohnungsbaugenossenschaften im Saarland, die Mitglieder unseres Verbandes sind, und der Kreditgenossen vor Ort etwas enger.

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