Genossenschaftsbanken

"Die Stärkung des Verbundes ist ein zentrales strategisches Ziel"

Wie wichtig ist die private Baufinanzierung für die Genossenschaftsbanken?

Die private Baufinanzierung ist für die Genossenschaftsbanken ein strategisch sehr bedeutendes Geschäftsfeld. Im vergangenen Jahr wurde jeder fünfte Kredit für den Wohnungsbau von Privatpersonen durch die Volksbanken und Raiffeisenbanken vergeben. Auch im Hinblick auf Cross-Selling-Aktivitäten ist die Baufinanzierung ein wichtiges Produkt.

Hat das Immobiliengeschäft der Volksbanken und Raiffeisenbanken in Ballungszentren einen anderen Stellenwert als in ländlichen Regionen?

Natürlich existieren unterschiedliche Bedarfssituationen zwischen Stadt und Land. So hat in ländlichen Regionen etwa der Wohnungsneubau eine relativ stärkere Bedeutung als in Ballungszentren. Aber sowohl für Banken in den Ballungszentren als auch in den ländlichen Regionen hat die Immobilienfinanzierung denselben hohen Stellenwert eines Ankerprodukts, durch das sich eine Vielzahl weiterer Kundenkontakte, Beratungsansätze und Produktverkäufe ergeben.

Die Frankfurter Volksbank zeigt exemplarisch, wie die Positionierung in einem wettbewerbsintensiven Vertriebsgebiet sowohl mit städtisch - zum Beispiel Frankfurt, Offenbach oder Hanau - und ländlich geprägten Regionen beispielsweise dem Usinger Land oder Weilmünster - funktionieren kann. Als Testsieger beim Bankenvergleich der Stiftung Warentest hinsichtlich der Beratungsqualität in der Baufinanzierung setzt die Frankfurter Volksbank mit ihrem 24-Stunden-Kredit auf eine schnelle Kreditbearbeitung in der privaten Baufinanzierung und bietet mit ihrer Immobilien Gesellschaft mbH einen individuellen Immobilienservice inklusive aller Dienstleistungen im Bereich Immobilienvermittlungen.

Warum ist die Initiative der Bausparkasse Schwäbisch Hall (BSH), in Ballungszentren bankenunabhängig zu akquirieren, am Widerstand der Ortsbanken gescheitert? War die Gefahr einer Kannibalisierung doch zu groß?

Das ist so nicht richtig. Die Initiative "PKS" ist nicht gescheitert, sondern in der Vertriebsorganisation der Bausparkasse Schwäbisch Hall aufgegangen. Für die BSH war ein eigenständiger Neukundenvertrieb als erster Schritt zur Markterschließung in Ostdeutschland sowie in ausgewählten westdeutschen Ballungsgebieten wichtig und hat zu Marktanteilsgewinnen geführt, die der genossenschaftlichen Bankengruppe zugute kommen. Für die Zusammenarbeit mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken bietet der nun ausgeweitete integrierte Ansatz zusätzliche Vorteile.

Denn die Stärkung des Verbunds insbesondere in den Ballungszentren ist ein zentrales, von den Ortsbanken eingefordertes strategisches Ziel. BVR, Zentralbanken und Verbundunternehmen können mit ihren Leistungsangeboten und Prozessen einen wichtigen Beitrag leisten, damit der genossenschaftliche Finanzverbund seine Marktposition in den Ballungszentren ausbauen kann.

Es geht dabei nicht darum, neue Kunden ausschließlich für ein Verbundunternehmen zu gewinnen - insofern sehe ich auch keine Kannibalisierungsgefahr -, sondern beispielsweise über das Ankerprodukt Bausparvertrag Neukunden an die genossenschaftliche Bankengruppe und damit die Ortsbank heranzuführen. Innerhalb des Verbunds ist abzustimmen, wie die Gewinnung von Neukunden zu gestalten ist, also von der Adressselektion über die Frage der Kundenansprache bis hin zum Cross-Selling. Die operative Führung liegt dabei stets und ausnahmslos bei den Ortsbanken.

Wie viel Neugeschäft haben die Genossenschaftsbanken im Jahr 2007 in der privaten Baufinanzierung akquiriert?

Weitaus mehr als andere Branchenteilnehmer. Der Wegfall steuerlicher Vergünstigungen in den vergangenen Jahren, wie zum Beispiel der Eigenheimzulage, hat es allen Anbietern schwer gemacht. Entgegen diesem Trend konnten Genossenschaftsbanken ihre Bestände an Wohnungsbaukrediten an Privatpersonen von 150,0 Milliarden Euro Ende 2006 auf 153,5 Milliarden Euro Ende 2007 erhöhen, was einer Steigerung von 2,3 Prozent entspricht.

Sind die Margen in der privaten Baufinanzierung auskömmlich?

Die Margen sind auskömmlich, aber aufgrund des starken Wettbewerbs natürlich mit sehr spitzem Bleistift kalkuliert. Wo bestehen im Immobiliengeschäft der Ortsbanken noch Risiken, wo können noch Chancen genutzt werden?

Chancen bieten derzeit Modernisierungsmaßnahmen rund um die Immobilie. Vor allem im Bereich von Energiesparmaßnahmen besteht ein erheblicher Investitionsbedarf. Neue Impulse könnten sich aber auch aus der aktuellen Diskussion über den Verkauf von Immobilienkrediten ergeben.

Hier sehe ich durchaus die Tendenz, dass sich die Verbraucher von vermeintlich günstigen Internetangeboten wieder wegbewegen und stärker auf Beratung und einen verlässlichen lokalen Ansprechpartner vor Ort setzen. Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken ergeben sich daraus große Chancen. So haben wir uns verpflichtet, vertragsgemäß bediente Kredite nicht ohne Zustimmung des Kreditnehmers zu veräußern und haben für diese klare Positionierung großen Zuspruch von Kundenseite erhalten.

Welche Wettbewerber fürchten die Genossenschaftsbanken in der privaten Baufinanzierung am meisten? Wer tut ihnen besonders weh?

Genossenschaftsbanken fürchten keine Wettbewerber; sie stellen sich dem Wettbewerb. Richtig ist aber, dass gerade in der Baufinanzierung eine gnadenlose Konkurrenz herrscht und fast jede Bank in Deutschland auf diesem Geschäftsfeld unterwegs ist beziehungsweise das Angebot von Baufinanzierungsprodukten für den Markteintritt nutzt. Dies sind übrigens keineswegs nur die häufig zitierten ausländischen Kreditinstitute, sondern auch zum Beispiel die Tochtergesellschaften der deutschen Landesbanken, die über Finanzvermittler im Retailgeschäft tätig sind.

Wie ist die Konkurrenz zwischen Volksbanken und Raiffeisenbanken auf der einen und den Sparda- und PSD-Banken auf der anderen Seite in der Verbandsarbeit spürbar? Müssen Sie vermitteln?

Es sind die unterschiedlichen Geschäftsmodelle, die uns innerhalb der genossenschaftlichen Bankengruppe doch klar voneinander unterscheiden. Auch der unterschiedliche werbliche Auftritt hat aus meiner Sicht zu einer deutlichen Entspannung des Verhältnisses beigetragen. Gewisse Reibungen kommen in jeder Familie, in jedem dezentralen Netzwerk vor. Diese haben wir aber bislang immer zur Zufriedenheit aller Seiten gemeinsam lösen können. Im Übrigen konzentrieren wir uns stärker auf die Wettbewerber und unterstützen alle unsere Mitglieder in der Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit vor Ort.

Haben die Genossenschaftsbanken eine schlüssige "Immobilienstrategie"?

Die intensive Marktbearbeitung, die Basis unserer Strategie ist, setzt ein gutes Zusammenspiel zwischen dem stationären und mobilen Vertrieb voraus. Wir bieten dem Kunden eine umfassende Produktpalette, die weit über die eigentliche Immobilienfinanzierung hinausgeht. Sie umfasst die Einbeziehung von Förderkrediten, die Immobilienvermittlung - hier profitieren Kunden in erster Linie von der ausgezeichneten Kenntnis der Ortbanken über die regionalen Immobilienmärkte - sowie weitere Dienstleistungen "rund um die Immobilie", beispielsweise Versicherungen. Beim Vertrieb und in der Produktentwicklung werden die Ortsbanken durch die Verbundunternehmen im genossenschaftlichen Finanzverbund, Bausparkasse Schwäbisch Hall und den genossenschaftlichen Hypothekenbanken unterstützt. Darüber hinaus haben wir mit der Bündelung der privaten Baufinanzierung der Bausparkasse Schwäbisch Hall und der DG Hyp einen weiteren wichtigen Schritt zur Stärkung unserer Wettbewerbsposition in diesem Geschäftsfeld vorgenommen.

Was muss ein Verband insgesamt tun, um die Genossenschaftsbanken im Wettbewerb zu unterstützen?

Die Fachräte des BVR entwickeln Konzepte in allen Wertschöpfungsbereichen für die Ortsbanken, um sie im Wettbewerb mit wirkungsvollen Instrumenten und Strategien zu unterstützen. Den Regionalverbänden kommt in diesem Zusammenhang eine bedeutende Funktion bei der Umsetzung und Beratung dieser Konzepte in ihren Regionen zu.

Wo haben Ihre Mitglieder, wo haben speziell die Banken derzeit den meisten Beratungsbedarf?

Angesichts sinkender Margen und Erträge müssen wir uns konsequenter mit dem Thema Kosten beschäftigen. Wir können uns keine Doppelarbeit mehr leisten. Hier sehe ich den größten Beratungs- und Handlungsbedarf.

Wie positioniert sich der BVR zur Fusion der Genossenschaftsverbände?

Wir unterstützen und begrüßen jede Entscheidung der Genossenschaftsverbände, die den Abbau von Doppelarbeiten zum Ziel hat und einen Mehrwert für die Ortsbanken bedeutet.

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