Leitartikel

Am Ende der Laufzeit

Propere 3,7 Prozent Wachstum sagen die Wirtschaftsweisen für 2010 voraus. Im kommenden Jahr könnten es noch 2,2 Prozent sein. Bei allem Überschwang gilt es den Basiseffekt zu berücksichtigen, denn die Bundesrepublik gehörte zu den am schwersten vom weltweiten Konjunktureinbruch Betroffenen. So hievt der üppige Zuwachs das Bruttoinlandsprodukt gerade einmal auf das Niveau des Jahreswechsels 2006/2007. Wäre es nicht an der Zeit, die Investitions- und Innovationsbereitschaft der Unternehmen politisch zu unterstützen? Folgt man Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus, so hängen die Kraftzentren der deutschen Wirtschaft in Baden-Württemberg und Bayern von der Stromversorgung aus Kernkraft ab, weshalb sich in den politisch maßgeblichen Gremien die Laufzeitverlängerung quasi als Maßnahme zur Wirtschaftsförderung durchsetzen ließ. Dass dabei energetischer Nutzen und ökologische Lasten regional höchst ungleich verteilt sind, erregt im (Wend)Land lautstark die Gemüter.

Derweil siecht in aller Stille ein Produkt vor sich hin, das in den zurückliegenden vier Jahrzehnten tatsächlich zahlreiche Investitionen erst ermöglicht hat, weil es in großen und mittelständischen Unternehmen wertvolles Eigenkapital für Forschung, Entwicklung und Produktion freigesetzt hat: das Immobilienleasing. Zwar hat die Idee, eine Immobilie zu nutzen, als wäre sie im Eigentum, nichts von ihrem Charme verloren, doch wird es für die Unternehmen immer unattraktiver. So schmilzt das bilanzierte Neugeschäft in Deutschland kontinuierlich ab (siehe nebenstehende Daten und Fakten). Dabei haben die Leasinganbieter stets Einfallsreichtum bewiesen. Zügig steckte die Branche den Wegfall von Steuerschlupflöchern und damit das Ende der Leasingfonds weg. Auch die Zinsschranke wurde murrend verdaut.

Doch nicht nur der Staat wühlt am Fundament des Immobilienleasings. Gestiegene Eigenkapitalanforderungen und so manch schmerzhaft an Immobilienfinanzierungen verbrannte Finger lassen die einst fleißig Kredit gebenden Banken heute bei Leasingfinanzierungen zögern. Mehr als 80 Prozent möchte kaum ein Institut finanzieren, doch Immobilienleasing braucht als Non-recourse-Struktur eine Beleihung bis 100 Prozent des Kaufpreises. Dabei gibt sich der "Vater des Immobilienleasings in Deutschland", Klaus Feinen, im Gespräch mit der Redaktion (siehe Seite 790 ff.) alle Mühe, die Banken zu überzeugen, dass die Finanzierung eines Immobilienleasing-Projektes genauso riskant wie ein grundpfandrechtlich besicherter Hypothekenkredit bis 80 Prozent des Beleihungswertes ist, aber einen höheren Ertrag liefert. Genützt haben seine leidenschaftlichen Appelle und Ermahnungen bislang leider wenig. Im Immobilienleasing gibt es eine Kreditklemme.

Weiteres Ungemach droht durch internationale Standardsetzer, denen es ein Bedürfnis ist, die Mängel in der Bilanzierung von Leasinggeschäften mit radikaler Gründlichkeit abzustellen. Dabei brechen sie willentlich mit Bewährtem, indem das Leasingobjekt künftig nicht mehr beim Leasinggeber, sondern beim Leasingnehmer gebucht werden soll, dessen Bilanz sich dadurch erheblich verlängert - mit ungünstigen Folgen für die Eigenkapitalquote. Zu Recht lehnt der Leasingverband den Vorschlag des IAS-Board ab. Dass sich die vermeintlichen Vorteile tatsächlich einstellen, ist höchst fraglich. Weder eine Vereinfachung der Bilanzierung darf erwartet werden, noch würden die Jahresabschlüsse besser vergleichbar (siehe den Beitrag von Ewald Völker, Seite 796 f.). Allerdings ist zu befürchten, dass sich Europa und die Bundesregierung nicht mit der nötigen Vehemenz den Bilanzreformatoren widersetzen werden.

Welcher Immobiliennutzer sollte noch Interesse an einer Konstruktion haben, deren einstige Vorteile in der Besteuerung, der Finanzierung und der Bilanzierung sich mehr und mehr in Nachteile kehren? Allenfalls kleine und mittelständische Unternehmen werden - solange sie nicht nach IFRS bilanzieren - im Immobilienleasing einen Nutzen vermuten (siehe Peter Schmidt-Breitung, Seite 801 f.). Doch reicht das auf Dauer? Die Vielzahl der kleinen, aber auch so manchen großen Leasinganbieter wird dieses kleinteilige, arbeitsintensive Geschäft nicht ernähren können. Vorbei sind die goldenen Zeiten, in denen mit einer Handvoll Eigenkapital Milliarden gestemmt wurden. Doch Vorsicht vor Legendenbildung! Das Immobilienleasing hatte dem konjunkturellen Zyklus der Gesamtwirtschaft folgend schon magerere Jahre. Überlebt hat es bisher noch immer. Deshalb frönt Commerz-Real-Vorstand Andreas Muschter vielleicht nicht nur einem trügerischen Zweckoptimismus, wenn er in diesem Heft (Seite 794 f.) schreibt: "Die neuen Bilanzierungsvorschriften für Leasinggeber und Leasingnehmer sind viel eher als Herausforderung zu verstehen, für die sich Lösungen finden werden." Man wird sehen.

Perspektiven für das Immobilienleasing bietet zumindest der öffentliche Hochbau. Vor allem im Rahmen von Public Private Partnership könnte das Produkt vorteilhaft sein, zumal Leasinganbieter dabei auch stets ihre ergänzenden Kompetenzen wie Baumanagement, Baucontrolling und Finanzierungsberatung einbringen können (siehe den Beitrag von Thomas Rüschen, Seite 798 ff.). Doch auch dieser Markt erfüllt bisher nicht die Erwartungen, weil Behörden um ihren Einfluss fürchten und wohl auch weil einige Entscheidungsträger darin keinen persönlichen, schlimmer noch: materiellen Vorteil sehen. Als "ein gravierendes Problem" bezeichnet der Wirtschaftsprüfer PwC die Kriminalität in deutschen Amtsstuben und beziffert den direkten finanziellen Schaden für die öffentliche Hand auf mindestens zwei Milliarden Euro jährlich. Wettbewerbswidrige Preisabsprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verursachen für den Steuerzahler pro Fall einen durchschnittlichen Schaden von mehr als 2,3 Millionen Euro. So steht Deutschland im Ranking der Antikorruptionsorganisation Transparency International nur auf einem für Industrienationen mittelmäßigen 15. Platz. Abhilfe könnten Public Private Partnerships bieten, weil die Beschaffung als Ganzes an ein privates Konsortium ausgeschrieben wird, das als Generalübernehmer die Einzelaufträge vergibt. Dies wäre für Kommunen mit knappen Kassen eine Möglichkeit, privates Know-how zu nutzen und für das Immobilienleasing eine Chance. Doch dazu braucht es politischen Willen - in Brüssel, in Berlin, in den Ländern und in den Kommunen. Aber vielleicht ist das etwas zu viel verlangt. L. H.

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