Bausparen 2010

Fusion und Migration von Bausparkassen

In den letzten Jahren ist im Bausparmarkt sowohl bei den öffentlichen als auch bei den privaten Bausparkassen eine Konzentrationsbewegung festzustellen. Dies ist nicht zuletzt den gesetzlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen gerade auch im Hinblick auf die Eigenkapitalrichtlinien nach Basel II und den sich daraus ergebenden Anforderungen geschuldet. Im Jahr 2004 hat die BHW Holding AG die in Dortmund ansässige Axa Bausparkasse erworben. Die Verschmelzung auf die zum Konzern gehörende BHW Bausparkasse erfolgte rückwirkend zum 1. Januar 2005. Der zeitliche Ablauf der Migration hat sich in folgenden Schritten vollzogen:

- Aus der rechtlichen Verschmelzung resultierte unmittelbar das Erfordernis, die entsprechenden Daten der ehemaligen Axa Bausparkasse in das Meldewesen und die Bilanzen der BHW Bausparkasse zu integrieren.

- Anlässlich der Übernahme wurde mit dem Axa Konzern eine Vertriebskooperation vereinbart. Seit Jahresbeginn 2005 bietet er seinen Kunden BHW Bauspar- und Baufinanzierungsprodukte an. Der Vertrieb der Axa-Bauspartarife wurde eingestellt, das heißt, nach Bereitstellung der erforderlichen Technik und entsprechenden Schulungsmaßnahmen erfolgte die Umstellung des Neugeschäftes auf die Angebotstarife der BHW Bausparkasse.

- Der Standort Dortmund mit den organisatorischen Prozessen und den ITunterstützenden Systemen der Axa wurde zunächst fortgeführt. Ende 2008 wurde die Sachbearbeitung komplett nach Hameln verlagert.

- Der letzte Schritt - die vollständige technische Migration der Axa-Bestände auf die BHW Systeme und die Verschmelzung der Bausparkollektive - erfolgte zum Jahreswechsel 2009/2010.

In den nachfolgenden Ausführungen werden Vorgehensweise und Erfahrungen aus diesem Projekt skizziert.

Alternativen

Nach den Grundsätzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sind alle Bausparverträge einer Bausparkasse in einem Kollektiv zu führen, um eine Gleichbehandlung der Kunden zu gewährleisten. Daraus folgt im Zuge von Fusionen, dass eine Verschmelzung der beiden Bausparkollektive realisiert werden muss. Die grundsätzlichen technischen Alternativen lassen sich planerisch zu zwei Hauptvarianten zusammenfassen. Dies sind die Integration der Kollektive über die Backend-Systeme auf Basis der bestehenden Buchungssysteme oder die Verschmelzung der Bestände durch Migration.

Die Integration der Kollektive über die Backend-Systeme bietet kurzfristig betrachtet einen signifikanten Kostenvorteil, ist auf einen längeren Zeitraum gesehen jedoch aufwendiger und beinhaltet höhere operationelle Risiken. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die buchenden Systeme der zu integrierenden Bausparkasse weiterhin aufrechterhalten, gewartet und auf neue gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Belange hin angepasst werden müssen. Diese laufenden Kosten können nur durch eine vollständige Migration der Bestände vermieden werden. Im Rahmen einer

Vorstudie hat sich die BHW Bausparkasse nach Betrachtung aller relevanten Prozesse, wie zum Beispiel die Erfassung der Geschäftspartner, Kontoführung Bausparen, Zahlungsverkehr, Sicherheiten, Risikolebensversicherung, Abgeltungssteuer, elektronische Akte et cetera, zu dieser Vorgehensweise entschlossen.

Projektorganisation

Unabhängig davon, dass bereits im Vorfeld Schnittstellen geschaffen wurden, wie zum Beispiel für Meldewesen und Rechnungswesen, sind bei einer Migration nahezu alle Verfahren und Prozesse der Bausparkasse betroffen. Auf Grundlage der in der Vorstudie identifizierten Handlungsfelder und Arbeitspakete waren insgesamt 25 Fachkonzepte zu erstellen. Die wesentliche Herausforderung bestand daher darin, die Projektarbeit so zu organisieren, dass die Themenfelder in ihrer Vielfalt und Vernetzung effizient und stabil abgearbeitet werden konnten.

Die Organisation betreffend wurde dem Rechnung getragen, indem die Projektarbeit von einem aus Fachspezialisten bestehenden Kernprojektteam gesteuert wurde, methodisch und fachlich unterstützt und begleitet durch externe Berater der Firma BGK Böhnke, Gasser, Knußmann & Partner, die über umfassende Erfahrungen in Migrationsprojekten bei Bausparkassen verfügen.

Ebenso wichtig war es, die inhaltliche Arbeit an klaren, für alle Themenfelder verbindlichen Leitlinien zu orientieren, die sich kurz in folgendem Satz zusammenfassen lassen: "Die Migration ist grundsätzlich auf die Produkte, Verfahren, Prozesse und Datenstrukturen der aufnehmenden Bausparkasse auszurichten." Konkret bedeutete dies zum Beispiel, die Prozesse der BHW Bausparkasse werden übernommen. Anpassungen der BHW-Systeme erfolgen nur aufgrund zwingender, nicht veränderbarer vertraglicher Regelungen der Axa, gesetzlicher Vorgaben beziehungsweise Vorgaben der BaFin und aus Historien heraus, die beibehalten und mit den Beständen übernommen werden müssen.

Nach Abschluss der Migration werden alle Axa-Systeme abgeschaltet. Hierfür gelten folgende Rahmenbedingungen:

- Während der Migration sind die Axa-Systeme nicht mehr weiterzuentwickeln. Lediglich zwingende Fehlerbereinigungen und gesetzliche Anforderungen, die noch während der Migration wirksam werden, sind zugelassen.

- Lediglich zur kurzfristigen Unterstützung oder Überbrückung können Auskunftssysteme der Axa für historische Daten noch parallel für etwa drei bis sechs Monate weiter betrieben werden.

- Für die Axa-Systeme ist nach den bilanziellen und steuerrechtlichen Bestimmungen eine IT-technische Sicherung und Langzeitarchivierung durchzuführen.

Übernahme der Bausparverträge

Während Anpassungen der Prozessgestaltung weitgehend in der Autonomie der Bausparkasse liegen, bedarf die Änderung bestehender Bausparverträge und -tarife der Genehmigung durch die BaFin und bezogen auf einige Bestimmungen auch der Zustimmung des Kunden. Die BaFin handelt nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 Satz 2 BSpkG: "Die Genehmigung kann auch mit Wirkung für bestehende Verträge erteilt werden, sofern die Änderungen und Ergänzungen zur hinreichenden Wahrung der Belange der Bausparer erforderlich erscheinen."

Auf dieser Grundlage hat die BaFin eine Umstellung der Axa-Tarife auf das Zuteilungsverfahren (Bewertungsstichtage, Bewertungszahlverfahren und die Zuteilungstermine) der aufnehmenden BHW Bausparkasse genehmigt. Nebenbedingung war, dass sich daraus keine Schlechterstellung des Bausparers ergibt. Die Anpassung der Axa-Tarife ermöglichte es, die Zuteilungsprozesse der BHW Bausparkasse zu nutzen. Andererseits gibt es in tariflichen Kernmerkmalen (Zinssätze, Abschluss- und Darlehensgebühr) weiterhin Abweichungen zu den BHW-Tarifen, sodass nicht der Idealfall gemäß dem oben postulierten Leitsatz - vollständige Anpassung an die Produkte des aufnehmenden Institutes - erreichbar war.

In der Konsequenz bedeutete dies, dass zwar alle sieben Axa-Tarife in das BHW Buchungssystem zu integrieren waren, andererseits aufgrund der Anpassung der Bausparbedingungen die Änderungen der Verfahren - insbesondere das Zuteilungsverfahren - im überschaubaren Rahmen blieben. Die insgesamt 25 Fachkonzepte bildeten die Grundlage für die IT, um in einer sehr stark datenorientierten Form die Transformationsregeln für jedes Datenfeld der Axa zu erstellen.

Technischer Ablauf

Der technische Ablauf der Migration ist dann in folgenden drei Schritten vollzogen worden:

1) Entladen der Datenbestände aus den Datenbanken der Axa. Hier wurden bereits erste Plausibilitätsprüfungen und Transformationen der Daten durchgeführt.

2) Konvertieren der Daten in der Systemumgebung des BHW. Die konvertierten Daten der Axa wurden in Ladedateien für die BHW-Bestände bereitgestellt.

3) Einfügen der konvertierten Datenbestände der Axa entsprechend den technischen Rahmenbedingungen in die Datenbestände der BHW Bausparkasse.

Eine Aufgabenstellung für das Projekt bestand darin, eine umfassende Konzeption für den Test der Migration sowie der zur Integration der Axa-Tarife erforderlichen Anpassung der Verfahren innerhalb der BHW-Systeme zu erarbeiten. Für den Test der Migration wurde die Testabdeckung durch eine Testfallmatrix, mit der die fachlichen Objekte identifiziert und dann in Testfallbeschreibungen umgesetzt wurden, sichergestellt. Mit etwa 400 Testfällen konnte die gesamte Migration in sehr schnellen, zum Teil wöchentlichen Iterationen, getestet werden. Der Test der angepassten BHW-Verfahren wurde im Standard der Verfahren für die jährlichen Releases durchgeführt. Der Gesamtablauf der Migration konnte aufgrund der vorausgegangenen sehr guten Testläufe nach nur zwei Generalproben für die Migration zum 31. Dezember 2009 freigegeben werden. Die Durchführung der Migration zum Jahresende 2009 erforderte eine genaue Abgrenzung der Jahresendarbeiten auf Seiten der Axa und des BHW vor und nach dem Einfügen der Axa-Datenbestände.

Aufgrund der geringen Stückzahl von außerkollektiven Finanzierungen (rund 3 500 Verträge) wurden diese parallel zum IT Projekt - monatlich sukzessive manuell in die BHW-Systeme eingebucht. Entscheidend bei dieser Vorgehensweise war, dass vor dem Zeitpunkt der technischen Migration alle außerkollektiven Darlehen aus dem Altsystem der Axa Bausparkasse in die BHW-Welt übertragen worden waren. Erst nach Abschluss der maschinellen Migration der Bausparverträge konnte bei den bausparunterlegten Finanzierungen die Verbindung zwischen außerkollektiver Finanzierung und zugehörigem Bausparvertrag wiederhergestellt werden.

Bei der Anpassung der Bausparbedingungen war neben der Genehmigung der BaFin für bestimmte geänderte Paragrafen der Allgemeinen Bausparbedingungen die Zustimmung des Kunden erforderlich. Diese wurde über eine gesonderte Information sichergestellt, in der die neue Vertragsnummer und die veränderten Zahlungswege kommuniziert wurden. Diese Information konnte adressatengerecht aufbereitet werden, sodass jeder Bausparer nur die Informationen erhalten hat, die auf den von ihm abgeschlossenen Bausparvertrag zutreffen.

Elektronisches Archiv

Zur Erleichterung der künftigen Sachbearbeitung wurden im Anschluss an die erfolgreich durchgeführte Migration etwa 4,3 Millionen aktive Dokumente und 16,7 Millionen inaktive Dokumente aus Geschäftsvorfällen der Axa Bausparkasse in das elektronische Archiv der BHW Bausparkasse eingespielt. Dies ermöglicht auch in Zukunft eine "aktenlose Sachbearbeitung" für die übernommenen Spar- und Darlehensverträge. Für einen Zeitraum von rund drei Monaten wurden die Altsysteme der Axa Bausparkasse als Backup zur Beauskunftung aufrecht erhalten. Während dieses Zeitraumes wurden noch sukzessive Altdokumente von inaktiven Verträgen in das elektronische Archiv übernommen. Nach Ende dieser Phase wurde das Altsystem endgültig abgeschaltet.

Die Axa-Bestände sind in dem vorgesehenen Zeitplan nach eineinhalbjähriger Projektarbeit vollständig in die BHW-Systeme integriert worden. Dabei wurden über 130 000 Axa-Bausparkonten mit rund 30 000 Bauspardarlehen, mehr als 150 000 Geschäftspartner, 15 000 Risikolebensversicherungen, über 160 000 Freistellungsaufträge, 270 000 Wohnungsbauprämienanträge und mehr als 20 000 Sicherheiten technisch in den BHW-Bausparbestand überführt. Die bei dieser Migration entwickelten Konzepte und Verfahren haben sich in der Praxis bewährt. Fachlich und technisch wurden Grundlagen gelegt, um eine weitere Migration schnell und wirtschaftlich durchführen zu können.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X