Schwerpunkt: Bewertung und Prognose

Das Immobilien-Performance-Rätsel: Ist langfristig eine negative Wertänderungsrendite der Immobilie immanent?

Der deutsche Immobilien-Investmentmarkt konnte in den letzten Jahren sowohl bei vielen nationalen als auch internationalen Investoren durch seine Stabilität punkten. Nicht nur das "Marktgefühl" vieler Anleger, sondern auch verschiedene Indizes von Research- und Beratungshäusern zeigen eine positive Marktentwicklung und die Erwartung steigender Immobilienwerte. Dagegen weist der Dix Deutscher Immobilien Index der IPD Investment Property Databank GmbH für die letzten zehn Jahre kontinuierlich negative Wertänderungsrenditen für den institutionellen Immobilien-Investmentmarkt aus.

Damit ist zu hinterfragen, wie diese unterschiedlichen Sichtweisen beziehungsweise die Unterschiede zwischen "Marktwahrnehmung" und erhobenen Marktdaten zu erklären sind und welche Schlussfolgerungen für die Bedeutung der Wertentwicklung bei Immobilieninvestments zu ziehen sind. In diesem Rahmen werden auch Vergleiche mit anderen europäischen Märkten gezogen, um Erklärungen für dieses "Performance-Rätsel" zu finden.

Gründe für unterschiedliche Wahrnehmungen

IPD Investment Property Databank GmbH veröffentlicht jährlich den Dix Deutscher Immobilien Index, welcher die Performance der Immobilieninvestments institutioneller Investoren in Deutschland abbildet. Die Performance, dargestellt durch den Total Return, setzt sich zusammen aus der Wertänderungsrendite und der Netto-Cash-Flow-Rendite. Dabei bezeichnet die Wertänderungsrendite die prozentuale Veränderung des Marktwertes einer Immobilie beziehungsweise eines Portfolios innerhalb einer Periode, während die Netto-Cash-Flow-Rendite die Netto-Mieteinnahmen in Relation zum gebundenen Kapital setzt.

Die analysierten Daten bezieht IPD direkt von den institutionellen Investoren. Es handelt sich um Bewertungsdaten der in der Regel jährlich erfolgenden Bewertung der Objekte. Der Dix bildet die Performance der direkt gehaltenen Bestandsobjekte ab, sodass An- und Verkäufe sowie Projektentwicklungen nicht in die Berechnung eingehen.

In Abbildung 1 ist der Verlauf von Total Return, Wertänderungs- und Netto-Cash-Flow-Rendite für den deutschen Immobilienmarkt seit 1989 dargestellt. Auffällig ist der leichte Abwärtstrend von Total Return und Wertänderungsrendite seit Beginn der neunziger Jahre, während die Netto-Cash-Flow-Rendite im Betrachtungszeitraum nur geringen Schwankungen unterlag und auf einen Niveau von rund fünf Prozent pro Jahr verharrte.

Wertänderungsrendite als entscheidende Größe

Die entscheidende Größe ist somit die Wertänderungsrendite, die seit dem Jahr 2002 permanent im negativen Bereich liegt, was bedeutet, dass für den Gesamtmarkt institutionell gehaltener Bestandsobjekte Abwertungen stattgefunden haben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Abbildung 1 die Entwicklung der Performance-Kenziffern über alle Nutzungsarten zeigt. Daher ist es aufschlussreich, den Trendverlauf bei

Immobilien verschiedener Nutzungsarten über die letzten Jahre zu verfolgen. Abbildung 2 unterscheidet die Wertänderungsrendite von Handels-, Büro, Industrie- und Wohnimmobilien, wobei die Werte auf das Jahr 1995 indexiert sind.

Die Differenzierung nach Nutzungsarten zeigt nicht nur für den Gesamtmarkt, sondern auch für die gewerblichen Nutzungen Büro, Handel und Industrie/Logistik seit 1995 eine fortlaufend negative Entwicklung, auch wenn in einzelnen Jahren positive Wertänderungen zu verzeichnen waren. Deutlich stärker präsentiert sich das Segment gewerblicher Wohninvestments, welches 1995 bis 2005 wenig Veränderungen zeigte, aber nachfolgend durch den Boom bei Wohninvestments - zunächst durch opportunistische, vielfach ausländische Investoren, heute eher durch konservative Anleger - zwischen 2005 und 2010 in der Wertentwicklung um insgesamt rund 7,5 Prozentpunkte zugelegt hat.

Eine notwendige Unterscheidung hinsichtlich der Performance hat auch zwischen den einzelnen Portfolios beziehungsweise einzelnen Objekten zu erfolgen. Anlageerfolge einiger Marktteilnehmer lassen sich nicht durch die Abbildung des Gesamtmarktes darstellen respektive werden von schlechter Performance anderer Portfolios überdeckt.

In Abbildung 3 werden die Spannbreiten der Wertänderungsrenditen der Portfolios abgebildet, die am Portfolio Analyse Service der IPD teilnehmen. Aus Gründen der Vertraulichkeit sind die obersten und untersten fünf Prozent der Stichprobe nicht dargestellt. In die hier untersuchten Performancedaten gehen neben den Ergebnissen der Bestandsobjekte auch die Wertänderungen des jeweiligen Portfolios durch Zu- und Verkäufe ein. Dadurch sind größere Schwankungen im Vergleich zur Betrachtung reiner Bestandsportfolios möglich; die Darstellung ist jedoch geeignet, um die Differenzierung zwischen einzelnen Portfolios zu verdeutlichen.

Portfoliobetrachtung

Im Ergebnis zeigt sich eine zum Teil starke Spreizung der Wertänderungsrenditen in den einzelnen Jahren mit der Betonung, dass einige Portfolios signifikant positive Wertänderungsrenditen erreichen. Ein Blick auf den jeweiligen Median deutet hingegen darauf, dass die Mehrzahl der Portfolios leicht negative Wertänderungen zu verzeichnen hat. Besondere Bedeutung kommt jedoch dem Befund zu, dass sich auch in einem negativen allgemeinen Markt einige Anleger respektive die von ihnen gemanagten Portfolios deutlich besser entwickeln und positive Wertänderungsrenditen realisieren können. Dieser Befund verdeutlicht die Schwierigkeit, generelle Aussagen zu Entwicklung und Erfolg von Investments in einem Markt über einen Index allein abzubilden, da im Einzelfall deutlich abweichende Ergebnisse auftreten können.

Mit der Betrachtung von Dix Deutscher Immobilien Index werden die Performance und die Wertänderung von Bestandsimmobilien beziehungsweise -portfolios dargestellt. In Abhängigkeit von Alter und Entwicklungsgeschichte der Portfolios können in einem solchen Portfolio Objekte enthalten sein, die über Jahre und Jahrzehnte im Bestand verblieben sind und gegebenenfalls - abhängig von Aufwendungen für Instandhaltung und Modernisierung - nicht mehr vollständig marktfähig sind respektive modernen Anforderungen nicht mehr entsprechen.

Damit können solche Bestandsportfolios in Gegensatz zu Portfolios (und deren Anlageerfolg) stehen, die eine Historie von wenigen Jahren haben und eventuell unter einem kurzfristigen opportunistischen Ansatz aufgebaut worden sind. Dies muss nicht notwendigerweise der Fall sein, kann aber ein Erklärungsansatz für die Tatsache sein, dass einige Marktteilnehmer/Investoren ein deutlich positiveres Bild von ihrem Anlageerfolg und den erzielten Wertänderungen zeichnen, als dies durch den Dix Deutscher Immobilien Index ausgedrückt wird.

Mit Blick auf Indizes, die vor allem das aktuelle Marktgeschehen abbilden, ist zu berücksichtigen, dass vielfach sehr junge Objekte mit langfristigen Mietverträgen und anderen "idealtypischen" Merkmalen gehandelt werden und somit von den Indizes die Spitze des Marktes abgebildet wird. Sie stehen vielfach in einem nicht zu vernachlässigenden Gegensatz zum Dix Deutscher Immobilien Index.

Im europäischen Vergleich

Neben einem tieferen Blick in die nationale Investmentlandschaft soll zur Verdeutlichung und Einordnung von Bedeutung und Entwicklung der Wertänderungsrendite auch ein europäischer Vergleich dienen, bei dem die Entwicklung in Großbritannien beispielhaft, zum Teil etwas überzeichnet, herausgegriffen werden soll. Der Immobilienmarkt in Großbritannien gilt allgemein als volatiler, von deutlichen Zyklen gekennzeichneter Markt, der Investoren attraktive Anlagemöglichkeiten bietet.

Abbildung 4 zeigt die Wertänderungsrenditen über alle Nutzungsarten für die großen europäischen Immobilienmärkte im Vergleich. Während der deutsche Markt eine stabile, wenn auch negative Rendite schreibt, weisen die übrigen Märkte deutlich stärkere Schwankungen auf; Ausnahme ist die Schweiz mit durchgehend leicht positiven Wertänderungen. Besonders hervorzuheben ist der Markt in Großbritannien mit einer massiven Abwertung der Immobilien im Jahr 2008 (minus 26,3 Prozent). Dagegen haben die Investoren in den Boomjahren 2005 bis 2007 analog zu Großbritannien auch an den Märkten in Frankreich, Schweden oder Spanien Wertsteigerungen im zweistelligen Bereich einfahren können.

Am Beispiel des 10-Jahres-Zeitraums 2001 bis 2010 wird jedoch deutlich, dass der Immobilienmarkt in Großbritannien im europäischen Vergleich lediglich eine moderate jährliche Wertänderungsrendite von etwa 1,4 Prozent erreichte. Die Märkte Niederlande, Spanien und vor allem Frankreich wiesen höhere Steigerungsraten auf (siehe Abbildung 5). Deutschland ist unter den großen europäischen Märkten der einzige Markt mit einer negativen Wertänderung. Allerdings sollten unter Risikoaspekten die Marktschwankungen nicht unberücksichtigt bleiben. Während die Volatilität am deutschen Markt - ähnlich der Schweiz - sehr gering ist, sind die Schwankungen nicht nur in Großbritannien, sondern auch in Frankreich, Spanien oder Schweden deutlich ausgeprägt.

Investoren stehen in diesen Märkten deutlich stärker als in Deutschland vor der Herausforderung, mit Trading-Strategien Marktchancen zu nutzen, während der deutsche Markt tendenziell für den Aufbau eines Bestandsportfolios geeignet erscheint. Die Notwendigkeit, an einem volatilen Markt wie in Großbritannien den richtigen Zeitpunkt zu An- und Verkauf zu finden, verdeutlicht Abbildung 6 für den Bürosektor. Die Immobilie respektive das Portfolio eines Investors, der im Jahr 1989 - zugegeben am Höhepunkt eines Booms - in den Markt einstieg, verlor im nachfolgenden Abschwung massiv an Wert und konnte erst rund 15 Jahre später im Jahr 2006 den Verkehrswert zum Kaufzeitpunkt wieder erreichen. Durch die Abkühlung im Zuge der Finanzkrise fällt der Marktwert bis ins Jahr 2010 auf rund 75 Prozent des Kaufpreises. Zu berücksichtigen ist in dieser Betrachtung, dass die dargestellten Werte nicht inflationsbereinigt und somit real höhere Wertverluste eingetreten sind.

Ein Investment in deutsche Büroimmobilien hätte im gleichen Zeitraum ebenfalls einen deutlichen Wertverlust gebracht, der allerdings mit minus 20 Prozent etwas geringer ausgefallen wäre. Auch wenn in diesem Fall Werte für den jeweiligen Gesamtmarkt genutzt werden, die sich nur bedingt auf individuelle Portfolios anwenden lassen, so können einige bemerkenswerte Rückschlüsse über die Bedeutung von Wertänderung einer Immobilie auf der einen Seite, dem laufenden Cash-Flow beziehungsweise der Netto-Cash-Flow-Rendite auf der anderen Seite gezogen werden.

Immobilien als "Verzehrgut"

Nicht nur die negativen Wertänderungsrenditen in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern, die insbesondere bei Berücksichtigung der Inflation zu verzeichnen sind, sollten vor allem langfristig orientierte Investoren dazu anhalten, bei Immobilieninvestments weniger auf Wertsteigerungen zu setzen, sondern solide Netto-Cash-Flow-Renditen zu erzielen. Der Anleger sollte Immobilien als "Verzehrgut" verstehen, was bedeutet, dass über den Lebenszyklus einer Immobilie die Jahre mit negativer Wertänderung dominieren.

Nimmt man das Beispiel von Büroimmobilien, so unterliegen diese hauptsächlich in den großen Wirtschaftszentren mit einem ausgeprägten Mietmarkt einer laufenden, starken Konkurrenz durch neue Objekte. Für ältere beziehungsweise älter werdende Bestandsobjekte stellt sich nach Auszug von Mietern die Herausforderung einer adäquaten Nachvermietung. Ohne erhebliche Modernisierungsmaßnahmen dürfte ein Eigentümer kaum das Mietniveau von Neubauimmobilien erzielen können (auch unter der Voraussetzung, dass gerade die Bürovermietungsmärkte strukturellen Herausforderungen wie einem tendenziell sinkenden Flächenbedarf pro Kopf ausgesetzt sind). Die Folgen einer verkürzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer von gewerblich genutzten Immobilien - 30 Jahre sind realistisch - lassen sich anhand eines fiktiven Beispiels veranschaulichen.

Unter der Annahme, dass das Verhältnis von Gebäudewert zu Grundstückswert bei einem (Büro-)Objekt bei 2 zu 1 liegt, verliert das Objekt bei linearer Abschreibung jährlich 3,3 Prozent, die Liegenschaft somit insgesamt 2,2 Prozent pro Jahr. Führt man einen solchen Gedankengang zu Ende, so überrascht es nicht, wenn gewerbliche Immobilien jährlich eine leicht negative Wertänderungsrendite aufweisen.

Im Rückschluss bedeutet dies, dass die Netto-Cash-Flow-Rendite die negative Wertänderungsrendite zu kompensieren hat und ein Investor stabilen (Netto-) Mieterträgen Priorität gewähren sollte. Diese Schlussfolgerung ist vor allem von langfristigen Bestandsinvestoren zu verfolgen, während es aus Sicht tradingorientierter Anleger berechtigt sein kann, unter Nutzung von Marktzyklen auskömmliche Renditen mit einer Strategie steigender Immobilienwerte zu erreichen. Da ein Investor langfristig nicht damit rechnen sollte, durch eine positive Wertänderungsrendite seine Gesamtrendite erhöhen zu können, muss er sich die Frage stellen, ob mit der Netto-Cash-Flow-Rendite die Immobilienrisiken adäquat kompensiert werden.

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