Kapitalmarkt

Inhalt und Wirkung der BelWertV

Der Immobilienbewertung kommt im Rahmen der Immobilienfinanzierung
eine bedeutende Rolle zu. Der Immobilienwert als Wert der
Kreditsicherheit ist wesentlich für die Risikobeurteilung und
-steuerung und damit auch relevant für die Höhe der Refinanzierungs-
und Eigenkapitalkosten. Insbesondere für Pfandbriefemittenten nimmt
der Beleihungswert einen hohen Stellenwert ein, da er maßgeblich die
Sicherheit des Deckungsstockes beeinflusst. Anders als der
stichtagsorientierte Marktwert soll der Beleihungswert einen
langfristig, das heißt während der gesamten Kreditlaufzeit,
erzielbaren Wert darstellen. Er bildet damit die langfristige
Untergrenze des Wertes der finanzierten Immobilie.
\
Zur Regelung des Beleihungswertes hat die BaFin die
Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) erlassen. Die BelWertV
regelt erstmals für alle Pfandbriefemittenten einheitlich und
transparent die Anforderungen an die Qualität der Gutachter und die
Methodik der Beleihungswertermittlung. Sie tritt am 1. August 2006 in
Kraft.
\
Funktion des Beleihungswertes
\
Grundsätzlich ist der Beleihungswert ein im Rahmen einer vorsichtigen
Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit unter Berücksichtigung der
langfristigen und nachhaltigen Merkmale eines Objektes ermittelter
Wert. Die Beleihungswertmethodik betrachtet die einzelnen
Bewertungsparameter primär unter Risikogesichtspunkten.
\
Die Beleihungswertermittlung dient dem Ziel, festzustellen, welcher
Betrag eines Hypothekarkredites für die Deckungsmasse von Pfandbriefen
verwendet werden darf. Zulässig ist eine Verwendung von 60 Prozent des
Beleihungswertes für die Pfandbriefdeckung. Der Beleihungswert bildet
somit eine wichtige Säule der Qualität von Pfandbriefen. Aber auch
Banken, die keine Pfandbriefe emittieren, müssen, sofern sie die
Realkrediterleichterungen im Kreditwesengesetz in Anspruch nehmen, den
Beleihungswert gemäß § 16 Abs. 1 und § 16 Abs. 2 PfandBG als
Berechnungsgrundlage verwenden.
\
Der Beleihungswert im Hypothekenbankgesetz
\
Die Nachhaltigkeit des Beleihungswertes führt zudem dazu, dass der
Beleihungswert nicht dem Konjunkturverlauf folgt, sondern als
stabilisierende Linie im Auf und Ab des Marktes verharrt. Diese Art
der Wertermittlung führt zu einer vorsichtigen und
konjunkturunabhängigen Beleihung von Immobilien. Eine Überhitzung der
Immobilienmärkte durch zu expansive Kreditvergabe wird dank des
Beleihungswertes vermieden1).
\
Auch vor Inkrafttreten der BelWertV war der Beleihungswert die
Bezugsgröße für Immobilienwerte, die von privaten Hypothekenbanken als
Sicherheiten für die Pfandbriefdeckung genutzt wurden. Die
Anforderungen an den Beleihungswert wurden im Hypothekenbankgesetz
(HBG) geregelt. Die Rechtsgrundlage des Beleihungswertes, der § 12
HBG, verwendete jedoch nicht explizit den Begriff des
Beleihungswertes, sondern sprach von einem "bei der Beleihung
angenommenen Wert". Diese Formulierung verdeutlicht, dass es sich bei
dem Beleihungswert um einen subjektiv von der Bank angenommenen Wert
handelt.
\
Dieses Werturteil des Kompetenzträgers der Bank, der so genannte
"festgesetzte Beleihungswert", sollte nach § 12 HBG den durch
sorgfältige Ermittlung festgestellten Verkaufswert nicht
überschreiten. Mit Verkaufswert war hier jedoch nicht der Marktwert
gemeint, sondern der Wert, der jederzeit für die Pfandbriefdeckung
bereit steht: der konjunkturunabhängige, langfristig erzielbare Wert
im freihändigen Verkauf; folglich der vom Gutachter "ermittelte
Beleihungswert".2)
\
Die Regelung der Methodik der Beleihungswertermittlung erfolgte gemäß
§ 13 HBG aus von den Instituten zu erlassenden und von der BaFin
abzustimmenden Wertermittlungsanweisungen. Obwohl die Differenzen
zwischen den einzelnen Wertermittlungsanweisungen in den letzten
Jahren stark abnahmen, sind weiterhin marginale Unterschiede
vorhanden. Es fand auch keine Veröffentlichung der
Wertermittlungsanweisungen statt, hier handelte es sich um rein
interne Richtlinien der Banken.
\
Die individuellen Wertermittlungsanweisungen bildeten die Grundlage
der Beleihungswertüberprüfungen durch die Bankaufsicht. Im Rahmen
dieser, in den Pfandbriefbanken regelmäßig stattfindender
Deckungsprüfungen wird von der BaFin kontrolliert, ob die
Werthaltigkeit der in die Deckungsmasse der Pfandbriefe eingestellten
Immobiliensicherheiten richtig bemessen ist.
\
Pfandbriefgesetz und BelWertV
\
Mit dem neuen Pfandbriefgesetz (Pfand-BG) wurde eine einheitliche
Emissionsgrundlage für öffentliche und private Pfandbriefemittenten
geschaffen und die bisherigen Emissionsgrundlagen für
Hypothekenpfandbriefe, das Gesetz über Pfandbriefe und verwandte
Schuldverschreibungen (ÖPG) und das Hypothekenbankgesetz, abgelöst.3)
Das am 19. Juli 2005 in Kraft getretene Pfandbriefgesetz regelt den
Beleihungswert folglich einheitlich für alle Pfandbriefemittenten,
unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentlich-rechtliche
Emittenten handelt.
\
Die Definition des Beleihungswertes erfolgt in § 16 Abs. 2 PfandBG.
Zudem wird in § 16 Abs. 1 PfandBG festgelegt, dass der Beleihungswert
durch einen unabhängigen Gutachter zu ermitteln ist. § 16 Abs. 4
PfandBG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen in
Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Justiz zum Erlass einer
Verordnung zur Regelung der Einzelheiten der Methodik und Form der
Beleihungswertermittlung sowie der Mindestanforderungen an die
Qualifikation der Gutachter. Die Ermächtigung zum Erlass der
Rechtsverordnung wurde vom Bundesfinanzministerium auf die BaFin
übertragen. Die BelWertV wurde am 22. Mai 2006 im Bundesgesetzblatt
veröffentlicht. Sie tritt am 1. August 2006 in Kraft und löst die
bilateral mit der BaFin abgestimmten Wertermittlungsanweisungen nach §
13 HBG ab.
\
Regelungsinhalt der neuen BelWertV
\
Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V.hat in seinen Gremien
seit Mitte der neunziger Jahre kontinuierlich die Methodik der
Beleihungswertermittlung analysiert und allgemeine Standards
erarbeitet.4) Die BelWertV basiert im Wesentlichen auf diesen und in
den Deckungsprüfungen entwickelten Grundsätzen der
Beleihungswertermittlung. Zum Teil geht die BelWertV über die
bisherigen Anforderungen hinaus, zum Teil wurden auch Erleichterungen
gestattet.
\
Die BelWertV besteht aus vier Teilen. Im ersten Teil werden allgemeine
Bestimmungen und Grundsätze festgelegt. In diesem Teil regelt die
BelWertV unter anderem den Anwendungsbereich der Verordnung, den
Gegenstand der Wertermittlung und die zulässigen Verfahren zur
Beleihungswertermittlung. Die BelWertV fordert grundsätzlich die
Anwendung des Sachwertverfahrens und des Ertragswertverfahrens. Bei
Wohn- und Teileigentum sowie bei Ein- und Zweifamilienhäusern mit
ausreichender Datengrundlage ist auch die Anwendung des
Vergleichswertverfahrens möglich.
\
Teil 2 der BelWertV legt die Anforderungen an Gutachten und Gutachter
fest. Hervorgehoben werden sollte, dass nun eindeutig geregelt ist,
dass vom Kunden eingereichte Gutachten nicht Grundlage der
Beleihungswertermittlung sein dürfen. Auch die Anforderungen an die
Qualifikation der Gutachter wurden präzisiert. Der Gutachter muss über
eine Ausbildung und besondere berufliche Kenntnisse sowie Erfahrung
auf dem Gebiet der Immobilienbewertung besitzen. Sofern der Gutachter
über eine Zertifizierung nach ISO 17024 von einer akkreditierten
Stelle verfügt, wird diese erforderliche Qualifikation vermutet.
\
Die Bank hat sich jedoch auch bei zertifizierten Gutachtern davon zu
überzeugen, dass der Gutachter über besondere Kenntnisse auf dem
Gebiet der Beleihungswertermittlung verfügt. Diese hervorgehobene
Stellung zertifizierter Gutachter ist eine Neuerung der BelWertV. Sie
greift jedoch nur die in der Praxis bereits erfolgte Entwicklung mehr
als 500 Gutachter wurden bereits nach der ISO 17024 von der Hypzert
GmbH für Beleihungswertermittlungen zertifiziert - auf und gesteht bei
Vorhandensein dieses Qualitätsnachweises Erleichterungen zu. In § 7
BelWertV wird die Unabhängigkeit des Gutachters geregelt. Deutlich
wird, dass der Gutachter sowohl persönlich (§ 7 Abs. 1 BelWertV) als
auch organisatorisch (§ 7 Abs. 2 BelWertV) unabhängig sein muss.
Organisatorische Unabhängigkeit bedeutet bei bankinternen Gutachtern,
dass sie nicht Mitarbeiter der Bereiche sein dürfen, die
Kreditentscheidungen treffen. Bei externen Gutachtern wird die
organisatorische Unabhängigkeit vorausgesetzt.
\
In Teil 3 der BelWertV werden die Wertermittlungsverfahren geregelt.
Im Wesentlichen wird auch hier auf die bereits bewährten Grundsätze
der Beleihungswertermittlung nach Hypothekenbankgesetz
zurückgegriffen. Hingewiesen werden sollte an dieser Stelle aber auf
den § 13 BelWertV, die Ermittlung des Ertragswertes in besonderen
Fällen. Der § 13 BelWertV kennt drei dieser besonderen Fälle.
\
- Der erste Fall bezieht sich auf Objekte, bei denen nach Abzug der
Bodenwertverzinsung kein oder ein negativer Reinertrag verbleibt. Hier
ist dann der Bodenwert gemindert um die Abbruchkosten als
Beleihungswert anzusetzen.
\
- Als zweiter besonderer Fall werden Objekte mit einer
Restnutzungsdauer von weniger als 30 Jahren identifiziert. Hier ist
alternativ der Ertrag ohne gesonderten Ansatz des Bodenwertes auf die
verbleibende Restnutzungsdauer zu kapitalisieren oder eine
Ertragswertermittlung mit Ansatz des Bodenwertes durchzuführen und der
sich ergebende Ertragswert um die Abbruchkosten zu mindern.
\
- Im dritten Absatz des § 13 BelWertV wird festgelegt, dass bei
Objekten, deren Bodenwert mehr als 50 Prozent des Ertragswertes
ausmacht, die zugrunde gelegten Annahmen besonders zu begründen und
gegebenenfalls die Voraussetzungen für eine Ersatzbebauung zu
überprüfen sind.
\
- Im § 13 BelWertV wird deutlich über die bisherigen Anforderungen
hinausgegangen, insbesondere bei Berücksichtigung der
Wechselwirkungen, die sich aus den neu festgesetzten Nutzungsdauern
der Anlage 2 der BelWertV ergeben. Hier sind für einige
Gewerbeimmobilien maximal zulässige Nutzungsdauern von 30 Jahren
angesetzt.
\
Dies würde bedeuten, dass zum Teil bereits für Neubauten, mit einem
Alter von weniger als fünf Jahren, der Beleihungswert gemäß § 13 Abs.
2 ermittelt werden müsste.
\
In § 24 BelWertV werden Erleichterungen für überwiegend zu Wohnzwecken
dienende Objekte geregelt. Bis zu einer Darlehenshöhe von 400 000 Euro
(vormals 306 000 Euro), der so genannten Kleindarlehensgrenze, kann
eine vereinfachte Wertermittlung vorgenommen werden. Dies bedeutet
einerseits den Verzicht auf ein umfangreiches Wertgutachten.
Andererseits kann die Wertermittlung durch einen geschulten und
qualifizierten Kreditsachbearbeiter, der unabhängig von der
abschließenden Kreditentscheidung ist, vorgenommen werden.
\
Die Anforderungen an ausländische
\
Wertgutachten werden in § 25 BelWertV geregelt. Hier ist neu, dass
eindeutig festgelegt ist, dass für die Beleihungswertermittlung
zugrunde gelegte Marktwertgutachten nicht älter als zwei Jahre sein
dürfen.
\
Die BelWertV begründet erstmals Überprüfungspflichten für
Beleihungswerte. In § 26 BelWertV wird ausgeführt, dass bei einer
deutlichen Verschlechterung des lokalen Marktes, die sich in einem
signifikanten Sinken des Preisniveaus widerspiegelt, die Grundlagen
der Beleihungswertermittlung zu überprüfen sind.
\
Darüber hinaus sind bei nicht eigengenutzten Wohnimmobilien die
Annahmen des Beleihungswertes zusätzlich bei Leistungsstörungen von
mehr als 90 Tagen zu überprüfen.
\
Neu sind auch Erleichterungen für Kooperationen oder
Portfolioübernahmen. Sofern bereits der BelWertV entsprechende
Wertermittlungen von Banken oder Versicherungen vorliegen, reicht eine
Plausibilitätsprüfung der Gutachten aus. Eine erneute
Beleihungswertermittlung aller im Portfolio enthaltenen Immobilien ist
bei positiver Plausibilitätsprüfung gemäß § 5 Abs. 2 BelWertV und § 24
Abs. 4 BelWertV nicht erforderlich.
\
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass trotz vereinzelter
Kritikpunkte an der vorgelegten Verordnung eine Steigerung der
Transparenz durch einheitliche Bewertungsmaßstäbe im
kreditwirtschaftlichen Bereich zu erwarten ist. Für
Pfandbriefgläubiger bedeutet die Verordnung eine bessere
Vergleichbarkeit der Deckungsmassen, da nun einheitliche
Bewertungsgrundsätze anzuwenden sind.
\
Behandlung von Plattenbauten
\
Heftige Diskussionen gab es in der Fachwelt um die Behandlung von
Plattenbauten in der BelWertV. Im ersten Entwurf der BelWertV wurden
für Plattenbauten gesonderte Bandbreiten für
Mindestkapitalisierungszinsen und Nutzungsdauern ausgewiesen. Diese
Bandbreiten lagen deutlich über beziehungsweise unter den Bandbreiten
"normaler" Wohngebäude.
\
Die Kreditwirtschaft wies im Schulterschluss mit der deutschen
Wohnungswirtschaft deutlich darauf hin, dass hier eine Diskriminierung
einer einzelnen Gebäudeart erfolge. Zudem konnte die generelle
Risikohaftigkeit von Plattenbauten nicht bestätigt werden. Das häufig
gezeichnete Negativbild der industriellen Großsiedlungen in der
Peripherie stimmt nicht immer mit der Wirklichkeit voll vermieteter
beliebter innenstädtischer Plattenbauten überein.
\
In der endgültigen Fassung der BelWertV wurde die Kritik der Verbände
berücksichtigt. Für Plattenbauten werden nun keine gesonderten Zinsen
und Nutzungsdauern ausgewiesen. Stattdessen wurden die Bandbreiten für
Wohngebäude deutlich erweitert. Dieser Kompromiss ermöglicht, für
Plattenbauten entsprechend ihrer Marktgängigkeit und ihres
Vermietungsstands angemessene Beleihungswerte zu ermitteln.
\
Die BelWertV stellt zweifellos einen wichtigen Beitrag zur Steigerung
der Transparenz der kreditwirtschaftlichen Immobilienbewertung und
deshalb eine Effizienzsteigerung des deutschen Finanzmarktes dar. Der
vdp hat sich bereits in der Vergangenheit intensiv für eine
einheitliche Grundlage der Wertermittlung für Pfandbriefe eingesetzt
und begrüßt daher den Erlass der Verordnung.
\
Bedauerlich ist jedoch, dass die Kreditwirtschaft die Gelegenheit
nicht wahrgenommen hat, mit der BelWertV eine für alle Kreditinstitute
verbindliche Grundlage der Beleihungswertermittlung zu schaffen.
Dieser bindende Charakter, die so genannte Allgemeinverbindlichkeit
der BelWertV, hätte gewährleistet, dass nicht nur Pfandbriefbanken,
sondern alle Banken die an den Beleihungswert geknüpfte
Erleichterungen in Anspruch nehmen, ein einheitliches
Beleihungswertkonzept anzuwenden hätten und der Beleihungswert nicht
nur transparent, sondern auch einheitlich definiert gewesen wäre.
\
Auch in Zukunft ist davon auszugehen, dass Markt- und Beleihungswert
eine wichtige Rolle im Rahmen der Immobilienfinanzierung spielen. Der
Marktwert bleibt eine wesentliche Kenngröße der Banken für die
Einschätzung kurzfristiger Risiken, wie zum Beispiel im Rahmen der
Eigenkapitalunterlegung benötigt.
\
Aber auch um einen Beleihungswert zu ermitteln, muss der Gutachter
genaue Kenntnisse über den Markt haben, weswegen § 16 Abs. 2 PfandBG
neben der Ermittlung eines Beleihungswertes auch die Ermittlung eines
Marktwertes fordert. Um das langfristige Sicherungspotenzial einer
Immobilie abschätzen zu können, ist hingegen die nachhaltige
Sichtweise des Beleihungswertes gerade für langfristige
Immobilienkredite ausschlaggebend.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X