Bewertungsfragen

Die neue Verordnung zur Ermittlung des Beleihungswertes von Schiffen

Der Schiffspfandbrief ist neben dem Hypothekenpfandbrief und dem Öffentlichen Pfandbrief die dritte Pfandbriefgattung nach dem Pfandbriefgesetz (Paragraf 1 Abs. 1 Nr. 3 PfandBG)1). Bislang führte der Schiffspfandbrief nur ein Nischendasein. Nachdem nunmehr aufgrund der Aufhebung des Spezialbankprinzips durch das am 19. Juli 2005 in Kraft getretene Pfandbriefgesetz auch Universalbanken das Schiffspfandbriefgeschäft betreiben dürfen, wird sich der Schiffspfandbrief in der Zukunft voraussichtlich einer wachsenden Beliebtheit erfreuen. Dabei spielt auch der steigende Finanzierungsbedarf aufgrund der Zunahme des Weltschiffsverkehrs eine erhebliche Rolle. Inzwischen besitzen bereits fünf Kreditinstitute die Erlaubnis zum Betreiben des Schiffspfandbriefgeschäfts, nachdem auf dem Boden des bis 2005 geltenden Schiffsbankgesetzes nur noch eine Schiffsbank übrig geblieben war.

Gleiche Qualitätsmaßstäbe

Da für die Schiffspfandbriefe die gleichen Qualitätsanforderungen gelten wie für Hypothekenpfandbriefe, müssen grundsätzlich für die Beleihung von Schiffen und Schiffsbauwerken (Schiffe im Bau) dieselben Maßstäbe angelegt werden wie für die Beleihung von Grundstücken. Auch bei der Schiffsfinanzierung ist deshalb ebenso wie im Hypothekarkreditgeschäft für jedes Beleihungsobjekt ein Beleihungswert zu ermitteln und von der Pfandbriefbank festzusetzen (Paragraf 24 PfandBG).

Die im Pfandbriefgesetz enthaltenen Vorschriften über die Schiffsbeleihungswertermittlung sind daher im Wortlaut weitgehend mit den Vorschriften über die Ermittlung und Festsetzung des Beleihungswertes bei Grundstücken identisch. In Paragraf 24 Abs. 5 PfandBG sieht das Pfandbriefgesetz daher ebenso wie für die Beleihungswertermittlung von

Grundstücken den Erlass einer Rechtsverordnung vor, die die Einzelheiten der Methodik und der Form der Schiffsbeleihungswertermittlung sowie die Mindestanforderungen an die Qualifikation des Gutachters bestimmt. Diese Verordnung, die Schiffsbeleihungswertermittlungsverordnung (SchiffsBelWertV), ist am 6. Mai 2008 erlassen worden und am 1. Juli 2008 in Kraft getreten.

Unterschiede zur Grundstücksbewertung

Bei der Erarbeitung der Schiffsbeleihungswertermittlungsverordnung lag es nahe, sich aus Gründen der Parallelität beider Verordnungen weitgehend am Text der Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) zu orientieren. Dennoch erwies sich dies als schwierig, da sich die Bewertungen von Grundstücken und von Schiffen erheblich voneinander unterscheiden, was sich aus der Verschiedenartigkeit von Schiffen und Grundstücken und damit aus der Natur der Sache ergibt. So existiert bei der Schiffsbewertung anders als bei der Grundstücksbewertung kein analytisches Bewertungsverfahren, das aus verschiedenen unabhängig voneinander zu ermittelnden Komponenten besteht. Es gibt insbesondere kein Zwei-Säulen-Prinzip, nach dem unterschiedliche Werte, wie etwa ein Sachwert und ein Ertragswert, zu ermitteln und dann für die Ermittlung des Beleihungswertes in eine Beziehung zu setzen wären.

Ebenso wenig ist eine förmliche Ertragswertermittlung bei der Schiffsbewertung üblich, da der Schiffsbeleihungswert damit in Abhängigkeit von den Frachtraten gebracht würde; die Frachtraten sind aber höchst volatil und kommen daher als Grundlage für eine Schiffsbewertung jedenfalls unmittelbar nicht in Betracht. Genauso wenig gibt es ein formelles Sachwertverfahren, da der Schiffsbeleihungswert nicht allein vom Volumen eines Schiffes abhängig gemacht werden kann.

Darüber hinaus sind Schiffe, wobei hier in erster Linie von Frachtschiffen die Rede ist, aufgrund ihrer Standardisierung weitgehend untereinander vergleichbar. Der Schiffsmarkt ist aufgrund der Vielzahl von An- und Verkäufen durch eine größere Transparenz als der Immobilienmarkt gekennzeichnet.

Aufgrund dieser Umstände sind die Beleihungswerte im Schiffspfandbriefgeschäft bisher stets von sogenannten Brokerschätzungen ermittelt und festgesetzt worden. Broker werden die Schiffsmakler genannt, die sich neben der Vermittlung von Frachtaufträgen regelmäßig mit Schiffsan- und -verkäufen befassen. Sie sind daher wegen ihrer profunden Marktkenntnisse und regelmäßig erstellter Berichte zur Bewertung von Schiffen in der Lage. Die Brokerschätzungen liefern allerdings nur Marktwerte, die im Vergleichswertverfahren ermittelt werden. In aller Regel werden die Brokerschätzungen als Desk-top-Bewertungen ohne Ansicht des Schiffes erstellt. Da das Pfandbriefgesetz eindeutig zwischen Marktwert und Schiffsbeleihungswert unterscheidet, kann die Brokerschätzung nicht mehr zur alleinigen Grundlage für die Festsetzung des Schiffsbeleihungswertes gemacht werden.

Angesichts des Umstandes, dass es ein analytisches Schiffsbeleihungswertermittlungsverfahren nicht gibt und die BaFin dies als Verordnungsgeber auch nicht erfinden konnte, hat sich die Verordnung entsprechend einer Anregung der betroffenen Pfandbriefbanken für ein Obergrenzenmodell entschieden. Danach darf der Schiffsbeleihungswert weder den aktuellen Marktwert noch den durchschnittlichen Marktwert der letzten zehn Kalenderjahre noch den Neubaupreis beziehungsweise - bei Se-cond-Hand-Schiffen - den Kaufpreis übersteigen (Paragraf 4 Abs.1 SchiffsBel-WertV).

Dies bedeutet nicht, dass der niedrigste dieser drei Werte automatisch als Schiffsbeleihungswert festzusetzen wäre; die Pfandbriefbank kann - und muss unter gegebenen Umständen - einen darunter liegenden Betrag als Schiffsbeleihungswert festsetzen, wenn dies dem nachhaltigen Wert des Schiffes entspricht. Dass der aktuelle Marktwert nicht überschritten werden darf, versteht sich dabei von selbst, denn der aktuelle Marktwert ist auch nach Paragraf 24 Abs. 2 S. 2 PfandbBG als absolute Obergrenze anzusehen.

Dass der Neubaupreis respektive der aktuelle Kaufpreis bei Schiffsankäufen nicht überschritten werden darf, ist ebenfalls eine Selbstverständlichkeit, da Kaufpreis beziehungsweise Neubaupreis zumindest eine Indizfunktion für den Wert des Schiffes besitzen. Da Schiffe nur unter Kaufleuten nach kaufmännischen Gesichtspunkten veräußert werden, ist es anzunehmen, dass es in diesem Bereich keine besonders niedrigen Preise gibt, die dem Marktgeschehen nicht entsprechen.

Eine echte Neuerung ist dagegen die dritte Höchstgrenze, nämlich der durchschnittliche Marktwert für die vergangenen zehn Jahre. Gemeint ist damit nicht der durchschnittliche Marktwert des zu bewertenden Schiffes, sondern eines gleichartigen Schiffes für die zugrunde zu legenden letzten zehn Kalenderjahre vor dem Jahr der Wertermittlung (Paragraf 11 SchiffsBelWertV). Angesichts der weitgehenden Standardisierung der Schiffe erscheint es angebracht, auf die Marktwerte eines vergleichbaren Schiffes abzustellen.

Der Zehn-Jahres-Zeitraum, der im Anhörungsverfahren bei den beteiligten Kreditinstituten auf Kritik gestoßen ist, beruht darauf, dass der Beleihungswert ein langfristiger, die nachhaltigen Merkmale des Objektes widerspiegelnder Wert sein muss. Wollte man nur auf einen kürzeren Zeitraum abstellen, so wäre dies nicht mehr gewährleistet. Dies wird durch die Entwicklung in den letzten fünf Jahren belegt, in denen aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Schiffstonnage die Marktwerte erheblich angestiegen sind.

Sind Marktwerte für die vergangenen zehn Jahre nicht verfügbar, so kann der durchschnittliche Marktwert auch für einen kürzeren Zeitraum berechnet werden. In diesen Fällen ist jedoch der aktuelle Marktwert um 15 Prozent zu mindern (Paragraf 4 Abs. 2 S. 2 2. Halbsatz SchiffsBelWertV). Lässt sich ein durchschnittlicher Marktwert nur für drei oder weniger Jahre ermitteln, beträgt dieser Abschlag mindestens 25 Prozent (Paragraf 4 Abs. 2 a. E. SchiffsBelWertV). Dies ist begründet durch die soeben geschilderte Marktwertentwicklung in den letzten Jahren.

Wenn ein aktueller Marktwert überhaupt nicht verfügbar oder ein durchschnittlicher Marktwert nicht zu ermitteln ist, so ist es der Pfandbriefbank freigestellt, nach ihrem Ermessen ein anderes angemessenes Verfahren anzuwenden (Paragraf 4 Abs. 4 SchiffsBelWertV). Dieses Verfahren ist im Gutachten selbstverständlich zu erläutern. Dies wird möglicherweise auch für Schiffe zutreffen, die anders als die typischen Frachtschiffe nicht hinreichend standardisiert sind; es wird sich dabei um Passagierschiffe, Fährschiffe oder Binnenschiffe handeln. Allerdings kann in diesen Fällen nicht auf Abschläge verzichtet werden; der Beleihungswert darf daher einen Wert von 75 Prozent des Kaufpreises beziehungsweise des Neubaupreises nicht überschreiten.

Besichtigung

Grundsätzlich muss bei jeder Beleihungswertermittlung das Beleihungsobjekt besichtigt werden. Für die Bewertung von Grundstücken ist dies in der Beleihungswertermittlungsverordnung, allerdings an etwas versteckter Stelle, geregelt, nämlich in Paragraf 4 Abs. 1 S. 3 BelWertV. Die SchiffsBelWertV enthält für die Besichtigung eine eigene Vorschrift (Paragraf 6 SchiffsBelWertV). Der Grund liegt darin, dass das Besichtigungserfordernis bei der Schiffsbeleihungswertermittlung differenzierter zu sehen ist als bei der Bewertung von Grundstücken und deshalb einen höheren Regelungsaufwand erfordert. Das liegt zum einen daran, dass es bei einem Schiff im Unterschied zu einem Grundstück das Merkmal der Lage nicht existiert; außerdem könnte eine eingehende Besichtigung nur bei einem aufgedockten Schiff erfolgen; das Anlaufen eines Docks nur aus Gründen der Finanzierung ist jedoch ausgeschlossen. Darüber hinaus werden Schiffe insbesondere von den Klassifikationsgesellschaften, daneben aber auch von den Versicherern häufig besichtigt. Die Klassifikationsgesellschaften sind Organisationen, die die technischen Standards für die Sicherheit und den Umweltschutz im Schiffsbereich setzen und für deren Einhaltung sorgen. Man kann sie sogar als eine Art Schiffs-TÜV ansehen2), wobei die Klassifikationsgesellschaften anders als der TÜV die technischen Standards und Vorschriften selbst entwickeln. Regelmäßig wird ein Schiff vor Indienststellung von einer Klassifikationsgesellschaft besichtigt; das Schiff erhält eine Klassifikationsbescheinigung, die aber nur eine zeitlich begrenzte Gültigkeit, den sogenannten Klassenlauf, hat.

Nach fünf Jahren ist eine Klassenerneuerungsbescheinigung zu erteilen, wobei das Schiff gründlich zu besichtigen ist. Darüber hinaus gibt es Zwischenbesichtigungen, die alle 2,5 Jahre stattfinden müssen sowie weitere jährliche Besichtigungen. Ohne eine aktuelle gültige Klassifikationsbescheinigung darf ein Schiff keinen Hafen verlassen. Weltweit bestehen heute rund 50 Klassifikationsgesellschaften. Zehn der großen Klassifikationsgesellschaften, die rund 90 Prozent der heute durchgeführten Klassifizierungen abdecken, gelten als anerkannte Klassifikationsgesellschaften. Diese sind in einem von der EU-Kommission aufgrund von Artikel 4 Abs. 5 der Richtlinie 94/57 des Rates vom 22. November 1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und Besichtigungsorganisationen in einem Verzeichnis aufgeführt, das im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden ist. Für Deutschland werden die Aufgaben der Klassifikationsgesellschaft von der Germanischen Lloyd AG wahrgenommen.

Gutachter

Angesichts der weitgehenden Tätigkeit der Klassifikationsgesellschaften kann die Besichtigung im Rahmen der Beleihungswertermittlung unterbleiben, wenn der Pfandbriefbank von dem Schiffseigentümer die Klassifikationsunterlagen einer anerkannten Klassifikationsgesellschaft vorgelegt werden und sich hieraus ergibt, dass das Schiff innerhalb der vergangenen 15 Monate besichtigt worden ist. Die Pfandbriefbank hat sich die Klassifikationsunterlagen von dem Darlehensnehmer zu beschaffen; sie ist für die Vereinbarung der dafür erforderlichen zivilrechtlichen Grundlagen verantwortlich.

Grundsätzlich muss die Schiffsbeleihungswertermittlung ebenso wie die Beleihungswertermittlung bei Grundstücken mittels eines Gutachtens erfolgen, das durch einen hinreichend qualifizierten Gutachter erstellt wird. Die Vorschriften über die Gutachten und die Gutachter, sowie über die Unabhängigkeit des Gutachters (Paragrafen 5, 7, 8 SchiffsBelWertV) entsprechen daher im Wesentlichen den Vorschriften der Paragrafen 5 bis 7 BelWertV. Hinsichtlich der Qualifikation des Gutachters ergeben sich aber einige wenige Besonderheiten, die durch die Eigenheit der Schiffsbeleihungswertermittlung bedingt sind.

So gibt es keine staatlich anerkannten oder von einer akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung bestellten und zertifizierten Gutachter. Deswegen entfällt in der SchiffsBelWertV die Vermutung für die Qualifikation von bestimmten Personen, wie sie in Paragraf 6 Satz 2 2.
Halbsatz BelWertV enthalten ist. Darüber hinaus - und das ist der wichtigere Gesichtspunkt - braucht der Gutachter selbst keine ingenieurmäßige oder technische Berufsausbildung absolviert zu haben, wenn er die Besichtigung nicht selbst vornimmt (Paragraf 7 Abs. 7 SchiffsBelWertV). Im Hypothekarkreditgeschäft ist es Sache des Gutachters, das Beleihungsobjekt zu besichtigen, wofür naturgemäß eine erhebliche Sachkunde erforderlich ist. Da bei der Ermittlung von Schiffsbeleihungswerten die Besichtigung oftmals durch einen technischen Sachverständigen vorgenommen wird oder eine Besichtigung deswegen unterbleiben kann, weil der Bank die entsprechenden Klassifikationsunterlagen vorgelegt werden, muss derjenige, der den Schiffsbeleihungswert anhand der drei Obergrenzen ermittelt, nicht selbst über eine technische oder ingenieurmäßige Ausbildung verfügen. Damit wird erreicht, dass auch interne Gutachter der Bank, die von Hause Bankkaufleute sind oder über eine ähnliche Berufsausbildung verfügen, den Schiffsbeleihungswert ermitteln können.

Der Verfasser gibt nur seine eigene Meinung wieder.

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