Zinskommentar

Leitzinssenkung ohne Effekt aufs Baugeld

Auf historisch niedrige 0,25 Prozent senkte die Europäische Zentralbank (EZB) in der ersten Novemberwoche den Zinssatz, zu dem sich die Banken des Euroraumes Geld bei ihr leihen können. Von vielen Marktbeobachtern war diese Leitzinsänderung erst für den Dezember 2013 erwartet worden, sodass der Markt von der Entscheidung überrascht wurde. Auch innerhalb des EZB-Gremiums soll es heftige Kontroverse und erheblichen Widerstand von den Vertretern der Deutschen Bundesbank gegen den Schritt gegeben haben.

Begründet wurde die Maßnahme von EZB-Präsident, Mario Draghi, zum einen mit der schwachen Konjunktur vornehmlich in den südeuropäischen Ländern. Zum anderen verwies er auf die niedrigen Inflationserwartungen in der Eurozone. Kurz zuvor war gemeldet worden, dass die Teuerungsrate im Euroraum auf 0,7 Prozent gesunken sei.

Das ist nicht nur der tiefste Stand seit knapp vier Jahren, sondern liegt auch weit unterhalb des währungspolitisch festgesetzten Zielwertes von zwei Prozent. Ursachen für die geringe Teuerung waren im Wesentlichen Preisrückgänge bei Lebensmitteln sowie ein im Vergleich zum Vorjahr niedriger Rohölpreis. Es scheint so, als wolle die Notenbank mit der unerwarteten Zinssenkung einer drohenden Deflation, also einem allgemeinen Preisrückgang, begegnen. Wie am Beispiel Japan zu beobachten schieben die Konsumenten in einem deflationären Umfeld ihre Kaufentscheidungen in Erwartung noch weiter sinkender Preise auf. In der Folge geht die Nachfrage zurück und Unternehmen fahren ihre Produktion zurück, die Beschäftigung sinkt, woraufhin der Konsum weiter zurückgeht und wiederum die Preise unter Druck sind.

Es mag daher Teil der "Marktpflege" gewesen sein, dass Draghi derzeit keine Deflationsgefahren sieht. Vielmehr solle die erneute Zinssenkung kriselnden Banken und die schwache Wirtschaft in den europäischen Peripheriestaaten stützen. Allerdings ist fraglich, ob diese Hilfe auch tatsächlich ankommt. Denn in den betroffenen Ländern haben die Unternehmen weniger das Problem, günstige Kredite zu bekommen als überhaupt Fremdfinanzierungen zu erhalten. Daher darf die konjunkturfördernde Wirkung dieser Zinssenkung bezweifelt werden. Eher noch dürfte die Entscheidung jenen Banken zugutekommen, die mit hohen Kreditausfällen und geringen Eigenkapitalquoten kämpfen, vermutet die Dr. Klein & Co. AG.

Für Deutschland erwartet der Baufinanzierungsspezialist einerseits weiter sinkende Tagesgeldzinsen, während der Leitzins als nicht entscheidend für die Baufinanzierungskonditionen angesehen wird. Zwar verbilligten sich die Immobiliendarlehen in Deutschland seit Mitte Oktober um knapp 0,20 Prozentpunkte, doch waren dafür vor allem Entwicklungen in den USA maßgeblich: Erstens verhinderte die vorläufige Einigung im US-Hauhaltsstreit die drohende Zahlungsunfähigkeit des Landes. Zweitens entschied sich die amerikanische Zentralbank ihre Niedrigzinspolitik fortzusetzen.

Dagegen zogen die Hypothekenzinsen seit der EZB-Zinssenkung sogar leicht um 0,10 Prozentpunkte an. Zwar können die Notenbanker die kurzfristigen Zinsen relativ gut beeinflussen, für die langfristigen Immobilienfinanzierungen ist jedoch das Zinsniveau von Pfandbriefen entscheidend, die wiederum unter anderem von den Renditen deutscher Staatsanleihen beeinflusst werden.

Nach wie vor haben Bundesanleihen den Ruf eines "sicheren Hafens", sodass ihre Nachfrage sehr hoch und die Renditen entsprechend niedrig sind. In der Folge sind auch die Zinsen für Baukredite nach wie vor niedrig. Kurzfristig rechnet die Dr. Klein & Co. AG mit einer stark schwankenden, aber seitwärts gerichteten Entwicklung der Hypothekenzinsen. Auf lange Sicht werden sich die Kredite jedoch verteuern. Red.

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