Perspektiven der Städte

Mieteranalyse bei einem großen Wohnungsunternehmen

Die Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH (GBH) ist mit rund 14 000 Wohneinheiten der größte Wohnraumverwalter in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Mittelpunkt des Handelns ist neben Wohnraumentwicklungen im Bestand, für die das Unternehmen immerhin Jahr für Jahr rund 35 Millionen Euro aufwendet, die Konzeption von Dienstleistungen rund um das Wohnen. Hinzu kommt die Begleitung von Haushalten mit Marktzugangsschwierigkeiten. Hier steht heute - in der Tendenz steigend - die fachgerechte Unterbringung und Betreuung von Mietern mit Auffälligkeiten beim Zahlungs- und Wohnverhalten im Vordergrund.

Soziales Management

Die Unternehmensaufgabe zerfällt demnach in eine nachhaltige wirtschaftliche Wahrnehmung der genannten zwei Schwerpunkte, wobei das "herkömmliche" Bestandsmanagement mit seinen funktionierenden Nachbarschaften die sachliche (soziale Begleitung) und finanzielle Grundlage für den Versorgungsauftrag liefern muss.

Den mit dem Gesellschafter abgestimmten unabdingbaren Rahmen hierzu bilden das Geschäftsmodell eines Bestandshalters, eine moderate Renditeerwartung (aktuell: vier Prozent Stammkapitalverzinsung), effiziente und transparente interne Abläufe (Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001/2000), die ausreichende Bestandsgröße in ausgewogener Zusammensetzung und Verteilung sowie ein bedarfsgerecht ausgerichtetes soziales Management. Die standortfördernde Wahrnehmung dieses Versorgungsauftrages als Antwort auf die zunehmenden ökonomischen und sozialen Spreizungen in unserer Gesellschaft verlangt, über Jahre entwickelt, unterschiedlichste Maßnahmen der Investitionsbesicherung. Der Ergebnisgefährdung durch kundenbedingte Risikopotenziale wie Außenstände, Objektverschleiß oder gar Attraktivitätsverlust ganzer Adressen wird im Wirkungsbereich der GBH in über 60 Projekten des sozialen Managements mit einem entsprechenden Angebot entgegengetreten.

Gemeinhin unterscheidet man hierbei zwischen der subjektbezogenen Sozialarbeit und den sozialräumlichen Maßnahmen in der Definition1) der Gemeinschaftsinitiative "Soziale Stadt". Letztere umfassen die Schaffung von Begegnungsorten in Gebäuden und in ihrem direkten Umfeld, aber auch die Einrichtung von Quartierzentren, Beiträge zum Ausbau der lokalen Ökonomie und Infrastruktur sowie eine nachhaltige Aktivierung der ehrenamtlichen Mitwirkung vor Ort.

So wurden zum Beispiel im Sanierungsgebiet Vahrenheide, einem wichtigen Vorläufer des heutigen Programms "Soziale Stadt", nicht nur rund 45 Millionen Euro in Gebäude und Wohnumfeld investiert, sondern auch knapp 300 Wohnungen vom Markt genommen. Mieterprivatisierung, aber auch die neu gegründete Genossenschaft (Vasa) leisten ihren Beitrag zur Durchmischung von Anspruch und Verhalten in der Quartierbelegung.

Neu geschaffene Treffs, eine Conciergerie mit offener Kinderbetreuung am Y-Haus, diverse Spielplätze und Mietergärten bieten Raum und Gelegenheit für die unterschiedlichsten Angebote der lokalen sozialen Netzwerke. Gleichzeitig dienen die unlängst gegründete Stadtteilstiftung sowie der Trägerverein MSV e.V.2) der Profilierung und Unterstützung eines wachsenden ehrenamtlichen Engagements vor Ort. Die im Stadtteil Ende der neunziger Jahre durch die GBH gegründete Tochtergesellschaft sichert 15 Mitarbeitern Lohn und Brot.

Zu diesen am Beispiel untersetzten sozialräumlichen Maßnahmen kommen die oft gemeinsam mit Partnern, flankierend zu Belegungsabsprachen, initiierten subjektbezogenen Programme: individuelle Programme wie Schuldenberatung und Wohnbegleitung (Wohncoaching), aber auch solche mit dem Ziel der Entwicklung ausgewählter Kundengruppen hin zur Wohnbefähigung (Obdachlose, Suchtkranke). Als Beispiel sei hier das gemeinsam mit dem SWH e.V.3) organisierte betreute Wohnen von alkoholabhängigen Einwohnern im Sahlkamp genannt.

Mietersozialanalyse

Der mit den geschilderten Aktivitäten einhergehende beträchtliche Aufwand induziert im Rahmen der zugesicherten Nachhaltigkeit die zwingende Frage nach Art und Anzahl der vorgenannten Auffälligkeiten und der damit verbundenen Kosten. Nur so lassen sich, so die praxisgestützte Erfahrung, im sozialen Management entsprechend dimensionierte Maßnahmen definieren sowie ihre Wirkung laufend und objektiv bewerten.

Gemeinsam mit dem Amt für Wohnungswesen der Landeshauptstadt Hannover und der Inwis Forschung und Beratung GmbH, Bochum, wurden aus diesen Überlegungen heraus 2002 bei der GBH sämtliche Neuvermietungen eines definierten Zeitraums der näheren Betrachtung unterzogen. Unter Wahrung des Datenschutzes erfolgte die Auswertung der Mieterakten und der Vermittlungsdatei anhand eines Fragebogens. Mittels eigens entwickelter rund 30 Kostenszenarien war im nächsten Schritt der Bearbeitungsaufwand der festgestellten Auffälligkeiten zu quantifizieren.

Im Ergebnis4) zeigten sich von den 2560 erfassten Mietparteien, innerhalb eines durchschnittlichen Mietzeitraums von 10,5 Monaten 874 (34 Prozent) - im Übrigen nationalitätenunabhängig - zum Teil sogar mehrmals auffällig. Von den festgestellten 1520 Einzelereignissen entfielen 590 (39 Prozent) auf Mietrückstände, 18 Prozent auf vertragswidriges Verhalten sowie 13 Prozent auf problematisches Verhalten gegenüber Mitmietern. In 13 Prozent der Fälle war die Intervention eines sozialen Dienstes erforderlich, elf Prozent der Störungen ließen sich auf bekannte psychisch-soziale Probleme im Haushalt zurückführen.

Die anhängigen Jahreskosten gemäß der Szenarien (Verwaltung, Zinsen, Wertberichtigung, Instandhaltung, Anwalt und Gericht) beliefen sich auf 788000 Euro. Hochgerechnet auf den damaligen Gesamtbestand entsprach dies einer Ergebnisbelastung von 6, 7 Millionen Euro. Angeregt durch die öffentliche Debatte um die Entbehrlichkeit der kommunalen Wohnungswirtschaft entschlossen sich im März 2005 fünf Unternehmen, namentlich Allbau AG (Essen), Degewo-Gruppe (Berlin), Gewofag (München), GWG Halle-Neustadt mbH (Halle/Saale) und die GBH, gemeinsam mit der Inwis zu einer zweiten Auflage der Studie.

Durch die Auswahl der Standorte, aber auch durch die Berücksichtigung der unternehmensindividuellen Kostenstrukturen sollte eine allgemein gültigere Untersetzung der Sachverhalte erreicht werden. Erfasst wurden diesmal in räumlich abgegrenzten Unternehmensbereichen der genannten Gesellschaften 8579 Neuzugänge über einen Zeitraum von 13 Monaten. Den inhaltlichen Aufschluss vermittelt die Abbildung 1.

Das Ergebnis 5) der Arbeit bestätigt im Grundsatz die Erkenntnisse der ersten GBH-Studie. 32 Prozent der jetzt ausgewerteten neuen Mieter zeigten in dem genannten Beobachtungszeitraum bereits mindestens in einem Bereich ein auffälliges Wohnverhalten. Bewegten sich die Single-Haushalte annähernd im Durchschnitt (32,9 Prozent), so lag der Anteil der Auffälligen bei Familien mit mehr als fünf Personen bereits bei 43,6 Prozent, bei Arbeitslosen sogar bei 52 Prozent.

Schwerpunkt bildeten abermals die Mietrückstände, wobei die Ausprägung dieser Fallgruppe sicherlich auch der Tatsache geschuldet ist, dass die im Wesentlichen auf Verwaltung und Abrechnung von Mietverträgen ausgerichtete wohnungswirtschaftliche Software, im Gegensatz zu den anderen Auffälligkeiten, Restanten differenziert dokumentiert. Hochgerechnet auf den Gesamtbestand aller Unternehmen beliefen sich die anhängigen Bearbeitungskosten auf 7,4 Prozent der Sollmiete beziehungsweise auf 4,8 Prozent des ausgewiesenen Eigenkapitals.

Stadtrendite

Insgesamt und dem Wesen nach unbestritten dient das hier in Ansätzen dokumentierte, primär Investitionen besichernde Engagement der lokalen und zumeist kommunalen Wohnungswirtschaft in sozialen Netzwerken der Standortaufwertung. Die verbesserte Integration und Einbindung solch anspruchsvoller Kundengruppen in ein sozial ausgewogenes und aktives Umfeld bildet zweifelsohne, neben anderen Auswirkungen, eine wesentliche Grundlage für den Zuzug oder aber auch für den Verbleib anderer Bevölkerungsgruppen im jeweiligen Quartier. Der Quantifizierung dieses "positiven Nebeneffektes", eines Teils der in Hamburg bei der Saga/GWG geprägten so genannten Stadtrendite, widmet sich erstmalig eine gemeinsam mit der Degewo, Berlin, durch die Humboldt Universität zu Berlin durchgeführte Studie6), auf die in diesem Kontext verwiesen wird.

Operationalisierung

Sechs Jahre nach dem GdW-Kongress "Überforderte Nachbarschaften und die Zukunft der Stadt" hat die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Wohnungsunternehmen im Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (GdW) diesem Themenkomplex auf ihrem viel beachteten Kongress7) im Herbst vergangenen Jahres in Hannover abermals breiten Raum geschenkt. Die in Folge ins Leben gerufene Arbeitsgruppe stellt sich aktuell den Fragen der Quantifizierung und der Operationalisierung maßgeblicher Komponenten dieser Rendite.

Einen Beitrag zur langfristigen und zielgerichteten Absicherung des recht beachtlichen Mitteleinsatzes zur Entwicklung von Immobilien und Dienstleistungen im Quartier bildet nach Auffassung der Beteiligten in Abkehr zu den beschriebenen Studien die Entwicklung und Einführung einer kontinuierlichen Evaluierung. Die Vielfalt der Lebenswelten und ihre Ausprägung in der Alltagswirklichkeit, also nicht nur Wohnauffälligkeiten, sondern die Kundenbeziehung mit ihren vielschichtigen Bedürfnissen insgesamt, verlangen, so die artikulierte Überzeugung, eine wesentlich differenziertere Auseinandersetzung mit den Profilen der einzelnen Mieter und den Ereignissen im Alltag ihrer Nachbarschaft, als dies bis dato strukturiert und instrumentell gestützt erfolgt. Hierzu ist ein geeignetes EDV-gestütztes Hilfsmittel in Zusammenarbeit mit der Dom-Data, Posen, unter der Produktbezeichnung "Smile" in der Entwicklung.

Neben der strukturierten Wiedervorlage der den Ereignissen zugeordneten Maßnahmen, dem Ressourcenabgleich und einer kontinuierlichen Ermittlung der kalkulatorischen Kosten, liefert dieses Werkzeug unter anderem eine nicht unwesentliche Grundlage für die sachgerechte, auf die Stärkung der Nachbarschaften ausgerichtete Belegungssteuerung. Ebenfalls unterstützt werden sollen eine fundierte Prophylaxe, das am laufend dokumentierten Bedarf auszurichtende Betreuungsangebot sowie eine zielgruppenspezifische Produktentwicklung. Den Belangen des Datenschutzes ist hierbei ebenso Rechnung zu tragen wie dem sich abzeichnenden AGG8)konformen Bedarf nach Dokumentation der einbezogenen objektiven Kriterien bei Neuvermietung.

Gelungene und damit renditefördernde Einzelprojekte im Quartier setzen übereinstimmendes Handeln aller Beteiligten, dies im Übrigen unabhängig von Geschäftsmodell und Eigentumsverhältnissen, im sozialen Netzwerk voraus. Eine nachhaltige, wirtschaftliche Quartiersentwicklung ohne objektiv gesicherte und laufende Orientierung am Gesamtbedarf kann manchmal erfolgreich sein, wobei die Bewertung selbst heute zumeist in Ermangelung messbarer Fakten nur auf der Grundlage von eventuell unvollständigen und im Wesentlichen subjektiven Einschätzungen erfolgen wird.

Betrachtet man hingegen den Abschreibungszeitraum der vorhandenen beziehungsweise im Zusammenhang mit Quartiersentwicklungsmaßnahmen oft recht aufwendig sanierten Immobilien, so erscheint gleichwohl das heute praktizierte Controlling zumindest optimierungswürdig. Die zeitnahe und systematisch abgeglichene Erfassung sich entwickelnder Mieterprofile sowie der relevanten Auffälligkeiten auf Quartiersebene stellen nach Auffassung der Arbeitsgruppe die Grundlage für die ganzheitliche Ausrichtung und Erfolgskontrolle sämtlicher individueller und räumlicher Sozialarbeit im Viertel dar. Dabei bietet sich die geprüfte und zertifizierte Verdichtung der anonymisierten Unternehmensdaten durch eine übergeordnete Stelle, zum Beispiel dem Quartiermanagement, zum Zwecke der Projektbegründung, -finanzierung und -dokumentation an.

Die damit erreichte Transparenz ist darüber hinaus wichtiger Teil der überregionalen "Best practice"-Entwicklung im sozialen Management. Auch liefert sie Anhaltspunkte für die Bestätigung nicht nur der ehrenamtlich Mitwirkenden und zeigt Schwerpunkte für eine laufende und bedarfsgerechte Qualifizierung sämtlicher an den einzelnen Prozessen Beteiligten.

Dienstleister für Mieter

Die Gesellschaft für Bauen und Wohnen Hannover mbH hat sich vom Verwalter und Erbauer sozialer Wohnungen hin zu einem anerkannten Dienstleister im Bietermarkt entwickelt. Erlebte Kernkompetenz des kommunalen Unternehmens ist hierbei die Unterbringung und fachkundige Begleitung von Kundengruppen mit Marktzugangsschwierigkeiten, wobei diese sich durch ausgeprägte Auffälligkeiten im Wohn- und Zahlungsverhalten auszeichnen.

Den Handlungsrahmen bilden die klare Definition des Geschäftsmodells, eine angemessene Renditeerwartung, effiziente und transparente interne Abläufe, der integrationsfördernde Bestand sowie ein bedarfsgerecht ausgerichtetes soziales Management. Zudem beteiligt sich die GBH aktuell zusammen mit Partnern aus und im Umfeld der Wohnungswirtschaft an der Entwicklung eines sachgerechteren Controllings für das Quartiermanagement.

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