Schwerpunkt Pfandbrief

Offenlegung von Deckungsstockdaten und Umgang mit deren Defiziten

Als Fitch unlängst seine Umfrage bei Covered-Bond-Investoren veröffentlichte, überraschte es nicht sonderlich, dass die "Wertentwicklung der zugrunde liegenden Sicherheiten" unter den wichtigsten Spreadtreibern für Covered Bonds an zweiter Stelle rangierte gleich nach dem "Staatsrisiko". Verwunderlich war vielmehr, dass die "Qualität des einzelnen Emittenten" komplett fehlte. Man mag argumentieren, dass die Hypothekenbücher in der Regel einen beträchtlichen Teil der Bilanzen der Emittenten ausmachen und somit durchaus von einer gewissen Korrelation zwischen der Bonität des Emittenten und der Performance der Deckungswerte auszugehen ist.

Ein weiterer Aspekt beeinflusst die Bedeutung der "Wertentwicklung der zugrunde liegenden Sicherheiten" ebenfalls wesentlich: In den letzten Monaten haben zahlreiche klassische ABS/MBS-Investoren - zugegebenermaßen eher unfreiwillig - ihrem ursprünglichen Anlagehorizont den Rücken gekehrt und erforschen nun das Covered-Bond-Universum. Traditionell mussten bei ABS/MBS-Investments die Mittelströme aus den ABS/MBS-Sicherheiten genau im Auge behalten werden. Die Ergebnisse der Cash-Flow-Modelle bildeten die Basis für die Schlussfolgerungen zur zukünftigen Bewertung der verschiedenen Tranchen der betreffenden Transaktion.

Im Fall von Covered Bonds geht allerdings das Reporting zu den Mittelströmen weit über die heute für Deckungsstöcke üblichen Praktiken hinaus. Angesichts einer recht komplexen Situation, in der Covered Bonds quasi als Master-Trust-Strukturen zu betrachten sind, ist kaum zu erwarten, dass ABS/MBS-Ansätze in absehbarer Zukunft zu weit verbreiteten Praktiken werden.

Im Folgenden wird ein Überblick über den aktuellen Stand zur Homogenität und Detailschärfe der Berichterstattung im Bezug auf Deckungssdaten in verschiedenen Ländern gegeben. Darüber hinaus diskutiert der Artikel die Defizite, skizziert die Bandbreite der Möglichkeiten, die angesichts fehlender Daten auf Einzelkreditebene bestehen, und geht der Frage nach, wie diese Defizite mithilfe von Sekundärquellen überwunden oder abgeschwächt werden können.

Lange Zeit enthielt nur das deutsche Pfandbriefgesetz (PfandBG) explizite Transparenzvorschriften für die Deckungsmasse. Im vergleichsweise jungen griechischen Covered-Bond-Gesetz sind nun ebenfalls bestimmte Veröffentlichungen für Investoren geregelt. Die gesetzlichen Grundlagen in einigen anderen Ländern wie beispielsweise Spanien beschäftigen sich in einem anderen Zusammenhang mit der Offenlegung: Hier geht es nicht um Transparenz gegenüber Investoren, sondern um die an das Aufsichtsorgan zu liefernden Angaben. Darauf soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

Pflichten und freiwilliges Reporting

Mit der Einführung von § 28 PfandBG wurden faktisch die Offenlegungen zu den Deckungsmassen deutscher Emittenten zum Standard. Allerdings befanden sich 2005, als mit dem heutigen Format vergleichbare Transparenzvorschriften gesetzlich verbindlich wurden, andere Märkte (abgesehen von Deutschland, Frankreich und Spanien) noch in der Anlaufphase: Das galt für Großbritannien ebenso wie für Irland. Österreich und Luxemburg waren absolute Nischenmärkte, während nordische Emittenten ebenso wie portugiesische und italienische Banken noch weit von Emissionen entfernt waren.

Seit der Einführung der Transparenzvorschriften für deutsche Pfandbriefemittenten im Jahr 2005 haben sich die Praktiken kaum verändert. Im April 2006 startete der vdp (Verband deutscher Pfandbriefbanken) eine Initiative zur Weiterentwicklung praktischer Themen wie Zeitnähe von Veröffentlichungen, Platzierung auf der Website der Emittenten und stärkere Vereinheitlichung der veröffentlichen Daten. Die Verbesserungen in der Form und Funktion der Offenlegungen bildeten sich jedoch erst 2010 heraus. Inzwischen präsentieren die meisten Emittenten ihre historischen und aktuellen Deckungsstockkennziffern in einem harmonisierten Excel- und Pdf-Format.

Darüber hinaus hat der Verband Deutscher Pfandbriefbanken vdp eine Inter-net-Plattform bereitgestellt, die den Investoren leichten und schnellen Zugriff auf Deckungsdaten ermöglicht. Alle Mitgliedsinstitute bieten hierbei Deckungsdaten in drei verschiedenen Formaten (*.pdf, *.xls und *.csv) mit identischen Layouts an und erlauben auch jeweils einen Jahresvergleich. Der starke Druck seitens anderer Marktteilnehmer außerhalb des Pfandbriefmarktes hat die Verbesserung der Offenlegungsqualität sicherlich beschleunigt.

Veröffentlichungen bieten gute Detailschärfe

Mittlerweile wurden die Veröffentlichungen zu Pfandbriefen erheblich gestrafft und bieten auch eine relativ gute Detailschärfe. Gemäß PfandBG hat eine Pfandbriefbank quartalsweise den jeweiligen Gesamtbetrag der im Umlauf befindlichen Hypothekenpfandbriefe, Öffentlichen Pfandbriefe, Schiffspfandbriefe und Flugzeugpfandbriefe sowie der entsprechenden Deckungsmassen in Höhe des Nennwertes, des Barwertes und des Risikobarwertes anzugeben. Darüber hinaus haben Emittenten die Laufzeitstruktur jeder im Umlauf befindlichen Pfandbriefgattung sowie die Zinsbindungsfristen der entsprechenden Deckungsmassen in vorab definierten Stufen zu veröffentlichen. Des Weiteren sind Angaben zum Anteil der Derivative an den Deckungsmassen sowie zu den Beträgen zu machen, die in Form von weiteren Deckungswerten oder Ersatzdeckung gehalten werden.

Emittenten von Hypothekenpfandbriefen haben zusätzlich die Verteilung mit den nennwertig als Deckung in Ansatz gebrachten Beträgen nach ihrer Höhe in festgelegten Stufen, nach den Staaten, in denen die Grundstückssicherheiten liegen, und nach dem Zweck der finanzierten Immobilien anzugeben. Informationen zu rückständigen Leistungen sind ebenso erforderlich wie zu Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsverfahren und Ähnlichem. Emittenten Öffentlicher Pfandbriefe müssen Angaben zu den einzelnen Staaten liefern, in denen die Schuldner und im Falle einer vollen Gewährleistung die gewährleistenden Stellen ihren Sitz haben.

Trotz dieser - wie oben erwähnt - recht soliden Detailschärfe besteht noch Verbesserungsspielraum. Den Druck, der aus dem Ausland auf deutsche Emittenten ausgeübt wurde, wurde bereits angesprochen. Als treibende Kraft im Hinblick auf Veröffentlichungen zum Deckungsstock wirkten vor allem britische Co-vered-Bond-Emittenten, gefolgt von kanadischen Emittenten sowie französischen Emittenten von Obligations de Financement de l'Habitat (OH). Ohne gesetzlich verbindliche Transparenzvorschriften gelang es jeder dieser Emittentengruppen, ein außerordentlich homogenes Berichtsformat mit hoher Detailgenauigkeit einzuführen.

Neben der Überzeugung, dass sich Offenheit langfristig in Form von Investorenvertrauen auszahlt, wurde die hohe Qualität im Reporting durch zwei technische Faktoren begünstigt. Zum einen handelt es sich bei vielen Emittenten in den genannten Ländern um erfahrene ABS/MBS-Emittenten, die traditionell höheren Standards genügen müssen. Zum anderen haben die Emittenten in den jeweiligen Ländern oder Märkten ihre Covered-Bond-IT-Systeme in der jüngeren Vergangenheit eingerichtet und sind daher auch technisch in der Lage, sehr anspruchsvolle Daten bereitzustellen.

Beispielsweise werden neben dem ursprünglichen Beleihungswert auch der laufende und zusätzlich sogar der indexierte laufende LTV veröffentlicht. Auch die Informationstiefe zu Kreditnehmern, die manche Emittenten bieten, wie das Verhältnis von Schulddienst zu Einkommen oder dem Beschäftigungsstatus, geht weit über das hinaus, was in Deutschland als Standard gilt.

Verbesserungsspielraum

In Sachen Publikationshäufigkeit sind die freiwilligen Veröffentlichungen teilweise überlegen. Bei großen Deckungsstöcken mag eine quartalsweise Offenlegung zwar ausreichen, jedoch ist der Abstand zwischen Stichtag und Veröffentlichungszeitpunkt relativ groß. Dagegen ist die breite Masse der Emittenten außerhalb des deutschen Marktes zu monatlichen Veröffentlichungen in der Lage und bereit, wobei die hohe Frequenz der Veröffentlichungen in Verbindung mit einer zeitnahen Publizierung steht.

Insgesamt deutet nichts darauf hin, dass gesetzliche Offenlegungspflichten zwangsläufig zu besseren Ergebnissen führen als freiwilliges Reporting. Die eigentliche Frage muss lauten: Gibt es noch Spielraum für Verbesserungen und falls ja, in welche Richtung sollten diese gehen? Um Bereiche aufzuzeigen, in denen weitere Verbesserungen möglich sind, muss man sich der Grenzen der aktuellen Offenlegungsformate bewusst sein. Zwei Felder haben hier in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen: erstens die Einschätzung von Liquiditätsthemen und zweitens ein umfassendes Verständnis der Kreditqualität.

Liquiditätssituation und Kreditqualität

In der Liquiditätseinschätzung sind die Investoren und Analysten bisher größtenteils von den Informationen abhängig, die ihnen die Ratingagenturen liefern. Faktisch gehört auch dies zu den Bereichen, in denen traditionelle ABS/MBS-Anleger genauere Angaben verlangen. Die Beurteilung des Liquiditätsrisikos setzt tatsächlich klassisches Cash-Flow-Reporting voraus - zumindest Net-to-Daten zu den Mittelzuflüssen und -abflüssen im jeweiligen Berichtszeitraum. Einerseits mag das recht hohe Anforderungen an die Covered-Bond-IT-Systeme stellen, andererseits wurden im ABS/MBS-Segment durchaus schon solche Berichte erstellt. Die technischen Voraussetzungen hierfür wären also grundsätzlich gegeben. Limitierende Faktoren sind jedoch individuelle technische Probleme bei einzelnen Emittenten wie auch die grundsätzliche Bereitschaft von Emittenten, diese Zahlen zu liefern.

Der zweite Aspekt - Kenntnis der Kreditqualität der Deckungsmasse - wird wohl auch künftig eher ein "Problem" bleiben. Zur Beurteilung der Kreditqualität sind entweder detaillierte Daten auf Einzelkreditebene erforderlich (dem könnte das Bankgeheimnis im Wege stehen) oder genaue Informationen zu Wechselwirkungen wie Kovarianzen der Verteilung aller in den Deckungsstockberichten gelieferten Aspekte. Um es weniger technisch auszudrücken: Es muss Aufschluss darüber gegeben werden, in welcher Häufigkeit bestimmte Merkmalskombinationen auftreten.

Analysiert man die Kreditqualität von Deckungsmassen ohne diese Kenntnis und rein auf Basis der Verteilung bestimmter Merkmale (ohne die Kovarianzen zu kennen), könnte man ebenso gut einen Würfel werfen. Die Frage, ob beispielsweise höhere (schlechtere) Beleihungswerte eher mit höheren (schlechteren) oder niedrigeren (besseren) Schul-den-Einkommens-Quoten einhergehen, kann ohne Kenntnis der Kovarianzen nicht beantwortet werden. Nachdem Informationen zu jedem einzelnen Merkmal mit jedem anderen Merkmal erforderlich sind (n x n Matrix), wäre ein solches Unterfangen fast schon absurd komplex.

Diskussionen über diese beiden Verbesserungsmöglichkeiten sind jedoch aus heutiger Sicht reine Zukunftsmusik. Die Frage lautet vielmehr: Wie sieht angesichts der aktuellen Einschränkungen der beste Ansatz für die Bewertung der Deckungsstockqualität aus? Realistisch betrachtet muss man sich hier wohl auch künftig auf Sekundärquellen stützen.

Wie bereits erwähnt sind in Anbetracht der heutigen Defizite Sekundärquellen der geeignetste Ansatz zur Beurteilung der aktuellen Deckungsstockqualität. Moody's Collateral Score erscheint uns hier am praktikabelsten, doch liefern auch Fitch und S&P ähnliche Informationen. Der Collateral Score genießt deswegen größte Sympathie, da er die Kreditqualität einer bestimmten Deckungsmasse als Ganzes erfasst. Die Einheit des Collateral Scores ist dabei die relative zur Gesamtgröße der Deckungsmasse nötige Menge an risikofreier Überdeckung, die die Deckungsmasse benötigt, um ein Stressszenario in Bezug auf die Kreditqualität auf Aaa-Niveau zu überstehen. Ein Collateral Score von vier Prozent bedeutet folglich, dass das Kreditqualitätsdefizit zwischen der originären Deckungsmasse und dem Aaa-Anspruch durch eine risikofreie Überdeckung in Höhe von vier Prozent der originären Deckungsmassen ausgeglichen werden kann.

Problem der Langfristigkeit

Ein Problem bleibt jedoch bestehen: Wenn von Covered-Bond-Anlagen die Rede ist, ist zwangsläufig auch die Rede von langen Anlagezeiträumen. Folglich hat Kreditqualität auch mehr als nur eine Dimension. Sie kann sich im Zeitverlauf ändern. Von daher sind Offenlegungen zum Deckungsstock im Zusammenhang mit der Einschätzung der einzelnen Emittenten hinsichtlich der künftigen Entwicklung der verschiedenen Forderungsarten in der Deckungsmasse zu sehen. Das ist von maßgeblicher Bedeutung, denn Deckungsstöcke spiegeln in der Regel das durchschnittliche Geschäft wider, das ein Emittent eingeht, sodass eine negative Einschätzung einer bestimmten Kreditart in der Deckungsmasse auch Konsequenzen für den Emittenten selbst hat. Dies führt zum letzten Punkt: Veränderungen im Deckungsstock sind stets vor dem Hintergrund der übergeordneten Geschäftsstrategie zu sehen. Bei den Investoren sollten beispielsweise die Alarmglocken klingeln, wenn ein Hypothekenfinanzierer, der sich normalerweise auf eigengenutzte Wohnimmobilien konzentriert, ohne angemessene Erklärung plötzlich in beträchtlichem Umfang Finanzierungen von Vermietungsobjekten in seinen Deckungsstock aufnimmt.

Eine solche Entwicklung lässt sich bei der reinen Betrachtung des Collateral Scores nicht ablesen. Eine solche Deckungsmassenerweiterung mag sich eventuell sogar in der Momentbetrachtung des Collateral Scores aufgrund eines gewissen Diversifikationsaspektes positiv auswirken. In der längeren Frist mag aber genau in diesem Teil der Deckungsmasse eventuell aufgrund fehlender Erfahrung in der Kreditvergabe ein Problemherd entstehen.

2011 15:22 Uhr Seite 1 Angesichts der aktuellen Einschränkungen ist der optimale Ansatz eine Kombination aus externen Qualitätsmessungen und einer Analyse der Deckungsstöcke im Vergleich zu (erstens) den Markterwartungen und (zweitens) ihrer Übereinstimmung mit dem Geschäftsplan.

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