60 Jahre Immobilien& Finanzierung

Refinanzierung am Kapitalmarkt: Pfandbriefe bevorzugt?

Vor knapp 60 Jahren erschien im Oktober 1950 die erste Ausgabe von "Der Langfristige Kredit". Der Gründungsherausgeber Helmut Richardi schrieb darin: "Der Realkredit gilt als der Lebensnerv des Hausbesitzes (...)".*) Der Hypothekarkredit und spiegelbildlich dazu der Pfandbrief waren und sind in den Anfängen der Bundesrepublik ebenso wie heute Grundpfeiler "typisch deutscher" Langfristorientierung. Die ehemals unter "Der Langfristige Kredit" und heute als "Immobilien & Finanzierung" firmierende Zeitschrift hat die (Kapitalmarkt-) Aktivitäten der Hypothekenbanken und anderer Immobilienfinanzierer über sechs Jahrzehnte differenziert kommentiert und begleitet. Insofern ist sie das Archiv oder Gedächtnis der jüngeren Branchengeschichte.

"Der Pfandbrief ist wie eine Katze - er fällt immer mit den Füßen zuerst auf den Boden." Ein früherer Hauptgeschäftsführer unseres Verbandes benutzte ihn, wenn die Rede auf die Zukunftsperspektiven des Pfandbriefs kam. Das Bonmot stützt sich darauf, dass der Pfandbrief in seiner langen Historie bereits manch schwierige Situation unbeschadet überstanden hat. Stimmt das Bild auch im aktuellen Umfeld noch?

Der Blick auf die Performance des Pfandbriefs nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers stimmt zuversichtlich. Traditionelle kleinformatige und Namenspfandbriefe boten Emittenten jederzeit Zugang zum Kapitalmarkt. Nur der Primärmarkt für großvolumige Pfandbriefe trocknete als einer der letzten Bankschuldverschreibungsmärkte aus. Dennoch haben Pfandbriefbanken im Oktober - dem ersten Monat nach Lehman - zwölf Milliarden Euro aufnehmen können ausschließlich mit kleinvolumigen Emissionen und Namenspapieren. Bereits im ersten Quartal 2009 öffnete das Jumbo-Segment wieder und der Pfandbriefabsatz erreichte im Spitzenmonat Juni 2009 über 14 Milliarden Euro. Insgesamt haben die Pfandbriefbanken im Jahr 2009, dem "Jahr eins" nach Lehman, Pfandbriefe im Volumen von 110 Milliarden Euro abgesetzt.

Im ersten Quartal des laufenden Jahres wurden 24 Milliarden Euro emittiert. Das deckt sich mit den Ergebnissen einer vdp-Umfrage unter seinen Mitgliedern, wonach insgesamt etwa 100 Milliarden Euro Pfandbriefabsatz erwartet werden. Gemessen an Länge und Tiefe der Vertrauenskrise an den Finanzmärkten sind die Ist-Zahlen und die Projektion zum Pfandbriefabsatz - sollte sie sich weiter bewahrheiten - ein bemerkenswerter Erfolg. Kein anderes nicht-staatliches Wertpapier kann dies in gleicher Weise von sich behaupten.

In der Gesamtschau weist der Pfandbriefmarkt seit geraumer Zeit einen rückläufigen Absatz aus. Der Umlauf Öffentlicher Pfandbriefe erreichte im Jahr 2000 mit 857 Milliarden Euro seinen vorläufigen Höchststand und hat aufgrund hoher Fälligkeiten, denen keine Neuemissionen gleichen Umfangs gegenüberstanden, seither ein Jahrzehnt der Konsolidierung durchgemacht. Absatz und Umlauf von Hypothekenpfandbriefen weisen in den letzten Jahren hingegen einen stabilen, seit Beginn der Krise sogar positiven Trend aus. 2009 lag ihr Absatz erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten wieder über dem Öffentlicher Pfandbriefe. Für den Gesamtmarkt wird 2011 nach zehn Jahren rückläufigen Umlaufs wieder mit einer positiven Netto-Mittelaufnahme gerechnet und der Pfandbriefumlauf sollte sich insgesamt bei knapp 700 Milliarden Euro stabilisieren.

Stabilität

Das stetige Aufkommen seit Ausbruch der Finanzkrise zeugt von der Stabilität und Aufnahmefähigkeit des Pfandbriefmarktes selbst in Zeiten schwerer Verwerfungen und großer Unsicherheit. Auch die vorübergehende Schließung des Segments für großvolumige Emissionen ändert diesen Befund nicht: Die Emittenten verfügen mit dem Pfandbrief über ein verlässliches Instrument, das ihnen in verschiedenen Formaten permanenten Zugang zu frischer Liquidität bietet und bei den Investoren auch in schwierigen Zeiten hohes Vertrauen genießt. In ihrer permanenten Verfügbarkeit gleicht die Pfandbriefrefinanzierung - anders als etwa unbesicherte Banktitel oder strukturierte Finanzierungen - der Einlagenfinanzierung. Die fristenkongruente Mittelaufnahme am Kapitalmarkt ist unter Risikogesichtspunkten indes ein Vorteil, der die Pfandbriefrefinanzierung gegenüber der Einlagenrefinanzierung mittel- und langfristig stützen sollte.

Eine andere Funding-Option bietet sich den Banken mit der Begebung strukturierter Instrumente oder Structured Finance. Während der Markt für strukturierte Finanzierungen jedoch seit Beginn der Krise geschlossen ist, haben Pfandbriefe ihre besondere Qualität als nachhaltiges Refinanzierungsinstrument bewiesen. Für die Immobilienfinanzierer ist jedoch auch die Wiederbelebung des Marktes für Mortgage Backed Securities (MBS) besonders wünschenswert, um ihren Kunden im nachrangigen Beleihungsraum Kapitalmarktkonditionen zu bieten und dieses Geschäft nicht oder nur geringfügig mit Eigenkapital unterlegen zu müssen. Um in Zeiten großer Verunsicherung nachhaltig manövrierfähig zu bleiben, ist für Banken sowohl der Zugang zum Kapitalmarkt via Pfandbrief und MBS als auch der Rückgriff auf Einlagen erstrebenswert.

Auch die Spreadverläufe belegen, wie sich Pfandbriefe gegenüber anderen Wertpapieren, darunter allen anderen Covered Bonds in der Krise bewährt haben: Waren die Risikoprämien zwischen den verschiedenen Produkten vor Ausbruch der Finanzkrise nicht mehr erkennbar, stiegen sie nach Lehman deutlich an, um sich seit Mai 2009 wieder zu ermäßigen. Unter dem Strich hat der Spread-Unterschied zwischen Pfandbriefen und anderen Covered Bonds seit Herbst vergangenen Jahres Bestand. Der Befund ist erfreulich: auskömmliche Volumina und stabile Preise machen den Pfandbrief zu einem der wenigen Gewinner der Finanzkrise. Doch ist der Erfolg nachhaltig? Mit Blick auf die mögliche neue Regulierungslandschaft kommen Zweifel auf: Kann es beabsichtigt sein, dass ausgerechnet eines der wenigen Produkte, das seine Funktionsfähigkeit auch in der Krise bewiesen hat, durch neue Regeln geschwächt wird?

Die Vielzahl nicht abgestimmter, zum Teil widersprüchlicher Regulierungsvorschläge aus Basel, Brüssel oder Berlin ist ein Problem für die Kreditwirtschaft. Als "Konsequenzen" aus der Finanzkrise könnten insbesondere die Einführung einer Leverage Ratio und neue Anforderungen an das Liquiditätsmanagement der Kreditinstitute die Geschäfte der Pfandbriefbanken besonders empfindlich treffen.

Mehr Regulierung - Bedrohung der Geschäftsgrundlage

Mit der Leverage Ratio soll eine Schuldenobergrenze der Institute eingeführt werden: Die Bilanzsumme und außerbilanzielle Geschäfte dürfen ein bestimmtes Verhältnis zum Eigenkapital nicht (mehr) überschreiten. Das Deckungsgeschäft der Pfandbriefemittenten wäre bei Einführung einer Leverage Ratio als verbindlicher, bankaufsichtlich einzuhaltender Kennzahl möglicherweise nur in wesentlich geringerem Umfang zu betreiben. Denn eine Leverage Ratio träfe die Pfandbriefbanken mit ihren umfangreichen, nied-rig-gewichteten Deckungswerten in besonderem Maße. Die Institute müssten entweder Aktivgeschäft zurückfahren, um ihre Bilanz zu kürzen, oder sie müssten zusätzliches Eigenkapital einwerben, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig und teuer käme.

Die Bildung von Liquiditätspuffern - wie vom Baseler Ausschuss und der Europäischen Kommission gefordert - befürworten die Pfandbriefbanken grundsätzlich. Die enge Definition der zukünftig vorzuhaltenden High Quality Liquid Assets halten die Pfandbriefbanken jedoch nicht für sachgerecht. Ausschließlich Barbestände, Zentralbankguthaben und Anleihen öffentlicher Schuldner zu den ausreichend liquiden Assets zu zählen, wird den Bedürfnissen der Kreditinstitute und der Kapitalmärkte nicht gerecht. Die dadurch ausgelöste Nachfrage nach entsprechenden Wertpapieren dürfte Experten zufolge vom Kapitalmarkt kaum gedeckt werden können.

Der Covered-Bond-Markt einschließlich USA und Kanada war Ende 2009 knapp 2500 Milliarden Euro schwer. Auf Pfandbriefe entfielen 719 Milliarden Euro, also knapp 30 Prozent. Angesichts ihrer gesetzlich verankerten Sicherungsmechanismen sind Pfandbriefe ein lange etabliertes und zuverlässiges Instrument zur Vermögensanlage und Risikodiversifizierung, das unter keinen Umständen zusammen etwa mit Unternehmensanleihen in einer Qualitätsklasse eingeordnet werden sollte, wie vom Baseler Ausschuss vorgeschlagen. Daher drängen die Pfandbriefbanken im Rahmen der Einführung von Liquiditätspuffern auf die Anerkennung des Pfandbriefs als "High Quality Liquid Asset" zu geeigneten Bedingungen.

In schwierigen Zeiten hat der Pfandbrief stets überzeugt. Er hat in seiner langen Geschichte viele existenzielle Herausforderungen gemeistert. Mit seinem dynamischen rechtlichen Rahmen und dem Willen der Emittenten, konsequent an seiner Qualität zu arbeiten, scheint er für die Zukunft gut gerüstet. Es wäre fatal, wenn Regulierung diesen Erfolg in Zukunft in Frage stellen würde.

Fußnote

*) Helmut Richardi: "Die Aufgabe des Bodenkredits", Der Langfristige Kredit, 1. Jahrgang, 1. Folge, Oktober 1950.

Jens Tolckmitt , Hauptgeschäftsführer , Verband deutscher Pfandbriefbanken (vdp) e.V., Berlin
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