Altersvorsorge

Die Renaissance des Eigenheims

Die jüngste bundesweit repräsentative Studie "Altersvorsorge in Deutschland 2008/2009" von Postbank und dem Institut für Demoskopie Allensbach hat ergeben: Die Bereitschaft der Deutschen zur privaten Altersvorsorge ist massiv gesunken. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Das Interesse am Erwerb eines Eigenheims und an Bausparverträgen ist deutlich gestiegen.

Starker Wunsch nach Sicherheit

Eigenheim und Bausparvertrag liegen aktuell ganz vorn, wenn man in Deutschland Berufstätige danach fragt, wie sie ihre Altersvorsorge aufstocken möchten. Fast jeder Zehnte von ihnen plant demnach, die eigene Altersvorsorge durch den Bau oder Kauf eines Eigenheims künftig verstärken zu wollen. Noch deutlicher wird dieser Trend bei den jungen Berufstätigen im Alter von 16 bis 29 Jahren. Hier beträgt der Anteil derjenigen, die für die Altersvorsorge auf die Immobilie setzen, fast 17 Prozent. Und bei den Selbstständigen beziehungsweise freien Berufen hat sich der Anteil derer, die ihre Altersvorsorge durch den Kauf eines Eigenheims verstärken wollen, von fünf Prozent im Vorjahr auf aktuell elf Prozent gar mehr als verdoppelt.

Im "Windschatten" dieser Entwicklung erleben die Bausparverträge einen regelrechten Boom. Mit einem Plus von rund 40 Prozent gegenüber 2007 macht diese Vorsorgeform bei den Berufstätigen den größten Sprung nach vorn auf der To-do-Liste zum Ausbau der eigenen Altersvorsorge. So geben heute knapp zehn Prozent aller Berufstätigen an, die eigene Altersvorsorge durch Investitionen in Bausparverträge künftig ausbauen zu wollen.

Gefragt, was prinzipiell als "ideale Form der Alterssicherung" gesehen wird, gibt die Studie einen starken Wunsch nach möglichst sicheren Anlageformen wieder. Während Festgeldanlagen und Sparbriefe in der Gunst steigen, gehören Aktien und Aktienfonds etwa zu den Verlierern. Den größten Beliebtheitszuwachs gibt es jedoch auch bei dieser Frage für das Eigenheim: So halten jetzt 65 Prozent der Deutschen (Vorjahr: 58 Prozent) die eigenen vier Wände für die "ideale Form der Alterssicherung" - so viele wie nie zuvor, seit die Studie von Postbank und Allensbach im Jahr 2003 erstmals durchgeführt wurde. Bei den Berufstätigen sind das eigene Haus oder die eigene Wohnung als Idealform sogar auf 68 Prozent Nennung gestiegen (Vorjahr: 62 Prozent). Besonders zugelegt hat die eigene Immobilie bei den Berufstätigen in Ostdeutschland - von 51 Prozent im Vorjahr auf jetzt 64 Prozent.

Eigenheim teilweise beliebter als die staatliche Rente

Bislang führte klar die staatliche Rente, wenn die Deutschen nach der idealen Form der Altersvorsorge gefragt wurden. Doch bei den Berufstätigen mit Kindern ist das Eigenheim inzwischen beliebter: 72 Prozent geben hier die selbstgenutzte Immobilie als ideal an gegenüber 70 Prozent Nennung für die staatliche Rente. Im Vorjahr lagen die staatliche Rente dagegen bei 73 Prozent und das Eigenheim bei 67 Prozent. Und auch bei den jungen Berufstätigen zwischen 16 und 29 Jahren hat das Eigenheim bei der Frage nach der idealen Vorsorgeform kräftig zugelegt. Mit 60 Prozent Nennung ist sie dort inzwischen ebenso beliebt wie die staatliche Rente. Dementsprechend groß ist auch das Interesse an der neuen Eigenheim-Rente, dem sogenannten Wohn-Riester. So halten 85 Prozent aller Deutschen und auch aller Berufstätigen es für "eine gute Idee", wenn der Staat den Bau oder Kauf eines Eigenheims zur Altersvorsorge fördert. Und für 56 Prozent der Berufstätigen wäre eine solche staatliche Förderung auch "persönlich ein Anreiz, selbst ein Eigenheim zu bauen oder zu kaufen."

Insofern ist es jedoch erstaunlich, dass in der Befragung Mitte Juli dieses Jahres 59 Prozent der Deutschen laut eigener Aussage zum ersten Mal von "Wohn-Riester" hörten. Noch weniger bekannt ist diese neue Regelung bei den jungen Berufstätigen, von denen nach eigenen Angaben 76 Prozent zum Zeitpunkt der Befragung zum ersten Mal davon hörten.

Die Bedeutung der Inflation

Bei dem gestiegenen Interesse, das die eigene Wohnung respektive das eigene Haus derzeit erleben, scheint der Wunsch nach Sicherheit eine große Rolle zu spielen. "Dies liegt im kulturellen Erbe der Deutschen begründet. Sie sind - wie ihre Nachbarn in Mitteleuropa - ein sehr sesshaftes Volk. Die Liebe zum Eigenheim ist bei ihnen also tief verwurzelt aus dem Wunsch nach Geborgenheit heraus", hat dazu der Münchener Wirtschaftspsychologe, Professor Lutz von Rosenstiel ausgeführt. Von ganz entscheidender Bedeutung sei jedoch, so von Rosenstiel weiter, dass Deutschland im vergangenen Jahrhundert gleich zwei Hyperinflationen erlebt habe, in deren Verlauf es zu völligen Geldentwertungen kam. Immobilien als Sachwerte blieben davon weitgehend unberührt. Das eigene Haus oder eine eigene Wohnung kommen daher laut Professor von Rosenstiel dem Wunsch der Deutschen nach Sicherheit beim Bewahren von Erreichtem entgegen

- "also etwas zu besitzen, was einem niemand mehr nehmen kann." In diesem Kontext überrascht jedoch ein weiterer Befund der aktuellen Studie. Nur elf Prozent der Deutschen geben an, dass sie die Inflation bei ihrer Altersvorsorgeplanung ausdrücklich berücksichtigen; 35 Prozent bekennen, sich dazu "schon einmal Gedanken gemacht zu haben" und eine deutliche Mehrheit von 54 Prozent antwortet, dass die Inflation für sie bei der Altersvorsorgeplanung "keine Rolle spielt". Dies kann sich als teurer Fehler erweisen. So liegt etwa die reale Kaufkraft des erst 1999 innerhalb der Währungsunion eingeführten Euros heute nur noch bei knapp 80 Cent. Mit anderen Worten: Wer vor knapp zehn Jahren auf eine Summe von 10.000 Euro ansparte, dem fehlen in Kaufkraft gemessen heute 2 000 Euro - obwohl er nominal tatsächlich 10 000 Euro aus seiner Sparanlage erhält. Geht man von einer durchgängigen Inflationsrate von 3,3 Prozent aus, dann hätte der Euro schon nach 20 Jahren seinen Wert sogar halbiert.

Doch was letztlich unterm Strich bleibt, hängt nicht nur von der Inflation sondern auch von der Besteuerung ab. Und hier wird sich bereits in wenigen Wochen durch eine pauschale Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte in Höhe von 25 Prozent in Deutschland Gravierendes verändern. Doch auch in diesem Punkt zeigt die deutsche Bevölkerung große Wissenslücken. So geben 29 Prozent aller Deutschen in der Studie an, von einer Abgeltungssteuer überhaupt "zum ersten Mal etwas zu hören."

Generell haben die Deutschen ihre private Altersvorsorge 2008 im Vergleich zum Vorjahr deutlich eingeschränkt. So sind die monatlichen Ausgaben der Berufstätigen für ihre private Altersvorsorge auf den niedrigsten Stand seit 2005 gefallen - von durchschnittlich 202 Euro im Vorjahr auf aktuell 188 Euro. Auch ging der Anteil der Berufstätigen, die ihre Altersvorsorge verstärken wollen, um sieben Prozent zurück.

Rückläufige Ausgaben für die Altersvorsorge

Auch dafür hat Wirtschaftspsychologe Professor Lutz von Rosenstiel eine Erklärung: "Je komplexer ein Thema ist und je weiter es in die Zukunft reicht, desto stärker gibt es ein unreflektiertes Verhalten, dies Thema in der Wahrnehmung auszublenden oder zu verdrängen. Beim Thema Altersvorsorge gibt es bei den Deutschen darüber hinaus ein eher grundsätzliches Vertrauen, nämlich, dass der Staat letztlich für seine Bürger sorgen wird. Dieses Vertrauen konnte im Betrachtungszeitraum Herbst 2007 bis August 2008 dadurch steigen, dass der Staat repräsentiert durch die Bundesregierung sich besonders 'finanzstark' zeigte durch Meldungen über immer stärker sprudelnde Steuermehreinnahmen. Ein zusätzlicher Vertrauensbonus in die Finanzkraft des Staates wurde also geschaffen." Doch: Bei den jungen Berufstätigen ist der Anteil derer, die ihre Altersvorsorge ausbauen möchten, von 62 Prozent in 2007 auf aktuell 65 Prozent gestiegen. Denn die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge haben die jungen Menschen erkannt: Als einzige Generationsgruppe unter den Berufstätigen hat sich unter ihnen das Gefühl gegenüber dem Vorjahr verstärkt, nicht ausreichend für das Alter vorgesorgt zu haben. Schließlich gehen jetzt auch nur noch 58 Prozent von ihnen davon aus, im Alter überhaupt eine staatliche Rente zu bekommen. Dies ist nochmals weniger als 2007, als der Wert bei 66 Prozent lag.

Doch zeigt die Studie auch, wie kritisch die jungen Berufstätigen den möglichen Erfolg ihrer Vorsorgeanstrengungen einschätzen. So gehen mit 20 Prozent nochmals weniger von ihnen als im vergangenen Jahr (27 Prozent) davon aus, im Alter ein Eigenheim zu besitzen - eventuell ein Hinweis darauf, dass der Erwerb von Wohneigentum kostenmäßig vielen kaum noch möglich erscheint. Hier könnte eventuell der neue Wohn-Riester greifen. Doch dessen Bekanntheitsgrad muss gerade bei den jungen Berufstätigen dringend erhöht werden.

Bemerkenswert ist schließlich, dass die Deutschen als "ideale Form der Alterssicherung" primär nur selbst genutzte Immobilien schätzen - Immobilien zur Vermietung sind hierbei im Vergleich zum Vorjahr im Ansehen sogar gesunken. Lediglich 25 Prozent der Deutschen und 27 Prozent der Berufstätigen sehen in Einnahmen aus Haus- und Grundbesitz die "ideale Form der Alterssicherung". 2007 waren es 30 beziehungsweise 31 Prozent. Weniger punkten Immobilien zur Vermietung auch beim konkret geplanten Ausbau der privaten Altersvorsorge: Nur zwei Prozent der Deutschen und drei Prozent der Berufstätigen planen künftig den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung zur Vermietung, um damit ihre Altersvorsorge zu verstärken.

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