Im Blickfeld

Schuldenbremse bremst Wohnungsmarkt aus

Angesichts der leeren öffentlichen Kassen sind die Bestrebungen zur Haushaltskonsolidierung von Bund und Ländern vorbehaltlos zu begrüßen. Auch wenn es wehtut - der in den letzten drei Jahrzehnten rasant gestiegenen und durch die Finanzkrise zusätzlich forcierten Staatsverschuldung in einer Größenordnung von mittlerweile 2000 Milliarden Euro oder mehr als 83 Prozent des Bruttoinlandsprodukts muss Einhalt geboten werden.

Es kann nicht länger akzeptiert werden, dass die gegenwärtige Generation auf Kosten ihrer Kinder und Enkel lebt. Aber es ist auch zu fragen, wo und wie gespart werden soll. Gibt es durchdachte Konzepte, die auch im Einzelfall die Wirkungen des politischen Handelns bedenken und widerspruchsfrei zu anderen politischen Programmen stehen, oder nimmt man es da, wo man es gerade kriegen kann und wo der Widerstand der Betroffenen am geringsten erscheint?

Wie andere Landesregierungen zuvor hat nun auch die Regierung von Nordrhein-Westfalen (NRW) am 20. Juli 2011 die Erhöhung der Grunderwerbsteuer durchs Parlament gebracht. Zum 1. Oktober 2011 wird dann der Steuersatz von 3,5 auf 5,0Prozent erhöht. Wenn man von durchschnittlich etwa 180000 Eigenheimerwerben pro Jahr in NRW ausgeht (davon rund 35000 Grundstücke für Neubauten) mit einem Kaufwert von durchschnittlich 200000 Euro (respektive 40000 Euro bei Baugrundstücken), dürften hier durch die 1,5-prozentige Erhöhung zusätzlich etwa 450 Millionen Euro pro Jahr in die NRW-Kassen gespült werden.

So reizvoll es aus Sicht der Finanzminister auch erscheinen mag, den Prozentsatz für die Grunderwerbsteuer zu erhöhen, es besteht die Gefahr, dass sich eine solche Maßnahme als "Strohfeuer" erweisen könnte. Anstatt dauerhaft steigender Steuereinnahmen könnte auch der Effekt eintreten, dass dem Normalbürger - und insbesondere dem Schwellenhaushalt - schon bei der Kalkulation der Finanzierungsmöglichkeiten "die Luft ausgeht" und es eine Tendenz gibt zu der Einstellung: "Wohneigentum ist für unsereins nicht mehr machbar". Dies erst recht, wenn sich die augenblicklichen positiven wirtschaftlichen Bedingungen - gute Konjunktur, niedrige Zinsen und positive Zukunftsaussichten - wieder ändern sollten. Insbesondere junge Familien, die Wohneigentum erwerben wollen, um darin den gewünschten Lebensmittelpunkt für sich und ihre Kinder zu finden, trifft die Entscheidung hart. Denn der Eigentumserwerb wird für den einzelnen Wohneigentümer immer teurer. Aktuell müssen beim Hauskauf mit Nebenkosten für Grunderwerbsteuer, Maklergebühr, Grundbuchamt und Notar etwa zwölf Prozent der Kaufsumme aufgebracht werden.

Mindestens genauso wichtig ist aber, die künftig noch bedeutender werdende Symbiose aus Immobilienerwerb und Mobilität nicht zu belasten. Wir erwarten von jungen Leuten, dass sie flexibel und mobil bleiben - wollen wir die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Zukunft meistern. Dann kann es in diesen Fällen nicht bei der "Immobilie fürs Leben" bleiben. Und wenn dann noch an die Altersvorsorge und ein altersgerechtes Wohnen gedacht werden soll, bedeutet das in vielen Fällen einen erneuten Ortswechsel, zum Beispiel nach dem Auszug der Kinder von einem größeren Haus auf dem Lande in eine kleinere Wohnung in der Stadt. Dann werden jedes Mal wieder rund zwölf Prozent Nebenkosten fällig.

Apropos Altersvorsorge: Für 81 Prozent der Deutschen ist Wohneigentum nach eigenem Bekunden die am besten geeignete Form der Altersvorsorge. Und für 77Prozent ist sie die sicherste Form der Vorsorge - angesichts der gegenwärtigen Verunsicherung der Sparer ist dies vermutlich ein weiter steigender Wert.

Wie widersprüchlich politisches Handeln mitunter in seinen Einzelmaßnahmen sein kann, zeigt sich auch darin, dass die Bundesregierung im Jahr 2008 die "Eigenheimrente", umgangssprachlich auch "Wohn-Riester" genannt, eingeführt hat mit dem Ziel, private Ersparnisse anzureizen und die Finanzierung des Erwerbs von Wohneigentum zu unterstützen, um so die künftigen Reduzierungen bei der gesetzlichen Rente wenigstens zum Teil auszugleichen. Durch das verstärkte Abschöpfen von Spargeldern zum Beispiel über eine erhöhte Grunderwerbsteuer wird dieses Ziel aber konterkariert. Sieht man die Wirkungszusammenhänge ganzheitlich, so kann mittel- bis langfristig sogar das Ziel erhöhter Steuereinnahmen gefährdet sein.

Hinzu kommt, dass NRW an der notwendigen Belebung des Wohnungsmarktes gegenwärtig wenig Anteil hat. Während es hier nach Jahren rückläufiger und zuletzt stagnierender Zahlen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres erstmals wieder ein Plus von 6,5 Prozent zu verzeichnen gibt, liegt die entsprechende Zahl für alle Bundesländer bei 31,5 Prozent. Offensichtlich ist die Baukonjunktur bundesweit gegenwärtig wieder auf einem guten Weg. In NRW stellt sie eher noch ein zartes Pflänzchen dar. Hoffentlich wird es nicht durch die Entscheidung des NRW-Parlaments "platt getreten".

Die Niederlande machen es uns gerade vor, wie es vernünftigerweise auch geht: Ganz im Gegensatz zur bundesdeutschen Entwicklung reduzieren sie mit Wirkung vom 15. Juni 2011 den dort bisher gültigen Grunderwerbsteuersatz drastisch von sechs auf zwei Prozent. Die Maßnahme ist zunächst auf ein Jahr befristet und hat das Ziel, den stagnierenden Wohnungsmarkt wieder anzukurbeln.

Was in den Niederlanden richtig ist, kann im angrenzenden NRW doch nicht falsch sein? Zu allem Überfluss hat die Landesregierung per Ende Juli dieses Jahres auch noch die Eigenheimförderung für junge Familien mit niedrigem Einkommen ausgesetzt. Begründet ist dies darin, dass die bisher für die Förderung von selbst genutzten Neubauten bereitgestellten 400 Millionen Euro für dieses Jahr auf 200 Millionen Euro gekürzt worden sind und dieses Budget nach sieben Monaten aufgebraucht wurde. Neue Fördergelder können erst wieder im Februar 2012 beantragt werden.

Man mag mir vorwerfen, dass ich als Vertreter einer Bausparkasse pro domo rede. Die Sorge aber, dass die staatlichen Stellen die Haushaltslöcher gegenwärtig mitunter nicht ganz widerspruchsfrei zu den bestehenden politischen Programmen zu stopfen versuchen, dürfte auch von neutralen Beobachtern geteilt werden.

Dr. Christian Badde, Vorsitzender des Vorstands, LBS Westdeutsche Landesbausparkasse, Münster

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