Wohnungswesen

Sonntags reden und montags entscheiden

Rolf Kornemann

Befürchtungen, die steigende Abgabenlast werde den Wohnungsbau ausbremsen und auch zu höheren Kosten für die Mieter führen, sind berechtigt, bislang aber noch nicht nachzuweisen. Noch gibt es keine Bremsspuren in der Bautätigkeit, da die Nachfrage zu hoch ist. Der Autor kritisiert allerdings die Politik, die wie so oft anders redet als handelt. Das Beispiel Grunderwerbsteuer zeige, dass eine Senkung der Wohnkosten für die verantwortlichen Politiker im Bund, in den Ländern und in den Kommunen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis sei soweit es die öffentliche Hand angehe. Red.

In Nordrhein-Westfalen ist der Immobilienerwerb in diesem Jahr noch teurer geworden: Die Grunderwerbsteuer beträgt nun 6,5 Prozent; das ist ein Plus von 30 Prozent gegenüber dem vergangenen Jahr und ein Plus von gut 85 Prozent gegenüber Anfang 2011! Beim Kauf eines Einfamilienhauses im Wert von 300 000 Euro muss eine Familie heute 4 500 Euro beziehungsweise 9 000 Euro zusätzlich bezahlen. In Nordrhein-Westfalen, wie auch in Schleswig-Holstein und im Saarland, ist seit diesem Jahr wieder der bundesweite Durchschnitt von Anfang der achtziger Jahre erreicht; damals betrugen die Steuersätze sechs bis sieben Prozent. Bis zu diesem Zeitpunkt galten allerdings umfangreiche steuerliche Befreiungen, sodass die Steuer faktisch kaum fällig wurde. 1982 hat der Gesetzgeber diese Ausnahmen radikal gestrichen und den Steuersatz auf einheitlich zwei Prozent gesenkt. Dieser begrüßenswerte Zustand hielt immerhin 14 Jahre.

1996 stieg der Steuersatz auf 3,5 Prozent, um die aus der vom Bundesverfassungsgericht suspendierten Vermögensteuer entfallenden Ländereinnahmen zu kompensieren. Man kann durchaus von einer Zäsur sprechen: War der Immobilienbereich bis zu diesem Datum gegenüber anderen Vermögensarten in vielfacher Hinsicht privilegiert worden, trat ein Umschwung ein; nunmehr wurde der Wohnungssektor vom Fiskus überdurchschnittlich belastet. Mit der Föderalismusreform 2006 begann dann gerade zu ein länderweiter Wettlauf um immer höhere Grunderwerbsteuersätze. Heute entspricht die durchschnittliche Höhe des Steuersatzes beinahe wieder der Höhe von 1982 - allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass viele der damals steuerbefreiten Tatbestände nunmehr steuerpflichtig sind.

Die fast flächendeckende Erhöhung der Grunderwerbsteuer ist mit dem parteiübergreifend artikulierten Ziel, die Wohnkosten zu senken, die Errichtung preiswerter Mietwohnungen sowie die Eigentumsbildung an den vier Wänden zu forcieren, nicht zu vereinbaren. Zu bedenken ist nämlich, dass nicht nur Käufer von Häusern und Wohnungen immer höher belastet werden, sondern indirekt auch Mieter. Eine höhere Grunderwerbsteuer erhöht die Mieten neu gebauter Wohnungen zwangsläufig.

Die Diskussion der vergangenen Monate über steigende Immobilienpreise und Wohnungsmieten in besonders begehrten Städten und Quartieren hat gezeigt, dass nicht zuletzt gezielter Wohnungsneubau die Probleme lösen kann. Das gilt insbesondere auch für einige Groß- und Universitätsstädte in Nordrhein-Westfalen. Mit der Grunderwerbsteuerhöhung machen sich die Landesregierungen in Düsseldorf, Saarbrücken und Kiel allerdings vollkommen unglaubwürdig. Auf einen nachhaltigen Widerstand der Opposition darf man indes nicht hoffen. In Hessen regiert die CDU, die dort die Grunderwerbsteuer zum 1. August 2014 erhöht hat. Das kritisierte die Hessen-SPD, was wiederum die SPD in NRW nicht daran hindert, jetzt ihrerseits tiefer in die Taschen der Haus- und Wohnungskäufer von NRW zu greifen, das wiederum rief die CDU in Düsseldorf auf den Plan. In diesem Zusammenhang wird vielfach gefordert, einen Teil der früheren Ausnahmetatbestände wieder aufleben zu lassen. Insbesondere wird angeregt, den Bau von sozialen Mietwohnungen zusätzlich dadurch zu fördern, dass der Investor von der Grunderwerbsteuer gänzlich befreit wird oder lediglich einen ermäßigten Steuersatz zahlt. Solche Forderungen stoßen auf breite Resonanz. Dabei wird aber übersehen, dass zum einen Abgrenzungen sehr diffizil sind; sollen der Bau sozialer Mietwohnungen generell oder lediglich in wenigen Räumen, der Erwerb preiswerter Eigenheime oder vielleicht der Kauf von Genossenschaftsanteilen begünstigt werden? Zum anderen zieht eine Steuervergünstigung zwangsläufig höhere Sätze an anderer Stelle nach, wenn das angestrebte Steueraufkommen insgesamt erreicht werden soll.

Eine besondere Brisanz bekam das Thema Anfang Dezember letzten Jahres, als das größte Wohnungsunternehmen Deutschlands, Deutsche Annington, ankündigte, das drittgrößte Wohnungsunternehmen, Gagfah, mit samt seiner 144 000 Wohnungen für 3,9 Milliarden Euro zu übernehmen. Beide Unternehmen sind in Nordrhein-Westfalen beheimatet. Ottonormalverbraucher würden für einen Immobilienkauf zur Kasse gebeten. Eine Ausnahmeregelung im Grunderwerbsteuergesetz befreit allerdings Gesellschaften unter bestimmten Umständen, die hier im konkreten Fall vorliegen dürften, von dieser Steuer. Dem Land Nordrhein-Westfalen entgehen damit Steuereinnahmen von rund 200 000 Millionen Euro - immerhin 12,5 Prozent des gesamten Grunderwerbsteueraufkommens eines Jahres in Nordrhein-Westfalen.

Das Beispiel Grunderwerbsteuer zeigt, dass eine Senkung der Wohnkosten für die verantwortlichen Politiker im Bund, in den Ländern und in den Kommunen nicht mehr als ein Lippenbekenntnis ist soweit es die öffentliche Hand angeht. Auf allen Ebenen werden Kostensenkungen gefordert, aber das Gegenteil letztendlich umgesetzt. Dabei geht es um ordnungsrechtliche Vorgaben, um technische Anforderungen an Wohngebäude und auch um Steuern und Gebühren. Eine widerspruchsfreie Wohnungspolitik sieht anders aus.

Der Autor

Dr. Rolf Kornemann Präsident, Haus & Grund Deutschland, Berlin

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