Grunderwerbsteuer-Erhöhung: Kritik des ZIA

Am 2. Dezember 2014 hörte der Haushalts- und Finanzausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags Sachverständige zur geplanten Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes von 5 auf 6,5 Prozent an. Die Redaktion zitiert Auszüge aus der Stellungnahme des ZIA Zentraler Immobilien Ausschusses: "Die angestrebte Anhebung des Steuersatzes der Grunderwerbsteuer von 5 Prozent um 1,5 Prozentpunkte auf 6,5 Prozent für Erwerbsvorgänge, die ab dem 1. Januar 2015 verwirklicht werden, sehen wir sehr kritisch. Während wir freilich das Interesse des Landes an einem erhöhten Steueraufkommen zur Haushaltssanierung anerkennen, sollten die nachteiligen Folgen einer Erhöhung der Grunderwerbsteuer im Blick behalten werden. Gern beleuchten wir im Folgenden die sozial nachteiligen Auswirkungen einer weiteren Erhöhung der Grunderwerbsteuer, die vielleicht dazu anregen, einen anderen, gesellschaftlich verträglicheren Weg zur Verbesserung der Finanzlage des Landes zu suchen.

Einleitend sei ein historischer Abriss zur Grunderwerbsteuer gestattet. Mit der Vereinheitlichung des Grunderwerbsteuerrechts wurden 1983 die vormaligen Befreiungstatbestände weitgehend eingeschränkt und der Steuersatz von 7 Prozent auf einheitlich 2 Prozent reduziert. Im Jahr 1997 wurde der Steuersatz bundesweit auf 3,5 Prozent angehoben. Seit September 2006 gestattet die Kompetenzzuweisung im Rahmen der Föderalismusreform I den Bundesländern, den Grunderwerbsteuersatz selbst festzulegen. Hiervon haben fast alle Länder Gebrauch gemacht. Lediglich Bayern und Sachsen haben nicht erhöht und sind bei dem Ausgangssteuersatz von 3,5 Prozent geblieben, die meisten anderen Länder liegen bei einem Grunderwerbsteuersatz von 5 Prozent. Schleswig-Holstein erhebt seit dem 1. Januar 2014 sogar Steuern in Höhe von 6,5 Prozent. Das Saarland beabsichtigt ebenfalls, ab dem 1. Januar 2015 6,5 Prozent zu erheben. Nordrhein-Westfalen würde, sofern es an den hier diskutierten Plänen festhält, somit gemeinsam mit dem Saarland und Schleswig-Holstein die Spitzenposition einnehmen.

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Gravierend ist, dass die Grunderwerbsteuerlast in Bezug auf das Haushaltseinkommen regressiv ist. Die Auswirkungen der Grunderwerbsteuer treffen Haushalte mit geringerem Einkommen härter als Haushalte mit höheren Einkommen. Die Grunderwerbsteuer wirkt regressiv, weil der Verkauf einer gleichwertigen Immobilie zwar die gleiche Steuer auslöst. Aber je niedriger das Haushaltseinkommen ist, desto höher ist der Anteil der durch die Grunderwerbsteuer ausgelösten Steuerlast am Haushaltseinkommen. Verstärkend tritt hinzu, dass der prozentuale Anteil des Immobilienbesitzes am Haushaltsvermögen umso größer ist, je geringer das Gesamtvermögen des Haushaltes ist. Mit anderen Worten: In ärmeren Haushalten ist ein größerer Anteil des Vermögens im Eigenheim gebunden und nicht in Finanzanlagen. Ärmere Haushalte erleiden also einen relativ größeren Vermögensverlust durch die Erhöhung der Grunderwerbsteuer als wohlhabende Haushalte. Der Effekt ist vergleichbar mit dem bei Verbrauchsteuern bekannten Befund, dass höhere Verbrauchsteuern besonders diejenigen treffen, die einen höheren Anteil ihres Einkommens für den Konsum aufwenden müssen. Wir halten dies aus sozialpolitischen Gründen für bedenklich.

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Hinweisen müssen wir auch auf die durch höhere Grunderwerbsteuern bewirkte geringere Mobilität. Da die Grunderwerbsteuer die Kosten des Kaufens und Verkaufens eines Hauses erhöht, wirkt sie wie eine Steuer auf einen Umzug. Denn die Betroffenen suchen den Anfall der Grunderwerbsteuer zu vermeiden, indem sie tendenziell eher auf den Hauskauf verzichten als im Falle ohne (die Erhöhung der) Grunderwerbsteuer. Menschen werden daher eher in Häusern verweilen, die zu klein oder zu groß für die Bedürfnisse ihres Haushaltes sind oder zu weit weg vom Ort ihrer Arbeitsstelle. Eine britische Studie kommt hinsichtlich der Mobilität zu dem folgenden Befund: Eine Erhöhung der "stamp duty" um 2 Prozentpunkte reduziert die Haushaltsmobilität um 2 bis 3 Prozentpunkte, was einem Mobilitätsrückgang um 30 Prozent entspricht. Eine weitere Studie aus Kanada hat gezeigt, dass eine Erhöhung einer "land transfer tax" um 1,1 Prozentpunkte zu einem Rückgang der Zahl der Hausverkäufe um 14 Prozent geführt hat.

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Einen vergleichbaren Lock-in-Effekt gibt es freilich auch im Bereich gewerblicher Immobilienbewirtschaftung. Immobilien binden einen großen Teil des betrieblichen Kapitals. Der Wettbewerb erfordert, Kapital sparsam einzusetzen. Im Bereich der Immobilienbewirtschaftung, etwa im Rahmen von Corporate Real Estate Management, sorgen schon betriebswirtschaftliche Anforderungen an ein sorgfältiges Wirtschaften mit knappem Kapital dafür, dass Immobilien für betriebliche Zwecke ge- und verkauft werden müssen. So wie im privaten Bereich der Lock-in-Effekt zu Wohlfahrtsverlusten führt, sind auch Unternehmen betroffen. Deren Ressourcen werden durch die Grunderwerbsteuer unnötig im Unternehmen gebunden, weil Transaktionen weniger wirtschaftlich sind. Umstrukturierungen unterbleiben vielfach oder werden aufgeschoben, weil sie Grunderwerbsteuer auslösen würden. Dies sorgt für einen tendenziell unwirtschaftlicheren Kapitaleinsatz.

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Zu berücksichtigen sind zudem Ausweichreaktionen, um der Grunderwerbsteuer zu entgehen. Es besteht die Möglichkeit, dass Standorte mit niedrigerer Grunderwerbsteuer bevorzugt werden. Dies gilt insbesondere für die nordrheinwestfälischen Gemeinden in Grenznähe zu den Bundesländern Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, wo der Steuersatz derzeit bei 5,0 Prozent liegt.

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Schließlich ist die Grunderwerbsteuer im Hinblick auf ihr jährliches Aufkommen äußerst volatil und damit ungeeignet zu einer nachhaltigen Sanierung des Haushaltes. Beispielsweise ist das bundesweite Aufkommen der Grunderwerbsteuer im Jahr 1999 nur um rund 5 Prozent geringer als im Jahr 2011, obwohl zwischenzeitlich diverse Bundesländer - unter anderem Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt - den Steuersatz erhöht hatten. Wäre die Steuer weniger volatil, wäre sie zum beabsichtigten Zweck möglicherweise geeignet. Im Lichte ihrer Schwankungsanfälligkeit ist damit zu rechnen, dass sie die Haushaltsverantwortlichen zukünftig mit unerwarteten Einnahmeausfällen konfrontieren wird. Eine derart konjunkturabhängige Steuer dürfte - je höher ihre Bedeutung für die Einnahmensituation des Haushalts ist - wegen ihrer prozyklischen Wirkungen im Krisenfall die Haushaltsschwierigkeiten verstärken und im Aufschwung zu übertriebenen Ausgaben verleiten.

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