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Schuldnerschutz bei Kreditverkauf an Finanzinvestoren

Die Bundesregierung hat als Annex zum Risikobegrenzungsgesetz Formulierungsvorschläge für das Kreditwesengesetz und das Darlehensrecht vorgelegt, um auf den zunehmenden Verkauf von Krediten an Finanzinvestoren zu reagieren.1) Die Anhörung zu dem Maßnahmenkatalog hat am 23. Januar 2008 im Deutschen Bundestag stattgefunden und mehr Verwirrung als Aufklärung hinterlassen.

Die geplanten Änderungen

Jüngsten Presseberichten zufolge tummeln sich in Deutschland derzeit rund 60 Schuldenaufkäufer, weitere 150 stehen in den Startlöchern und noch einmal weitere 2 000 sondieren den Markt.2) Schätzungen gehen davon aus, dass in den vergangenen Jahren Kreditforderungen im Wert von rund 20 Milliarden Euro verkauft worden sind.3) Verbraucherorganisationen beklagen eine rabiate Vollstreckungspraxis und äußern die Sorge, dass auch zahlungsfähige Kunden, die ihre monatlichen Raten vertragsgemäß entrichten, von den Kreditaufkäufen betroffen werden könnten.4)

Zwar schütze die ordnungsgemäße Vertragserfüllung vor Kündigung, jedoch können von den Finanzinvestoren rechtliche Grauzonen ausgenutzt werden. Verliert eine Immobilie an Wert und kommt es zu einer Neubewertung von Sicherheiten, eröffnet sich auch bei fristgemäßer Überweisung der Kreditraten ein außerordentliches Kündigungsrecht, das Kreditaufkäufer nutzen können.

Der vorgeschlagene Entwurf des Bundesjustizministeriums sieht unter der Überschrift "Nicht abtretbare Kreditforderung" einen neuen § 16 KWG-E vor. Hiernach werden die dem Kreditwesengesetz unterfallenden Kreditinstitute dazu verpflichtet, ihren Kunden vor Abschluss eines Kreditvertrags unaufgefordert einen Kredit anzubieten, dessen Forderung nicht abgetreten werden darf. Dem Kunden soll so ein Wahlrecht eingeräumt werden. Er kann sich für ein abtretbares und damit für das Kreditinstitut refinanzierbares Darlehen oder für ein abtretungsresistentes und voraussichtlich mit einem höheren Zinssatz5) versehenes Darlehen entscheiden. Die mit dem Wahlrecht herbeigeführte bewusste Entscheidung des Kunden rechtfertigt aus Sicht des Bundesjustizministeriums, dass der Kunde bei einer Entscheidung für ein abtretbares, zinsgünstigeres Darlehen bereit sein muss, "die daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen"6).

Flankiert wird der künftige § 16 KWG-E von Änderungen im Darlehensvertragsrecht des BGB. Zunächst werden diese Vorschriften um einen § 492 a BGB-E ergänzt, der die Überschrift "Unterrichtungspflichten während des Vertragsverhältnisses" tragen soll. Diese neue Norm erfasst Darlehen mit Zinsbindung. Der Darlehensnehmer soll künftig drei Monate vor dem Ende der Zinsbindung darüber informiert werden, ob der Darlehensgeber zu einer neuen Zinsbindungsabrede bereit ist.7) Für diesen Fall muss die Unterrichtung des Darlehensnehmers mit einem Zinssatzangebot versehen sein sowie die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 1 Satz 5 BGB enthalten. Diese neue Erklärungspflicht trifft nach dem Formulierungsvorschlag auch einen Gläubiger, der das Darlehen übernommen hat.8)

Ein neuer Absatz 1 a) in § 496 BGB-E soll die Unterrichtung des Darlehensnehmers sicherstellen, wenn die Darlehensforderung abgetreten wird oder es zu einem Wechsel in der Person des Darlehensgebers kommt. Die Unterrichtung muss mit einem Hinweis auf ein Sonderkündigungsrecht erfolgen, welches im Rahmen eines neuen Absatzes 3 in § 490 BGB-E aufgenommen wird. Voraussetzung für dieses dreimonatige Sonderkündigungsrecht ab Kenntnis ist, dass der Kredit durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist, in der Person des Darlehensgebers ein Wechsel stattgefunden und der Darlehensnehmer diesem Wechsel nicht zugestimmt hat.

Am Ende des Begründungstextes zu dem Regierungsvorschlag findet sich ein weiterer Entwurfstext für einen § 490 Abs. 3 BGB-E.9) Dieser Vorschlag sieht vor, das Sonderkündigungsrecht auch bei Abtretungen von Kreditforderungen greifen zu lassen. Eine weitere Neuerung bringt die vorgesehene ersatzlose Streichung von § 498 Abs. 3 BGB. Damit finden die in dieser Vorschrift für notleidend gewordene Verbraucherdarlehen vorgesehenen Regelungen künftig auch Anwendung auf Immobiliendarlehensverträge. Nachzutragen bleiben zwei weitere Anpassungen: So wird § 354 a HGB-E um einen Absatz 2 ergänzt, der die in § 354 a Abs. 1 HGB enthaltene Regelung für Forderungen außer Kraft setzt, deren Gläubiger ein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes ist. Dieser Vorschlag sichert die nach § 16 KWG-E anzubietenden, nicht abtretbaren Kredite ab. Sodann soll in § 795 ZPO-E angefügt werden, dass auf die Zwangsvollstreckung aus den in § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bezeichneten Titeln § 717 Abs. 2 ZPO entsprechend anzuwenden ist. Danach bestünde eine verschuldensunabhängige Schadensersatzpflicht desjenigen, der zu Unrecht vollstreckt.

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen führen allerdings nicht zu einem besseren Schutz für den Darlehensnehmer. Zwar werden Unterrichtungspflichten sinnvoll ausgestaltet, der Schutz bei Abtretungen von Kreditforderungen oder einem Wechsel in der Person des Ver- tragspartners erweist sich jedoch nicht als nachhaltig.

Die Neuregelungen greifen zu kurz

Die Bundesregierung versucht mit § 16 KWG-E den Interessengegensatz von Kreditwirtschaft und Verbrauchern auszugleichen. Die Kreditwirtschaft hat ein hohes Interesse an der Verkehrsfähigkeit ihrer Kreditforderungen. Ihre Übertragbarkeit dient der Schaffung von Deckungsmassen für gedeckte Wertpapiere, der Eigenkapitalentlastung durch die Steuerung der Kapitalunterlegungspflichten und der Risikosteuerung.10) Abtretungsresistente Kredite schränken diesen freien Kapitalverkehr und damit die Refinanzierungsmöglichkeiten ein.

Die Pflicht zum Angebot nicht abtretbarer Kredite, die § 16 KWG-E für alle Kreditarten statuiert, erweist sich bei genauerer Betrachtung auch aus der Sicht des Kreditnehmers als nicht zwingend vorteilhaft. Der Preis für Kredite wird über ihre Refinanzierbarkeit mitbestimmt. Ob nicht abtretbare Kredite, die wegen § 354 Abs. 2 HGB-E auch für Sicherungszessionen nicht mehr zugänglich sind, dem Verbraucher zu bezahlbaren Zinskonditionen angeboten werden können, wird bezweifelt.11)

Im Zeitpunkt der Aufnahme eines Kredites stehen aber vornehmlich bezahlbare Zinssätze im Vordergrund. Sie beeinflussen gerade bei Immobilienfinanzierungen die Kreditentscheidung, weil die Höhe des Zinses in unmittelbarer Beziehung zu der Frage steht, ob der Verbraucher langfristig in der Lage ist, aus seinem Einkommen Zins- und Tilgungsraten zu bedienen. Die Zinsdifferenz entscheidet also, ob wirtschaftlich für den Kreditkunden tatsächlich eine Wahlmöglichkeit besteht. Je größer die Zinsdifferenz im Zeitpunkt der Kreditentscheidung ausfällt, desto weniger ist das Wahlrecht wert. Das Mehr an wirtschaftlichem Gestaltungsspielraum liegt damit nicht beim Kunden.

Die Erwägungen führen zurück zur Ausgangssituation. Von Kreditverkäufen betroffen sind vornehmlich Immobilienkredite. Beim Verkauf von Immobiliendarlehen werden die bestellten Grundpfandrechte sowie gegen den Kreditnehmer bestehende persönliche Titel aus der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung mit übertragen. Daher geht nicht die Sicherungsabrede bei dem durch Grundschulden gesicherten Immobiliendarlehen auf den neuen Gläubiger mit über. Diese Sicherungsabrede ist gerade prägend für das Vertrags- und Vertrauensverhältnis zwischen Kreditnehmer und Kreditinstitut. Da die Sicherungsabrede von der Grundschuldübertragung unabhängig ist12), steht ihr Fehlen der Zwangsvollsteckung aus der Grundschuld nicht entgegen.13)

Neben der umfangreichen Sicherheitenbestellung weisen Immobiliendarlehen weitere Besonderheiten auf. Gegenüber zeitlich kürzer angelegten Verbraucherkrediten ist dies vor allem die langfristig bestehende hohe Verschuldung des Kreditnehmers, die sein wirtschaftliches Risiko über viele Jahre ausdehnt und die Gefahr erhöht, durch Verlust des Arbeitsplatzes, Krankheit oder andere Umstände die Einkommensquelle und damit die Fähigkeit zur Kredittilgung zu verlieren.

Zwar beabsichtigt § 16 KWG-E mit der Schaffung einer Wahlmöglichkeit einen besseren Schutz für Kreditnehmer, der Erfolg dieser gesetzlichen Gestaltung für den Verbraucher hängt jedoch alleine davon ab, ob abtretbare Kredite zu wirtschaftlich annehmbaren Zinsen angeboten werden können. Diejenigen Verbraucher, die sich für ein abtretbares Darlehen entscheiden, bleiben schutzlos. Folglich wird § 16 KWG-E weder dem Interesse der Kreditwirtschaft an verkehrsfähigen Krediten noch dem Gedanken des Verbraucherschutzes gerecht.

Das Kündigungsrecht nach

§ 490 Abs. 3 BGB-E

Diese Kritik führt zu dem Sonderkündigungsrecht, das Eingang in § 490 Abs. 3 BGB finden soll. Abtretungen von Kreditforderungen werden in konsequenter Fortsetzung der mit § 16 KWG-E geschaffenen Wahlmöglichkeiten nicht erfasst. Hierauf verweist auch ausdrücklich die zum Entwurf vorgelegte Begründung.14) Das Sonderkündigungsrecht

regelt ausschließlich den Fall des Wechsels in der Person des Darlehensgebers.15) Dabei wird verkannt, dass es bei der Übertragung eines Schuldverhältnisses mit allen Rechten und Pflichten bereits nach geltender Rechtslage eines dreiseitigen Vertrages bedarf.16) Ohne Mitwirkung des Kreditnehmers ist folglich auch ohne Gesetzesänderung kein Wechsel in der Person des Kreditgebers im Wege der Einzelrechtsnachfolge in den Kreditvertrag möglich.17)

Das vorgeschlagene Kündigungsrecht verschlechtert demnach den vorhandenen Schutz des Kreditnehmers. Denn konnte dieser mit einer Verweigerung seiner Zustimmung den Vertragsübergang insgesamt unterbinden, reduziert der künftige § 490 Abs. 3 BGB-E diese Möglichkeit nun auf ein bloßes Kündigungsrecht. Der Kreditnehmer, der kündigt, muss aber auch wissen, wie er die dann fällig werdende Kreditsumme zurückzahlt. Die Vorfälligkeitsentschädigung, die der Kreditnehmer nach den vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht entrichten muss18), bietet nur einen schwachen Trost. Wer nicht in der Lage ist, die Kreditforderung zu bezahlen oder umzufinanzieren wird sich in der Zwangslage wiederfinden, die Zustimmung erteilen zu müssen oder die Frist für die Ausübung des Sonderkündigungsrechtes verstreichen zu lassen. Dies ist eine Konsequenz, die auf die Mehrheit der Kreditnehmer zutreffen dürfte. Offen bleibt auch die Frage, wie ein möglicher Schaden eines Kreditnehmers behandelt werden soll, wenn dieser im Zuge einer Umfinanzierung höhere Zinsen für ein neues Darlehen aufwenden muss. Dieser Sachverhalt engt den wirtschaftlichen Spielraum von Kreditnehmern ein und macht das Sonderkündigungsrecht in der Rechtspraxis zu einem stumpfen Schwert.19)

Es ist einleitend bemerkt worden, dass sich am Ende der von der Bundesregierung zu ihren Formulierungsvorschlägen gelieferten Begründung ein Hinweis auf eine gesetzliche Ausgestaltung des Sonderkündigungsrechtes unter Einschluss der Abtretung der Kreditforderung findet.20) Käme dieser im Gesetzgebungsverfahren zum Zuge, wäre § 16 KWG-E gänzlich obsolet. Wenn ebenfalls Abtretungen zu einem Sonderkündigungsrecht des Kreditnehmers führten, bedürfte es keines Wahlrechtes zwischen abtretbaren und nicht abtretbaren Krediten.21)

Bevor die Frage aufgeworfen wird, ob die Abtretung von Kreditforderungen aus Immobilienkrediten einer Zustimmungserfordernis in Anlehnung an § 415 BGB unterworfen werden sollen, ist auf den Vorschlag einzugehen, § 498 Abs. 3 BGB zu streichen.22) Dies hätte zur Folge, dass die Gesamtfälligstellung von Immobiliendarlehen nach den Regeln für Verbraucherkredite zu erfolgen hätte. Dies scheint fragwürdig, denn der Schuldner könnte das Risiko einer Kreditkündigung manipulatorisch umgehen.

Schwierigkeiten macht ferner die Anwendung der Zehn-Prozent-Schranke aus § 498 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Bei einem Annuitätendarlehen mit einem Zinssatz von fünf Prozent einer Darlehenssumme von 200 000 Euro und mehr als drei Jahren Laufzeit hätte die Schranke zur Folge, dass der Kreditgeber das Immobiliendarlehen erst nach einem Jahr kündigen könnte. Hinzu käme die Möglichkeit, die Kreditrate nur jeden zweiten Monat zu entrichten. Angesichts dieser missbräuchlichen Gestaltungsmöglichkeiten auf Seiten des Kreditnehmers, die den Grund für die geltende Fassung des § 498 Abs. 3 BGB bilden, ergibt die vorgesehene Streichung ohne jede Anpassung keinen Sinn.

Rechtsgedanke des § 415 BGB bietet sachgerechte Lösung

Die ergänzenden Vorschläge zum Risikobegrenzungsgesetz haben sich bei genauerer Betrachtung in ihrem Kern als ungeeignet erwiesen, den Schutz der Immobilienkreditnehmer zu verbessern. Eine Lösung bietet indes der Rechtsgedanke des § 415 BGB an. Eine Schuldübernahme durch Vertrag kommt erst wirksam zustande, wenn der Gläubiger seine Genehmigung erteilt. So wird das Interesse des Gläubigers geschützt, nicht mit einem Schuldner konfrontiert zu werden, mit dem er vertragliche Beziehungen beispielsweise wegen fehlender Bonität nicht eingegangen wäre.

Der Immobilienkreditnehmer hat wegen der bestellten Sicherheiten, der wirtschaftlich hohen Belastung, die ein solches Darlehen mit sich bringt, und der langen Laufzeit ein großes Interesse an der Vertragsbeziehung zu seiner Bank. Hinzu tritt bei Grundschulden der Umstand, dass die mit der Bank getroffene Sicherungsabrede nicht im Zuge der Abtretung auf den neuen Gläubiger übergeht. Es ist daher erforderlich, den Schuldner eines Immobilienkredites im Zeitpunkt der Abtretung zu schützen.

Vergleichbar der Schuldübernahme könnte deswegen die Wirksamkeit der Abtretung ausschließlich von Kreditforderungen aus einem Immobiliendarlehen von der Genehmigung des Kreditnehmers abhängig gemacht werden. Hieraus ergäbe sich zwar eine Einschränkung für die Verkehrsfähigkeit von Immobiliendarlehen, diese ist aber hinnehmbar, zumal sich die Genehmigungserfordernis auf die Fälle offener Abtretungen im Zuge von Forderungsverkäufen einschränken lässt, sodass Sicherungszessionen von dem Genehmigungsvorbehalt unberührt blieben.

Dieser Weg macht § 16 KWG-E mit der unnötigen Ausweitung der Angebotspflicht auf alle Kredite ebenso wie § 354 a Abs. 2 HGB-E entbehrlich. Desgleichen würde ein Sonderkündigungsrecht nicht benötigt, welches regelmäßig leerläuft, wenn dem Darlehensnehmer die Refinanzierung nicht gelingt.

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