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Die Änderungen des Realkreditrechts durch das Risikobegrenzungsgesetz

Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum sogenannten Risikobegrenzungsgesetz keine Regelungen für Immobiliendarlehen enthielt, sondern lediglich eine Absichtserklärung in der allgemeinen Begründung, schritt der Finanzausschuss des Bundestages selbst zur Tat und nahm entsprechende Vorschriften für Kreditverträge und Grundschulden auf. Das Gesetz wurde vom Bundestag am 27. Juni 2008 verabschiedet, der Bundesrat stimmte am 4. Juli 2008 zu. Es tritt einen Tag nach Verkündung in Kraft. Änderungen finden sich im Recht der AGB, im Darlehensrecht und im Recht der Grundschuld sowie im Vollstreckungsrecht.

Höhere Hinweis- und Mindestinhaltsbestimmungen

Zunächst ist das Stichwort "Transparenz" zu nennen. Die ohnehin nicht geringen Hinweis- und Mindestinhaltsbestimmungen bei Darlehensverträgen wurden weiter erhöht. Ist im Darlehensvertrag die Abtretung nicht ausgeschlossen oder an die Zustimmung des Kunden gebunden, so muss ein deutlich zu gestaltender Hinweis enthalten sein, dass der Darlehensgeber die Forderung ohne Zustimmung des Kunden abtreten und das Vertragsverhältnis auf einen Dritten übertragen darf (§ 492 Abs. 1a S. 3 und 4 BGB). Hinsichtlich der Übertragung des gesamten Kreditverhältnisses auf nicht im Voraus bekannte Dritte wird diese Regelung durch das Verbot einer AGB-Klausel solchen Inhalts flankiert (§ 309 Nr. 10 BGB n. F.). Eine derartige Bestimmung ist nur erlaubt, wenn der Vertragspartner wegen dieses Wechsels berechtigt ist, sich vom Vertrag zu lösen.

Das Fehlen der geschilderten Hinweise ist allerdings unschädlich, wenn das Darlehen ausgezahlt wird (§ 494 Abs. 2 S. 1 BGB). Das angeblich so wichtige Transparenzgebot wurde demnach wohl doch nicht für so wichtig gehalten, dass man einen Verstoß dagegen mit einer gravierenderen Sanktion (denkbar zum Beispiel ein Abtretungsausschluss) belegen wollte, so wie es etwa bei fehlenden Angaben zu den Zinsen der Fall ist (vergleiche § 494 Abs. 2 S. 2 BGB).

Die Transparenzpflichten betreffen auch die laufende Geschäftsbeziehung. So ist der Kunde spätestens drei Monate vor Ablauf der Zinsbindungsfrist darüber zu informieren, ob und zu welchen Konditionen die Bank bereit ist, für einen weiteren Zeitraum oder die Restlaufzeit eine neue Zinsbindungsabrede zu treffen (§ 492a Abs. 1 BGB n. F.). Läuft das Darlehen insgesamt aus, so ist der Kunde ebenfalls mindestens drei Monate vorher zu informieren, ob und zu welchen Bedingungen die Bank das Darlehen fortführen möchte. Für ein eventuelles Angebot sind die Konditionen dem Pflichtangabenkatalog des § 492 Abs. 1 S. 5 BGB entsprechend anzugeben (Nettodarlehensbetrag, Gesamtleistung, Rückzahlungsweise, Zinssatz und Kosten, effektiver Jahreszins, Versicherungskosten und zu bestellende Sicherheiten).

Bedingungen für die Kündigung

Wesentlich gewichtiger dürfte folgender Eingriff in die vertragliche Gestaltungsfreiheit sein: Die Kündigung eines Immobiliendarlehensvertrages darf erst erfolgen, wenn der Kunde mit mindestens zwei aufeinanderfolgenden Raten ganz oder teilweise in Verzug ist und der säumige Betrag mindestens 2,5 Prozent des Nennbetrages des Darlehens ausmacht (§ 498 Abs. 3 BGB n. F.).

Für einen Darlehensvertrag mit einem Nominalzins von 5,25 Prozent, was zurzeit etwa üblich ist, bedeutet dies bei einem Tilgungsanteil von einem Prozent einen Mindestrückstand von fast fünf Monatsraten, bei einer Tilgung von fünf Prozent fast drei Raten. In den bisherigen AGB findet sich insofern allenfalls die Regel, dass mindestens zwei volle Raten oder drei Raten teilweise offen sein müssen, zumeist noch geringere Anforderungen (etwa 14 Tage Verzug plus 14 Tage erfolglose Nachfrist oder bloßes erfolgloses Setzen einer angemessenen Frist nach Zahlungsverzug).

Informationspflichten nach Abtretung

Die mancherorts erhobene Forderung nach einem grundsätzlichen Verbot der Abtretung grundschuldgesicherter Darlehen setzte sich nicht durch. Stattdessen greifen auch hier die geschilderten Informationspflichten zur Zinsbindung und zu einer Darlehensfortführung. Der Zessionar muss hierüber informieren, wenn nicht bei der Abtretung vereinbart wurde, dass der Zedent weiterhin alleine gegenüber dem Kunden als Darlehensgeber auftritt.

Auch über die Abtretung selbst ist zu informieren, wenn eine solche Verabredung nicht vorliegt. Dabei sind die Kontaktdaten des neuen Gläubigers dem Kunden in einer den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nrn. 1-3 BGB-InfoV entsprechenden Weise mitzuteilen (vollständige Firma mit Handelsregisternummer und Name des Vertretungsberechtigten im Inland samt ladungsfähiger Anschrift). Wird die geschilderte Abrede zwischen Zedent und Zessionar aufgehoben, so ist die Unterrichtung des Kreditnehmers nachzuholen. Diese Regelungen betreffen auch Altverträge, wenn die Abtretung nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt (Art. 229 § 18 Abs. 1 EGBGB).

Entgegen der erst 1994 mit dem § 354a HGB eingeführten Regelung kann bei Handelsgeschäften ein Abtretungsverbot wirksam vereinbart werden, wenn der Darlehensgeber ein Kreditinstitut im Sinne des KWG ist (§ 354a Abs. 2 HGB n. F.). Mangels einer entsprechenden

Einschränkung umfasst dies auch Kredite an eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder an ein öffentlichrechtliches Sondervermögen, obwohl man hier an der Schutzbedürftigkeit sicherlich erhebliche Zweifel haben kann. Diese Änderung betrifft nur neu abgeschlossene Darlehensverträge (Art. 64 EGHGB).

Grundschuld-Kündigung mit sechsmonatiger Frist

Auch im Recht der (Sicherungs-)Grundschuld ergeben sich Änderungen. So kann vom gesetzlichen Regelfall, dass eine Grundschuld mit einer Frist von sechs Monaten zu kündigen ist (§ 1193 Abs. 1 BGB), bei neu zu bestellenden Sicherungsgrundschulden nicht mehr abgewichen werden (§ 1193 Abs. 2 S. 2 BGB n. F., Art. 229 § 18 Abs. 3 BGB). Bisher wurde in der Praxis die Grundschuld häufig als sofort fällig bestellt. Wie sich das Verbot einer sofortigen Fälligstellung auswirkt, wird die Praxis erst zeigen müssen. Das bislang übliche Prozedere der unmittelbaren Erteilung einer vollstreckbaren

Ausfertigung durch den Notar, das bereits umstritten war, dürfte künftig ausscheiden. Wegen der dargestellten Änderungen im materiellen Recht wird der Notar die vollstreckbare Ausfertigung künftig erst dann erteilen, wenn die Zustellung und der Ablauf der Kündigungsfrist nachgewiesen sind. Der Zugang der Kündigungserklärung ist in öffentlicher Urkunde zu belegen, das heißt, eine Zustellung durch den Gerichtsvollzieher ist nötig.

Außerdem ist unklar, ob die Kündigung der Grundschuld jederzeit möglich ist oder eine Säumnis des Kreditschuldners voraussetzt, denn dazu fehlt eine Aussage im Gesetz. Den neuen § 498 Abs. 3 BGB wird man kaum heranziehen können, da die Grundschuld natürlich weiterhin von der persönlichen Forderung unabhängig ist. Ferner ergäbe eine solche Sichtweise, dass die Einleitung der Zwangsvollstreckung erst sechs Monate nach Eintritt des qualifizierten Verzugs (mindestens zwei Raten und mindestens 2,5 Prozent des Nennbetrags) erfolgen kann. Es sollte demnach möglich sein, bereits nach Eintragung der Grundschuld die Kündigung durch eine zugestellte Erklärung auszusprechen, um nach Ablauf der Kündigungsfrist unter Vorlage der Zustellungsurkunde und der Kündigung die vollstreckbare Ausfertigung beim Notar zu beantragen. Im Ergebnis bedeutet das nur zusätzliche Kosten, nämlich die der förmlichen Zustellung der Kündigungserklärung, ohne die Stellung des Schuldners im Ergebnis zu verbessern.

Ein bisher nicht unbedingt leicht zu lösendes Problem vereinfacht sich: Wird eine Grundschuld abgetreten, hat sich der Zessionar alle Einreden des Eigentümers entgegenhalten zu lassen, die er, der Eigentümer, aufgrund der Sicherungsabrede mit dem ursprünglichen Gläubiger erheben kann. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs bezieht sich nicht auf die Einredefreiheit, sodass der Zessionar keine Kenntnis der Einreden haben muss (§ 1192 Abs. 1a BGB). Der neue Gläubiger rückt damit in Ansehung der Grundschuld vollständig in die Pflichtenstellung des ursprünglichen Gläubigers ein. Die Neuregelung gilt für alle Abtretungen nach Inkrafttreten des Gesetzes, auch für bereits eingetragene Grundschulden (Art. 229 § 18 Abs. 2 EGBGB). Da - wie die Bundesregierung selbst bekundete es bisher keineswegs üblich oder auch nur häufig war, persönliche und dingliche Gläubigerstellung zu trennen, bedeutet das keine wesentliche Änderung.

Geltendmachung von Einreden

Beim Geltendmachen der Einreden ergeben sich allerdings zwei echte Neuerungen: Zwar muss der Eigentümer natürlich weiterhin die Vollstreckungsgegenklage außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens erheben. Aber der vorläufige Rechtsschutz wird erleichtert, denn nach § 769 Abs. 1 S. 2 ZPO n. F. wird die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt, ohne dass eine Sicherheitsleistung durch den Schuldner erfolgen muss, wenn er dazu nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die Tatsachen, die das Bestehen einer Einrede als möglich erscheinen lassen, sind (nur) im Rahmen einer Glaubhaftmachung an Eides statt zu versichern. Es liegt nahe, dass die Gerichte nun im Rahmen von Vollstreckungsgegenklagen gegenüber einem Grundschuldgläubiger eine einstweilige Einstellung ohne Sicherheitsleistung als Regelfall ansehen.

Ergänzt wird das Ganze durch § 799a ZPO, der einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch gewährt, wenn die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig erklärt wird, und zwar sowohl in Bezug auf den dinglichen Anspruch aus der Grundschuld als auch hinsichtlich des zumeist gleichfalls erklärten abstrakten (persönlichen) Schuldanerkenntnisses. Diese Schadensersatzpflicht betrifft allerdings nicht den ursprünglichen Grundschuldinhaber, sondern nur Zessionare.

Die Regelung greift in allen Fällen, in denen die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde nach Inkrafttreten des Gesetzes für unzulässig erklärt wurde (§ 37 EGZPO), betrifft damit auch Alttitel, ja sogar vorher anhängig gewordene Klagen. Dieses Damoklesschwert dürfte dazu führen, dass bei der Vollstreckung sorgfältiger vorgegangen wird und eine nachlässige Informationspolitik, wie etwa im Rahmen des Falls, der der Entscheidung "Westend Olympic" des OLG München vom 26. Februar 2008 (Az. 5 U 5102/06, Wertpapiermitteilungen 2008, S. 688 ff.) zugrunde lag, nicht mehr vorkommt.

*) Bei Redaktionsschluss stand der Termin der Verkündung noch nicht fest.

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