Unternehmensstrategie

"Ein thesaurierendes Geschäftsmodell ist nicht diskriminierend"

Kommunale Wohnungsgesellschaften agieren in einem besonderen Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen der lokalen Politik auf der einen und den Erfordernissen des Marktes auf der anderen Seite. Wie weit muss der Geschäftsführer eines kommunalen Wohnungsunternehmens Politiker sein, wie weit darf er Unternehmer sein?

In der Vergangenheit kamen Geschäftsführer von kommunalen Wohnungsunternehmen häufig aus der Kommunalverwaltung. Zunehmend sieht man aber Geschäftsführer, die - von der Immobilie kommend - unternehmerisch geprägt sind. Diese Entwicklung ist begründet in der Tatsache, dass Wohnungsbewirtschaftung ein hohes Maß an Professionalität verlangt.

Um ein öffentliches Wohnungsunternehmen zu leiten, muss man Verständnis für die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten von Politik und Wirtschaft mitbringen. Dabei wird man übrigens typischerweise feststellen, dass die Protagonisten in Wirtschaft und Politik durchaus Verständnis füreinander haben. Übermäßig spannungsreich ist die Arbeit also nicht. Unternehmerisch schließlich sollte man schon veranlagt sein - und respektieren können, dass man als Geschäftsführer eines öffentlichen Unternehmens keine Eigentümerrechte geltend machen kann.

Wie viel Staat, wie viel Regulierung braucht es in der Wohnungswirtschaft?

Ohne Regeln gibt es keinen Markt. Unter regulatorischen Gesichtspunkten ist der Abschluss eines Mietvertrages nicht komplizierter als eine Kontoeröffnung. In der Finanzwirtschaft oder chemischen Industrie dürfte die Dichte an Gesetzen und Verordnungen insgesamt auch wesentlich größer sein. Allerdings sind die Gesetze rund um das Thema Wohnen - wie Arbeiten auch - für die Verbraucher in Deutschland als Schutzrechte ausgestaltet. An manchen Stellen ist diese Regulierung im Alltag störend; der Vorteil ist, dass wir im internationalen Vergleich einen funktionierenden Mietwohnungsmarkt haben.

Wo genau stört die Regulierung?

Wenn Mieter sich nicht vertragsgerecht verhalten, ist es für Vermieter oftmals schwierig, dem zu begegnen. Das betrifft sowohl das Verhalten gegenüber dem Vermieter als auch gegenüber Nachbarn. Jedoch ist festzustellen, dass wir in den Ländern, die kein ausgearbeitetes Mietrecht haben, die Menschen notgedrungen ins Wohneigentum flüchten. Was passiert, wenn der Wohnungsmarkt ohne einen funktionierenden Mietmarkt auskommen muss, sehen wir gerade in den USA und in Spanien. Deshalb noch einmal: Ein gewisses Reglement gehört zum Markt, damit er funktioniert.

Warum braucht es einen öffentlichen Wohnungsanbieter?

Zur sozialen Wohnungsversorgung. Aber auch für die Herstellung von öffentlichen Gütern wie Stadtentwicklung und Nachbarschaft. Schließlich sorgen die öffentlichen Unternehmen für funktionierende Mietwohnungsmärkte und erlauben damit eine Mobilität, auf die wir gesellschaftlich nicht verzichten können.

Tatsächlich sehen wir, dass die Regionen, in denen die Wohneigentumsquote niedrig ist, zu den reicheren gehören. Das gilt zum Beispiel für den internationalen Vergleich, wo wir den niedrigsten Wohneigentumsanteil in der Schweiz sehen, die weithin nicht als armes Land gilt.

Dagegen sind die Wohneigentumsquoten sehr hoch in Ländern wie Ungarn oder Lettland. Dasselbe wiederholt sich in Deutschland: Die höchste Wohneigentumsquote haben wir im Saarland, eine der niedrigsten in Hamburg, das zu den reichsten Regionen in Europa zählt.

An der Entwicklung funktionierender Mietwohnungsmärkte haben öffentliche Unternehmen einen erheblichen Anteil. Erstens sind sie entstanden, um Wohnungsmangel zu lindern, wenn er übermächtig und damit politisch virulent wurde. Das war in Deutschland immer wieder seit der Migration zu Zeiten der Industrialisierung der Fall. Zum Zweiten hat der öffentliche Wohnungsbau Standards gesetzt hinsichtlich Ausstattung und Funktionsfähigkeit. Das damit die Qualität im Mietwohnungsmarkt gefördert wurde, wird zum Beispiel im Vergleich des hiesigen Wohnungsstandards mit Großbritannien deutlich.

Auch im Fall schrumpfender Märkte sind es die öffentlichen Wohnungsunternehmen, die maßgeblich zur Funktionsfähigkeit des Marktes beitragen. Das hat sich im Stadtumbau bewahrheitet. Die LWB hat 70 bis 80 Prozent des Wohnungsabrisses in der Stadt übernommen und damit anderen, privaten Wohnungsanbietern wieder einen Ansatz zum investieren gegeben.

Welche Erwartungen hat die Stadt an ihre Wohnungsbaugesellschaft?

Operativ sind es im Wesentlichen zwei: Erstens haben wir die soziale Wohnraumversorgung sicher zu stellen. In Leipzig sind sowohl die Arbeitslosenquote als auch der Anteil der Bedarfgemeinschaften an der Bevölkerung sehr hoch. Zweitens sind wir aktiv an Stadtumbau und Stadtentwicklung beteiligt. Dazu gehört auch, dass wir in den Quartieren soziales Management betreiben. Konkret setzen wir diese Aufgaben zum Beispiel mit einer Seniorenbeauftragten oder einer Jugend- und Familienbeauftragten um. Wir vermieten Wohnungen an Tagesmütter, um in den Wohnvierteln die Kinderbetreuung zu realisieren. Darüber hinaus halten wir eine Reihe von Angeboten im Senioren- und Mehrgenerationenwohnen vor. Ein weiteres Projekt heißt "Nachbarn helfen Nachbarn", bei dem Stadtteilpaten neue Mieter dabei unterstützen, sich im Viertel zurechtzufinden.

Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, ist es erforderlich, dass die LWB betriebswirtschaftlich erfolgreich arbeitet. Auch das erwartet die Stadt. Denn nach der existenzbedrohenden Krise in den neunziger Jahren war jedem deutlich, dass öffentliche Aufgaben von der Gesellschaft nur auf der Basis betriebswirtschaftlicher Solidität erfüllt werden können. Nach der lebhaften Marktentwicklung in der Stadt ist der Weg steinig. Manche Mieterwartungen, die in den neunziger Jahren gehegt wurden, haben sich nicht realisiert. Auch blieb der Stadtumbau, in dessen Folge die LWB annähernd 10 000 Wohnungen abgerissen hat, natürlich nicht folgenlos für die Bilanz. Diese Effekte werden auch von Förderprogrammen nicht vollständig aufgefangen.

Schließlich hat die LWB erhebliche Schulden aus der Vor- und Nachwendezeit zu tragen. Etwa die Hälfte der derzeitigen Bankverbindlichkeiten von 850 Millionen Euro betreffen Altschulden aus der DDR-Zeit und Verbindlichkeiten aus dem Anfang der neunziger Jahre. In den letzten Jahren ist es dennoch gelungen, die Verbindlichkeiten um 150 Millionen Euro zurückzuführen und 250 Millionen Euro Bürgschaften der Stadt zurückzugeben. Seit etwa fünf Jahren verzeichnen wir erstmals in der Geschichte der Gesellschaft Umsatzzuwächse. Der operative Cash-Flow konnte um annähernd 40 Millionen Euro verbessert werden.

Was erwarten Sie von Ihrem Eigentümer?

Wir sind unserer Eigentümerin dankbar, dass sie unseren Konsolidierungskurs unterstützt. Dazu gehört, dass sie neben einer behutsamen Bestandssanierung auch die Tilgung der Verbindlichkeiten zulässt, indem sie keine Entnahmen tätigt. Denn die Konsolidierung ist - wie gesagt - erforderlich, um die operativen Aufgaben, die der Gesellschaft gestellt sind, ausbauen zu können. Dazu könnte zukünftig - auch in Leipzig - gehören, dass die Wohnungsgesellschaft in Kooperationsprojekten zum Beispiel die Sanierung öffentlicher Gebäude übernimmt - speziell Schulen und Kindergärten, weil diese Einrichtungen für die Wohnqualität in den Quartieren von erheblicher Bedeutung sind.

Das ist ein wesentliches Element des Begriffes "Stadtrendite": Dass Wohnungsgesellschaften das Bewirtschaftungsergebnis nicht ausschütten, sondern thesaurieren. Anstatt Liquiditätsvorteilt für den Eigentümer entsteht mit der Reinvestition in die Bestände eine Wertsteigerung der Objekte und damit ein Vermögensgewinn.

Dieses Modell wird in Deutschland derzeit diskutiert, weil mit dem Rückzug des Staates aus der Wohnungspolitik die Städte als Eigentümerin der Gesellschaft erstmals entscheiden können, welchen Ergebnisbeitrag sie von ihren Wohnungsgesellschaften erwarten. Städte haben sehr unterschiedliche Vermögensgegenstände, von denen sie sehr unterschiedliche Ergebnisbeiträge erwarten. Von ihren Versorgungsunternehmen erwarten sie eine Ausschüttung, bei Straßen ist es sehr ungewöhnlich, über die Erhebung von Mautgebühren die Investitionskosten zu refinanzieren.

Irgendwo dazwischen werden die Wohnungsgesellschaften angesiedelt werden. Gegen ein reines Ausschüttungsmodell spricht schon die Tatsache, dass die Wohnungsgesellschaften typischerweise keine Monopolstellung besitzen. Das Gebot einer Ausschüttung käme insofern einer Art Sondersteuer für die Bevölkerungsschichten gleich, die sich kein Wohnungseigentum leisten können.

Aber nun kann Ihnen bei dem thesaurierenden Modell vorgeworfen werden, nicht gewinnorientiert vermieten zu müssen, also den Markt kaputt zu machen. Wie begegnen Sie diesem Vorwurf in einem so wettbewerbsintensiven Umfeld wie Leipzig?

Mit Information. Tatsächlich ist gerade in Leipzig zu beobachten, dass in erheblichem Umfang Wohnungsbestände mit indirekter Förderung subventioniert werden. Dazu gehört zum Beispiel die Sanierung denkmalgeschützter Objekte, die sich nur aufgrund steuerlicher Förderung rechnen. In Summe sind die indirekten Förderungen in der Immobilienwirtschaft nach den wenigen, nicht leicht zugänglichen Statistiken, nicht nur

in Leipzig, sondern in Deutschland insgesamt deutlich höher als die häufig zitierten direkten Subventionen. Zudem ist ein thesaurierendes Geschäftsmodell nicht diskriminierend, sondern steht jedem offen; und der positive Effekt für die Stadtentwicklung ist offenbar. Übrigens trifft auch nicht zu, dass die LWB mit marktfremden Mietpreisen auftritt. Mit einer Spitzenmiete von etwa zehn Euro pro Quadratmeter gehören wir durchaus zu den Marktführern in Leipzig. Auch die Durchschnittsmiete von etwa 4,50 Euro pro Quadratmeter ist absolut marktadäquat. Das bestätigen uns nicht zuletzt Wirtschaftsprüfer. Die für den hiesigen Markt beachtliche Vermietungsquote von annähernd 95 Prozent ist also nicht preisinduziert.

Wie weit kann die LWB mit ihrem Marktanteil auch tatsächlich Markt machen?

In der Vermietung nurmehr quartiersbezogen. Allerdings haben wir im Stadtumbau durchaus Markt gemacht. Vor rund sieben Jahren haben wir annähernd 25 000 Wohnungen aus der Vermietung genommen. 10 000 Wohnungen waren zum Abbruch vorgesehen, 15 000 zum Verkauf. Das waren annähernd acht Prozent des gesamten Leipziger Wohnungsbestandes. Im Zuge dessen kam es zu einer gewissen Konsolidierung der Preise. Denn die Wohnungen waren dem Markt entzogen. Der physische Abbruch der Gebäude hat diesen wirtschaftlichen Effekt dann prolongiert.

Heute hat die LWB mit einem Marktanteil von gut zehn Prozent den geringsten unter den kommunalen Wohnungsgesellschaften in Ostdeutschland. Wir bewegen uns in etwa auf dem Niveau von Städten wir Hamburg, Berlin, Bremen oder Frankfurt am Main. Der Marktanteil ist höher als etwa in München, Stuttgart oder Nürnberg. Gemessen am Marktanteil sind wir also im Westen angekommen.

Wie sah das Stadtumbau-Programm konkret für die LWB aus?

Die LWB hat - wie gesagt - mit Fördermitteln rund 10 000 Wohnungen abgebrochen und ohne Stadtumbaumittel rund 2 500 saniert. Im Stadtumbau wurde mit 4 000 Mietern ein Umzug vereinbart. Dabei waren wir nur einmal vor Gericht und haben uns zu für uns günstigeren Konditionen verglichen. Die Mitarbeiter haben einen ausgezeichneten Job gemacht. Inzwischen haben wir die Spezialabteilungen, die sich im Stadtumbau mit Mietergesprächen und Abbruchmaßnahmen beschäftigt haben, weitestgehend aufgelöst.

Denn der bisherige Stadtumbau ist vor dem speziellen, demografischen Hintergrund der Stadt zu sehen: Leipzig hatte vor dem 2. Weltkrieg rund 750 000 Einwohner. Durch den Krieg und den Holocaust verlor Leipzig annährend 100 000 Einwohner. Auch in der DDR-Zeit ging die Bevölkerung nochmals um 100 000 Einwohner zurück. Annähernd ebenso viele Einwohner verließen Leipzig nach der Wende; nicht nur in den Westen, sondern vor allem in das Umland. Dennoch wurden zwischen 1949 und 1989 weit über 100 000 Wohnungen neu errichtet, während gleichzeitig in den Altbaubeständen Wohnraum verfiel. Im Zuge der Fördergesetzgebung wurden nach 1989 viele Altbauten saniert. Gleichzeitig entstanden an der Peripherie neue Eigenheimsiedlungen und - namentlich in Randgemeinden - auch Geschosswohnungsbauten. Diese historischen Verwerfungen führten zu einem erheblichen Überangebot.

Heute ist Leipzig eine wachsende Stadt. Auch für die Zukunft werden steigende Einwohnerzahlen prognostiziert. Dennoch ist absehbar, dass in einzelnen Quartieren per Saldo Abrissmaßnahmen erforderlich sind.

Ist der Markt wie erhofft bereinigt worden?

Die Marktbereinigung ist einerseits durch den Abriss von Wohnungen erreicht worden. Gleichzeitig haben die Erfolge bei der Ansiedlung von Gewerbebetrieben dazu geführt, dass Leipzig einen Zuzug verbuchen konnte und sich die Nachfrage nach Wohnraum stabilisiert hat. Derzeit beträgt der Wohnungsleerstand rund 15 Prozent. Ein Abriss von Wohnungen wird weiterhin erforderlich sein.

Allerdings sind die Bereiche der Stadt, in denen der Abriss vollzogen werden wird, nicht mehr so eindeutig bestimmbar, wie es vormals der Fall war. Einerseits konzentriert sich derzeit ein erheblicher Leerstand in den Beständen des Kleinwohnungsbaus aus der Wilhelminischen Zeit - im "alten Osten" und "alten Westen". Aus städtebaulichen und architektonischen Gründen sowie aufgrund der kleinteiligen Eigentümerstruktur wird es aber keinen Großflächenabriss geben können. Damit bleibt offen, wie diese eher lageungünstigen Bestände gegenüber jenen Stadtvierteln wettbewerbsfähig werden sollen, die lagebegünstigt sind und nach der Wende mit erheblichen Fördermitteln restauriert wurden.

Wie erfolgreich ist der Stadtumbau in Leipzig? Was muss noch getan werden?

Bedarfe und Erfolge sind augenscheinlich, wenn man durch die Straßen geht. Rund 80 Prozent der Altbaubestände sind zwischenzeitlich saniert. Daneben finden sich in unterschiedlicher Konzentration in den Stadtteilen Gebäude, die offensichtlich vom Verfall bedroht sind. Das Programm "Stadtumbau Ost" ist sehr ambitioniert. Das ist gut so, auch wenn sich möglicherweise nicht alle Hoffnungen, die mit ihm verbunden sind, erfüllen lassen. Aus der Ernüchterung, dass auch 20 Jahre nach der friedlichen Revolution noch nicht alles so ist, wie man es sich wünscht, ist aber auch eine neue Kraft erwachsen: Es gibt eine Vielzahl von Initiativen, die sich auf lokaler Ebene um ihr unmittelbares Umfeld kümmern. Dazu gehören Bürgervereine, Stadtteilinitiativen und vielfältige Formen ehrenamtlichen Engagements. Damit wird an die Leipziger Tradition als Bürgerstadt angeknüpft.

Nach meiner Einschätzung werden diese Initiativen in einer zweiten Phase des Stadtumbaus an Bedeutung deutlich gewinnen. Nicht zuletzt, weil mit erheblicher Bautätigkeit in den vergangenen 20 Jahren auch massive Wanderungsbewegungen in der Stadt einhergegangen sind; und damit ist ein Bedürfnis entstanden, neue Nachbarschaften zu etablieren. Deshalb ist die LWB in diesem Feld mit vielfältigen Aktivitäten präsent. Sie wurde dafür kürzlich mit dem Agenda Preis der Stadt Leipzig ausgezeichnet.

Nirgendwo in Deutschland sei Mieten vom Preis-Leistungsverhältnis so attraktiv wie in Leipzig, fand eine Studie jüngst heraus, die Angebot, Nachfrage und Konditionen in verschiedenen Städten verglichen hat. Wie schaffen Sie es in diesem Markt, auf Ihr Unternehmen aufmerksam zu machen?

Zunächst einmal sehr konventionell: Wir werben. Dabei konzentrieren wir uns auf die "biographischen Brüche", die Menschen veranlassen, sich eine neue Wohnung zu suchen. Das kann das Ausziehen aus dem Elternhaus sein, etwa von Studenten und Auszubildenden, das Zusammenziehen mit Freund oder Freundin, die Familiengründung oder das Einrichten im Alter. Auch für den Scheidungsfall haben wir ein passendes Angebot. Diese Art der Kundenansprache und die dazugehörigen Werbekampagnen der LWB wurden in den vergangenen Jahren verschiedentlich ausgezeichnet. Kürzlich sogar von unseren Wettbewerbern, der Maklervereinigung IVD.

Ein Geheimnis des Erfolges könnte sein, dass in unserer Werbung nicht im Mittelpunkt steht, den Mieter mit Incentives zu locken. Vielmehr zielen wir darauf ab, ihn mit unseren Angeboten zu einem dauerhaften Mietverhältnis einzuladen. Denn wir haben beobachtet, dass die Verweildauer in einer Wohnung - mathematisch ausgedrückt - einer Hyperbelfunktion folgt: Je länger ein Mietverhältnis dauert, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es fortbesteht.

Zudem messen wir den Erfolg unserer Kampagnen sehr genau. Wir analysieren, wie viele Anfragen in welcher Zeit bei uns im Zuge einer Kampagne eingegangen sind. Wir erfassen, wie viele Interessenten zu den Besichtigungen gekommen sind und wer schließlich einen Mietvertrag unterschrieben hat. So erkennen wir, welche Anreize funktionieren und welche nicht. Das ist wichtig, weil wir feststellen, dass Kampagnen für die wir gelobt werden, oftmals nicht diejenigen sind, die auch erfolgreich sind.

Last but not least: Entscheidend ist, dass die Dienstleistung für den Mieter, der bei uns wohnt, stimmt. Erstens weil wir Mieter über Empfehlung gewinnen. Zweitens weil wir nur auf diese Art Mieter halten können. Deshalb haben wir zusätzlich zur Mieterbetreuung ein Beschwerdemanagement etabliert, beschäftigen eine Ombudsfrau und haben ein Kundentelefon eingerichtet, mit dem wir für die alltäglichen Fragen rund um das Mietverhältnis erreichbar sind. Es ist kein externes Callcenter, sondern an unser EDV-System angeschlossen und damit in der Lage, einen Großteil der Anliegen selbst zu bearbeiten.

Welche Zielgruppen dominieren die Wohnungsnachfrage in der Stadt? Wie muss das Angebot ausgerichtet werden?

Die beiden nach der Wohnungsmobilität entscheidenden Gruppen sind einerseits die Jungmieter, wie Studenten und Auszubildende, und die älteren Mieter, die eine Wohnung suchen, in der sie weiterhin selbstbestimmt leben können.

Für die älteren Mieter bieten wir verschiedene Formen betreuten Wohnens an. Dabei steht für uns im Mittelpunkt, dass die Betreuungsangebote zum Wohnen frei gewählt werden können, also nicht mit dem Mietvertrag gekoppelt sind. Über 15 Prozent unserer Wohnungen sind für ein Leben auch im hohen Alter geeignet. Für die Angebotsvielfalt, die bis zu einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke reicht, wurde die LWB bereits ausgezeichnet. Eine Seniorenbeauftragte, die mit den Einrichtungen in der Stadt gut vernetzt ist, steht unseren Mietern für alle Fragen rund um das Wohnen im Alter zur Verfügung.

Studenten sind - entgegen dem Vorurteil - eine recht heterogene Gruppe. Entsprechend reicht unser Angebot von der klassischen Studentenbude über die Wohngemeinschaft bis zu "normalen" Wohnungen. Derzeit projektieren wir Appartements, die teilmöbliert sind und Gemeinschaftseinrichtungen vorsehen. In verschiedenen Projekten mit Hochschulen haben wir darüber hinaus von Studenten für ihre Zielgruppe Projekte entwickeln lassen, die wir durchaus auch realisieren. Dabei zeichnet sich ab, dass für Studenten zum einen Begegnungsmöglichkeiten wie Grillplätze, Gemeinschaftsräume und Ähnliches wichtig sind; gleichzeitig legen sie Wert darauf, dass ihnen Mobilität ermöglicht wird, indem größere Anschaffungen etwa bei der Kücheneinrichtung vermieden werden können.

Wie erfolgreich war ihre Kampagne, Senioren aus dem Westen der Republik zu einem Umzug nach Leipzig zu bewegen?

Per Saldo hat diese Kampagne zum Abschluss von mehr als 100 Mietverträgen geführt. Das ist wirtschaftlich äußerst erfolgreich, insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass der Aufwand im Vergleich zu herkömmlicher Werbung vergleichsweise gering war. Denn die mediale Aufmerksamkeit haben wir nicht bezahlt. Und die Kosten einer Bustour nach Leipzig sind durchaus überschaubar.

Die Kampagne zielte vor allem auf zwei Gruppen. Zum einen wollten wir Senioren ansprechen, die bereits einmal in Leipzig gewohnt haben. Wir haben uns überlegt, dass diejenigen, die 1990 etwa 40 Jahre alt waren und Leipzig aus beruflichen Gründen verließen, heute das Rentenalter erreichen. Bei ihnen konnten wir an die positiven Erinnerungen an die Stadt anknüpfen. Zweitens wollten wir die Eltern derjenigen ansprechen, die in den letzten zwei Jahrzehnten aus beruflichen Gründen nach Leipzig gezogen sind. Den Eltern dieser "Wossis", ich bin auch so einer, wollten wir zeigen, dass sie günstig und gut in der Nähe ihrer Kinder und Enkel wohnen können. Diese familiäre Nähe ist auch hinsichtlich eines möglichen Pflegebedarfs vorteilhaft und spricht für einen Umzug.

Die sozialen Probleme sind im Osten allgemein und auch in Leipzig gravierender als in vielen westdeutschen Kommunen. Wie managen Sie den Mieterbestand in den Quartieren, um soziale Stabilität zu gewährleisten?

Zunächst: Die Durchschnittseinkommen sind niedriger. Das heißt nicht, dass alle sozialen Probleme, etwa in der Nachbarschaft, größer sind als in westdeutschen Kommunen. Persönlich fand ich die sozialen Konflikte in Hamburg oder Frankfurt am Main sehr viel eindrücklicher und nehme das soziale Leben in Leipzig als ausgeglichener wahr. Das hat nicht zuletzt damit zu tun, dass es in Ostdeutschland aufgrund der meist entspannteren Wohnungsmärkte nur relativ kurzfristig eine Belegungspraxis gegeben hat, die die Bildung sozial homogener Quartiere begünstigte. Während in vielen westdeutschen Städten deshalb die Plattenbausiedlungen als soziale Brennpunkte gelten, ist das auf Leipzig nicht übertragbar. Und die Höchstwerte der Arbeitslosen- und Sozialhilfestatistik werden in Altbauquartieren erreicht.

Zugleich zählt das Pro-Kopf-Einkommen in Grünau, der größten Plattenbausiedlung der Stadt, nach wie vor zu den höchsten in Leipzig.

Hinzu kommt, dass wir mit sogenannten "Service Kiosken" an 20 Standorten in der Stadt versuchen, eine Nähe zum Mieter zu gewährleisten. Hier können unsere annähernd 60 Mieterbetreuer als Ansprechpartner vor Ort viele Dinge klären. Sie arbeiten dabei abwechselnd in den Kiosken und in unserer Zentrale, wo wir nur noch non-territoriale Arbeitsplätze für die Mieterbetreuer vorhalten. Dazu sind wir mit einem eigenen Hausmeisterbetrieb in den Wohnanlagen präsent und stehen den Mietern für ihre Fragen und Sorgen zur Verfügung.

Aber es stimmt schon, wir haben auch ein professionelles Sozialmanagement eingerichtet, um in einer Reihe von Einzelfällen gezielt Hilfe anbieten zu können. Das beginnt mit der Schuldnerberatung, die übrigens maßgeblich dazu beiträgt, unseren Forderungsausfall zu begrenzen; und es reicht bis zu Nachbarschaftskonflikten oder persönlichen Einzelschicksalen.

Aber Mietausfälle können Sie damit nicht prognostizieren, oder?

Das Ausbleiben einer Mietzahlung kann recht unterschiedliche Gründe haben. Nach meiner Erfahrung ist die Zahlungsmoral ärmerer Menschen beileibe nicht schlechter als die der besser Gestellten. Was wir in der Schuldnerberatung aber leisten können, ist, dem säumigen Mieter, der zahlen will, aber nicht kann, Wege aus der Schuldenfalle aufzuzeigen. Zum Beispiel mit günstigeren Wohnungsangeboten. Ist die Zahlungsunfähigkeit nur temporär, reicht oftmals eine Ratenzahlungsvereinbarung.

Im Rahmen der Altschuldenregelung mussten sie Wohnungsbestände verkaufen. Wie können Sie heute von diesem Know-how profitieren?

Die Altschuldenregelung ist sicherlich eine verwaltungsrechtliche Spezialität. Das dabei gewonnene Wissen können wir hoffentlich beizeiten auch wieder vergessen. Richtig ist allerdings, dass in dieser Zeit eine Reihe von Wohnungen privatisiert wurden; und diese ordnungsrechtliche Vorgabe, den Marktanteil der LWB zu begrenzen, bis in die jüngste Zeit nachgewirkt hat.

Auch im Stadtumbau haben wir wie dargestellt bislang rund 10 000 Wohnungen verkauft. Mit den dort noch wohnenden Mietern haben wir allerdings im Vorfeld in aller Regel Umzugsvereinbarungen getroffen. Denn die Häuser waren meist in einem Umfang sanierungsbedürftig, dass ein Verbleib der Mieter während der Bauarbeiten nicht möglich war.

Welche Rolle spielen Mieterprivatisierungen?

Wir haben in der Vergangenheit verschiedene Erfahrungen mit Mieterprivatisierungen im Geschosswohnungsbau gesammelt. Im industriellen Wohnungsbau waren die Versuche überwiegend nicht erfolgreich. An verschiedenen Stellen haben allerdings Mieter voll sanierte Eigentumswohnungen als Selbstnutzer erworben. Die dafür vorgesehenen Bestände sind weitgehend verkauft, sodass wir überlegen, dieses Geschäft zu reaktivieren.

Daneben beteiligen wir uns an dem sogenannten "Selbstnutzerprogramm" der Stadt Leipzig. Es sieht vor, dass Nutzergruppen für leer stehende und sanierungsbedürftige Altbauten gefunden werden, die das Haus dann sanieren und eine Wohnungseigentümergemeinschaft bilden.

Schließlich bieten wir eine Reihe von Baugrundstücken für Einzelhäuser zum Verkauf an. Häufig handelt es sich hierbei um Flächen, auf denen zuvor Mehrfamilienhäuser abgerissen wurden. Diese Grundstücke haben den Charme, in einem gewachsenen, städtischen Viertel zu liegen und zum Beispiel über einen alten Baumbestand zu verfügen. Die Sterilität von Neubaugebieten kommt hier nicht auf. Damit versuchen wir auch, einer Abwanderung aus der Stadt zu begegnen, und insbesondere Angebote für junge Familien zu schaffen.

Sie könnten die Eigenheime doch selbst bauen und anschließend vermieten oder veräußern. Warum begnügen Sie sich mit dem Grundstücksverkauf?

In einem übersichtlichen Umfang betreiben wir tatsächlich ein eigenes Bauträgergeschäft und errichten entsprechend auch Eigenheime. Andererseits ist es für uns sinnvoll, verschiedene Vertriebswege zu nutzen; deshalb kommt auch der reine Grundstücksverkauf für uns in Frage. Mietwohnungen zu errichten, ist augenblicklich nicht die Zeit. Wenn man einerseits tausende von Wohnungen abreißt, ist es sehr schwierig zu erklären, dass man andererseits neue errichtet. Aber ich bin sicher, dass in absehbarer Zeit in Leipzig auch wieder Geschosswohnungen neu errichtet werden; ich würde mich freuen, wenn die LWB dann dabei wäre.

Wenn Neubau für die LWB derzeit nicht opportun ist, wie managen Sie dann ihre Bestände aktiv?

Zunächst selbstverständlich durch behutsame Sanierungstätigkeit. Es ist erforderlich, die Wohnungen den aktuellen Bedürfnissen unserer Mieter anzupassen. Dabei stehen die genannten Zielgruppen im Mittelpunkt. Hinzu treten - wie gesagt - Vermietung und Verkauf. Daneben haben wir in geringerem Umfang Bestände gekauft. Vor allem in den Jahren 2003 bis 2005, als sanierte Bestände sehr günstig angeboten wurden, haben wir selektiv Käufe getätigt.

Wie sind die LWB-Bestände finanziert?

Die Altschulden aus DDR-Zeiten sind mit einer Bürgschaft der Stadt Leipzig besichert. Die Modernisierungsmaßnahmen wurden überwiegend mit grundschuldbesicherten Objektfinanzierungen realisiert. Daraus hatten sich im Laufe der Jahre recht unübersichtliche Finanzierungsstrukturen mit etwa 600 Darlehen entwickelt. Vor einigen Jahren haben wir deshalb im Zuge einer Umfinanzierung eine Neuordnung vorgenommen. Die heutige Unternehmensfinanzierung basiert auf deutlich weniger Darlehen. Im Einzelfall wurden Darlehen auch verbrieft. Zur Zinssicherung sind verschiedentlich Swaps abgeschlossen worden, die mit den variabel verzinslichen Darlehen eine Bewertungseinheit bilden.

Der Gesetzgeber hat der Wohnungswirtschaft harte Auflagen für die energetische Sanierung vorgegeben und die Kritik will nicht verstummen, dass einiges davon wirtschaftlich gar nicht darstellbar sei. Was kann ein großer Wohnungsanbieter wie die LWB in einem Markt, in dem die Haushalte auch aufgrund der relativ niedrigen Einkommen kaum mehr Miete zahlen können, an energetischer Gebäudesanierung leisten? Was rechnet sich?

In der Tat liegt das durchschnittliche Haushaltseinkommen in Leipzig mit annähernd 1 350 Euro vergleichsweise niedrig. Daher ist der Anteil, der für die Miete aufgewendet werden kann, relativ gering. Deshalb versuchen wir, verschiedene Angebote für unterschiedliche Geldbeutel vorzuhalten. Grenzen sind der energetischen Sanierung auch aufgrund der Bautypen gesetzt. Denn entgegen dem Vorurteil ist annähernd die Hälfte unserer Wohnungen in denkmalgeschützten Gebäuden gelegen. Da waren zum Beispiel Außendämmungen kaum zu erreichen.

Die angesprochene Angebotsspreizung versuchen wir auch im industriellen Wohnungsbau fortzusetzen. Einerseits haben wir in einem Plattenbau mit ausgeprägter Lagegunst eine energetische Sanierung umgesetzt, mit der wir Niedrigenergiestandard erreicht haben. Dieses in Zusammenarbeit mit der Deutschen Energieagentur Dena realisierte Projekt ist zu einem erfreulichen Preis voll vermietet.

Andererseits sehen wir es auch als unsere Aufgabe an, energetische Sanierungskonzepte für Kunden zu entwickeln, welche bei der ersten Miete mehr sparen müssen. Daher haben wir im Rahmen des vom Bundesministerium für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung ausgelobten Wettbewerbs "Energetische Sanierung von Großwohnsiedlungen" ein Projekt eingereicht, das sich als auf Dauer angelegte Forschung versteht, welche energetischen Sanierungen mietneutral durchgeführt werden können. Energetische Sanierung also so, dass der Mieter bei den Nebenkosten soviel spart, wie er bei der Kaltmiete modernisierungsbedingt mehr bezahlen muss. Für dieses Projekt arbeiten wir mit der Stadt Leipzig, zwei hiesigen Hochschulen und verschiedenen Planungsbüros zusammen.

Wie zufrieden sind die Leipziger mit ihrer Wohnungsbaugesellschaft?

Eine Bürgerbefragung ergab relativ gute Werte für uns. Auch Imagebefragungen, die wir beizeiten durchführen, bestätigen diesen Trend. Dabei sind diejenigen, die bei uns wohnen, insgesamt zufriedener mit der LWB, als diejenigen, die uns nur von außen kennen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die LWB in der Vergangenheit erhebliche ordnungspolitische Aufgaben wahr genommen hat: Außer im Stadtumbau etwa in der Vermögensklärung, wo sie einen Restitutionsbestand von in der Spitze 65 000 Wohnungen verwaltete. Das entspricht etwa dem gesamten Wohnungsbestand einer Stadt wie Jena oder Hildesheim. Heute sind für 147 Wohnungen die Restitutionsansprüche zu klären. Sie können sich vorstellen, dass der Weg dahin steinig war.

Ist der deutsche Mieter hinsichtlich öffentlicher Wohnungsunternehmen besonders kritisch?

Ich finde es positiv zu fragen, wie man etwas noch besser machen kann. Ohne diesen Antrieb hätten wir Stillstand. Die Neigung, das Erreichte auch positiv darzustellen, mag bei manchen minderstark ausgeprägt sein. Gewiss ist es so, dass man als Leipziger heute eine deutlich bessere Wohnqualität für weniger Geld erhält als ein Münchner, Hamburger oder Kölner. Und vielleicht macht tatsächlich nicht jeder sich das fortwährend auch hinreichend bewusst. Aber das ist auch eine Aufgabe öffentlicher Wohnungsunternehmen: Deutlicher herauszustellen, was sie für die Menschen erreicht haben.

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