Schwerpunkt Genossenschaften

Wohnungsgenossenschaften als Partner in der Stadtentwicklung

Als Antwort auf die besonderen strukturellen Herausforderungen der Wohnungsunternehmen in den neuen Bundesländern und vor dem Hintergrund der sich in hoher Geschwindigkeit vollziehenden Entwicklung konnte das Stadtumbauprogramm erfolgreich etabliert werden. So war der Stadtumbau Ost schon in der ersten Programmlaufzeit von 2002 bis 2009 eine Erfolgsgeschichte. Durch den Einsatz von insgesamt 2,5 Milliarden Euro konnten 390 Kommunen mit 820 Stadtumbaugebieten in den neuen Bundesländern gefördert werden.

Immerhin zwei Drittel der Bevölkerung Ostdeutschlands leben in einer Stadtumbaugemeinde. Über 280 000 Wohnungen wurden bislang abgerissen und damit der Wohnungsmarkt und die Wohnungsunternehmen maßgeblich stabilisiert. Die Fortsetzung des Programms Stadtumbau Ost mit einer zweiten Förderperiode bis 2016 kann bei entsprechender Beteiligung aller Wohnungsmarktakteure dazu beitragen, die Auswirkungen einer weiter absinkenden Wohnungsnachfrage, ausgelöst durch die sinkenden Haushaltszahlen (Rückgang der Haushaltgründer aus den geburtenschwachen Nachwendejahren), abzumildern.

Dauernde Konfrontation mit der Schrumpfung

Neben diesem unbestrittenen Erfolg des Stadtumbaus darf nicht vergessen werden, dass Stadtentwicklung in den neuen Bundesländern unter den Voraussetzungen Schrumpfung zu organisieren eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten darstellt. In einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen System, welches auf Wachstum und damit ökonomische Prosperität und zugleich Teilhabe an Wachstumszuwächsen ausgerichtet ist, erscheint schon die Stagnation über längere Zeiträume kaum organisierbar. Als bedeutend größere Aufgabe erweist sich dann für alle Akteure die andauernde Konfrontation mit der Schrumpfung der Stadt im Zuge der zunehmenden strukturellen Leerstände in den neuen Bundesländern.

Am Beispiel der Stadt Halle (Saale) lässt sich diese Aufgabe eindrucksvoll demonstrieren. Halle an der Saale ist als duale Stadt besonders von dem Phänomen der Schrumpfung und damit auch dem Stadtumbau betroffen. Nach der Wende verfügte Halle über mehr als 300 000 Einwohner und zirka 145 000 Wohnungen. Die Hälfte des Wohnungsbestandes ist in Montagebauweise errichtet in den Großsiedlungen, wie beispielsweise Halle-Neustadt. Gegenwärtig leben etwa 231 000 Menschen in Halle. Damit schrumpfte die Bevölkerung nach der Wende in der Gesamtstadt um rund 23 Prozent, in den Großsiedlungen sank die Bevölkerungszahl gleichzeitig um 46 Prozent (Halle-Neustadt) beziehungsweise 65 Prozent (Halle-Silberhöhe). Damit entleerten sich die Großsiedlungen besonders stark und stellten neben innerstädtischen Wohnlagen die Leerstandsschwerpunkte dar.

Das Leerstandsmaximum im Jahr 2003 betrug fast 21 Prozent; im Jahr 2010 sank es durch Abrisse bei stark rückläufiger Neubautätigkeit auf 13,5 Prozent ab. Bereits nach 2015 wird wieder mit einem deutlich angewachsenen Leerstand in Größenordnungen von mehr als 20 Prozent zu rechnen sein, wenn nicht im Rahmen einer weiteren Förderung Abrisse durchgeführt werden. Dabei ist ein Leerstandschwerpunkt schon heute der gründerzeitliche Wohnungsbestand, aus dem sich nahezu zwei Drittel des Gesamtleerstandes rekrutieren.

Vitalisierung der gewachsenen Stadtbereiche

In der zweiten Förderperiode des Stadtumbaus wird deshalb die Vitalisierung der gewachsenen Stadtbereiche ein besonderes Gewicht haben. Hier muss es gelingen, die Aufwertungsbemühungen zu verstärken und eine höhere Beteiligung aller Gebäudeeigentümer am weiteren Stadtumbau zu erreichen. Denn der Trend in die Innenstädte ist deutlich wahrnehmbar und löst erkennbar die Suburbanisierung ab.

Inwiefern können nun Wohnungsgenossenschaften neben der wesentlichen Akteursrolle als verlässliche Partner der Kommunen im Stadtumbau auch Partner in der zukunftsorientierten Stadtentwicklung sein? Am Beispiel der Wohnungsgenossenschaft Bauverein Halle & Leuna eG lässt sich das für die Stadt Halle (Saale) darstellen. Die Bauverein Halle & Leuna eG ist mit nahezu 9 000 Wohnungen eine der großen Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern.

Entstanden ist die Genossenschaft aus der Fusion zweier Genossenschaften; einer Genossenschaft mit Typenbaubestand, vorrangig in den Großsiedlungen Halle-Neustadt und Halle-Silberhöhe sowie einer kleineren Genossenschaft in Halle mit einem überwiegend denkmalgeschützten Bestand in den innenstadtnahen Stadtteilen Halles. Die Fusion erfolgte im Jahr 2006 aufgrund der Überlegung, dass gerade vor dem Hintergrund des Stadtumbaus eine weitere erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung der Genossenschaft begünstigt sein wird, wenn nahezu alle Wohnlagen, Bauformen, Modernisierungsgrade und natürlich auch Preissegmente auf dem Wohnungsmarkt angeboten werden können.

Aufgrund der Inanspruchnahme des § 6a Altschuldenhilfe-Gesetz im Jahr 2002 verpflichtete sich die Genossenschaft nahezu 2 200 Wohnungen abzureißen. Gegenwärtig sind 800 Wohnungen bereits abgerissen. Zeitgleich wurden mehr als 1300 Wohnungen aufgewertet. Damit sind bislang zwei Drittel der Bestände voll modernisiert, ein Drittel teilsaniert und lediglich weniger als ein Prozent unsaniert.

Attraktiver Wohnungsbestand senkt Leerstandsquoten

Der Wohnungsleerstand beträgt gegenwärtig etwa zwölf Prozent. Eine kontinuierliche Absenkung und Stabilisierung auf einem deutlich niedrigeren Niveau wird zukünftig auch durch den attraktiveren Wohnungsbestand gewährleistet sein. Hierzu werden als feststellbare Trends die Reurbanisierung der Städte auch in den neuen Bundesländern und die Nahwanderung aus den Großsiedlungen in die gewachsenen attraktiven und innenstadtnahen Wohnquartiere beitragen.

Durch die vielfältigen Wohnungsbestände kann die Genossenschaft in vielen Stadtteilen ein wichtiger Partner der Kommune bei der Stadtentwicklung sein. Hierzu gehört neben der konstruktiven Mitarbeit bei der Umsetzung der Stadtentwicklungskonzepte, zum Beispiel durch die Beteiligung an Quartiersvereinbarungen, bei dem koordinierten Wohnungsabriss auch die gezielte Aufwertung an anderen Standorten. Wichtig ist, dass der Rückbau bislang nahezu ausschließlich im Typenbaubestand erfolgte. Damit ist die zuweilen pauschale Sicht auf den kritisch zu betrachtenden Rückbau im (schützenswerten) Altbausegment - genauso wie für die weit überwiegende Zahl der Wohnungsunternehmen in den neuen Bundesländern - so nicht zutreffend. Die tatsächliche Rückbauquote im Altbausegment der Genossenschaft beträgt 0,8 Prozent und diese aus städtebaulichen Gründen.

Im Rahmen der "Stadtumbau Ost- Aufwertungsmaßnahme" saniert die Genossenschaft eine historische Großgarage aus den zwanziger Jahren als zukünftige Quartiersgarage in einem bevölkerungsreichen und nachgefragten Quartier in der südlichen Innenstadt Halles - und dies ausdrücklich nicht nur für Genossenschaftsmitglieder, sondern auch aufgrund des begrenzten Stellplatzangebotes im öffentlichen Raum für eine Vielzahl von Anwohnern im Stadtviertel.

Im Rahmen der Sanierungsmaßnahme, die zugleich die Rettung eines "technischen Denkmals von nationaler Bedeutung" zum Ziel hatte, mussten erstmals durch die Genossenschaft auch desolate und seit vielen Jahren unbewohnbare Gebäude aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts abgerissen werden. Nur auf diese Weise konnte die Großgarage wieder mit einem neuen Anfahrtsbauwerk versehen und nutzbar gemacht werden.

Partnerschaft in der Stadtentwicklung bedeutet auch unwiederbringliche Denkmalensemble zu bewahren und zugleich attraktive Neubauten in nachgefragten Wohnlagen anzubieten. In enger Abstimmung mit der Stadt Halle wurden im Jahr 2008 die historisch bedeutsamen Innenstadtbestände "Mittelstraße" durch eine GmbH der Genossenschaft erworben. Bei den Häusern Mittelstraße 17 und 18 handelt es sich um einzigartige Denkmäler, die wegen ihres hohen Alters - die Mittelstraße 17 gehört zu den ältesten in Halle erhaltenen Fachwerkhäusern - und ihrer originalen Ausstattung aus verschiedenen Bauepochen für die Stadt Halle unverzichtbar sind. Schließlich stellt das Ensemble mit seiner Geschlossenheit und reizvollen Höhenstaffelung ein bedeutendes Zeugnis frühneuzeitlicher Stadt- und Straßenraumgestaltung dar.

Zielstellung des Erwerbs war es, ein attraktives Denkmalensemble vor dem Verfall zu retten und damit zugleich nachgefragten Wohnraum in der historischen Altstadt unter dem zwingenden Gebot der Wirtschaftlichkeit zu erhalten und auch neu zu bauen. Denn schließlich bietet nur die Nutzbarkeit und infolge auch Nutzung eines Denkmals eine adäquate Perspektive für dessen Weiterbestehen. Aufgrund der hohen Ansprüche an das Bauvorhaben wurde mit Unterstützung der Stadt Halle ein Architekturwettbewerb durchgeführt, dessen Siegerentwurf nun umgesetzt wird.

Alles gut in der Stadtentwicklung?

Neben den dargestellten Projekten einer Genossenschaft zeigt sich bedauerlicherweise, dass die Beteiligung an weiteren Stadtentwicklungsprojekten oder die Einbeziehung mehrerer Partner kaum gelingt. Die Gründe für eine unzureichende Beteiligung sind dabei vielfältig.

Sie speisen sich aus der schon zum Ende der ersten Periode festgestellten unzureichenden Mitwirkung und Integration aller Gebäudeeigentümer am Stadtumbau und der Stadtentwicklung sowie an der mangelnden einheitlichen Positionierung zu den Zielen.

Die wünschenswerte kooperative Integration der beteiligten Gebäudeeigentümer an den lokalen Schwerpunkten der Stadtentwicklung scheitert immer noch daran, dass im unterschiedlichen Maße betroffene Eigentümer und verschieden strukturierte Vermieter, vom Privatvermieter bis zum kommunalen Großvermieter, kein funktionstüchtiges oder gar schon etabliertes System zum Interessen- und Lastenausgleich in Anspruch nehmen können.

Es fehlen aber auch die flankierenden anreizenden Maßnahmen, die zu Beginn der ersten Phase des Stadtumbauprogramms den Stadtumbau zum Erfolg machten. Neben der Abrissförderung und der Altschuldenentlastung ermöglichte die Investitionszulage eine umfangreiche Modernisierungs- und Investitionstätigkeit der Wohnungsunternehmen. Die Städtebauförderung insgesamt könnte bei entsprechender Ausstattung eine langfristige Planungsgrundlage für die Akteure der Stadtentwicklung sein, ohne geeignete Förderinstrumente aber wird eine Stadtentwicklung nicht denkbar sein.

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