Im Blickfeld

Über den Tellerrand schauen

Deutschland gilt beim Einzelhandel als gut versorgt - und zwar durchaus zu Recht. Im Vergleich zu den umsatzstärksten europäischen Ländern ist in Deutschland die Verkaufsfläche pro Kopf am höchsten, umgekehrt ist die Flächenproduktivität am niedrigsten. Heißt das also, lieber keine Einzelhandelsimmobilien in Deutschland mehr zu bauen? Nein, keineswegs. Denn trotz der Sättigungstendenzen gibt es in Deutschland noch reichlich vielversprechende Standorte für neue Fachmarktzentren oder Shoppingcenter - die sieben großen deutschen Investmentzentren nicht mit eingeschlossen.

Allerdings setzt dies einen Blick über den bisherigen Tellerrand voraus. Selbstverständlich bieten nicht alle Standorte Potenzial für Shoppingcenter im klassischen Sinn. Doch wenn anstelle des klassischen Einkaufszentrums neuartige Einzelhandelsimmobilien treten, die zugleich Fachmarkt- und Shoppingcen-ter-Elemente verbinden, gibt es dieses Potenzial.

Aufgrund der Kombination aus Fachmarkt- und Einkaufszentrum wird von "hybriden" Shoppingcentern gesprochen; ein Begriff, der erstmalig von der GfK Geo-Marketing als Begriff für eine neue Handelsimmobilienklasse geprägt wurde. Kennzeichnend für den neuen Typus ist zum einen die im Vergleich zum Fachmarktzentrum höherwertige Architektur, die aus stadtplanerischer Sicht einen Mehrwert bietet.

Zudem zählt die Integration von attraktiven Gastronomieangeboten zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im Center - wie es für herkömmliche Einkaufszentren üblich ist - zu den Merkmalen hybrider Shoppingcenter. Ebenfalls vergleichbar mit einem klassischen Center sind die hohen Anforderungen an einen ausgewogenen und auf das jeweilige Einzugsgebiet abgestimmten Branchenmix. Der Fachmarktcharakter wird durch den Besatz mit Mietern aus dem Lebensmitteleinzelhandel oder Drogeriemärkten sowie ergänzenden Mietern aus dem preisgünstigen, spezialisierten Mode- und Schuhsegment bestimmt.

Hybride Shoppingcenter umfassen in der Regel Ladenmietflächen zwischen 10000 und 15000 Quadratmetern teilweise auch darunter - und eignen sich besonders für kleinere und mittlere Städte. Hier ist das Einzelhandelsnetz weniger dicht, sodass diese neuartigen Handelsimmobilien - jenseits von leistungsstarken Innenstädten und großen Shoppingcentern - eine starke regionale Wettbewerbsposition erreichen können. Das macht sie für Handel, Projektentwickler und Investoren gleichermaßen attraktiv. Flächen von unter 15 000 Quadratmetern sind auch dann noch absatzwirtschaftlich tragbar, wenn die vorhandene Wettbewerbssituation oder das Nachfragepotenzial in einer kleineren Stadt kein großes Einkaufs- oder Fachmarktzentrum verträgt.

Ein weiterer Pluspunkt: Diese Center rufen aus der planungsrechtlichen Perspektive oft weniger Widerstand im Genehmigungsprozess oder beim traditionellen Facheinzelhandel und deren Lobby hervor. In der Konsequenz lassen sich hybride Center häufig schneller und günstiger realisieren.

Thomas Kuhlmann, Mitglied des Vorstands, Hahn-Immobilien-Beteiligungs AG, Bergisch Gladbach

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