Schwerpunkt Pfandbriefe und Covered Bonds

Auf dem Weg zum europäischen Covered Bond

Der deutsche Pfandbrief weist eine eindrucksvolle Geschichte auf. Seit Friedrich der Große ihn vor nunmehr 245 Jahren aus der Taufe hob, hat er sich zu dem wichtigsten Refinanzierungsinstrument der deutschen Bankenwirtschaft entwickelt. Folgende drei Vorteile führten wesentlich zu seinem Erfolg:

- Der Pfandbrief bietet hohe Sicherheit, konstante Erträge und zeigt wenig Schwankungen im Kursverlauf. Zudem sind Pfandbriefe relativ liquide, müssen von Banken und Versicherungen mit wenig Eigenkapital hinterlegt werden und sind gesetzlich reguliert.

- Während es bei Staatsanleihen und vor allem Unternehmensanleihen immer wieder zu Wertabschreibungen kommt, überstand der Pfandbrief selbst die Finanzkrise unbeschadet: Noch nie ist ein Kupon ausgefallen, geschweige denn Teile des ausstehenden Nominals. Dies gilt auch für die Zeit zwischen und während zweier Weltkriege.

- Ganz wesentlich kommt dem Pfandbrief dabei zugute, dass es sich um eine besicherte Anleiheklasse handelt. Vor dem Hintergrund der aktuellen europäischen Beschlüsse zur Bankenabwicklung spielt der Pfandbrief damit einen weiteren Trumpf aus: Er ist von jeglichen Bail-In Regelungen ausgenommen.

Aber auch beim Pfandbrief müssen wir uns fragen, ob er zukunftsfähig ist. Langfristig gehen wir von der Schaffung eines europäischen Covered-Bond-Standards aus, der auf einem eigenen europäischen Gesetz fußen wird.

Pfandbrief als Blaupause für Europa

Der deutsche Pfandbrief ist die Blaupause für die Schaffung der Covered Bonds. Seit den neunziger Jahren wurden allein in Europa über zwölf neue Covered-Bond-Gesetze eingeführt. Das ausstehende Volumen in Europa übertrifft mittlerweile das der deutschen Pfandbriefe um ein Vielfaches. Pfandbriefe machen aktuell nur noch elf Prozent des gesamten europäischen Covered-Bond-Volumens (öffentlich platziert, im Index enthalten, ohne Namenstitel) von um die 750 Milliarden Euro aus. Französische Covered Bonds kommen auf 27 Prozent spanische auf 21 Prozent und italienische immerhin auf sechs Prozent Marktanteil.

Das schnelle Wachstum und der Kampf um die größte Marktbedeutung führten dabei zu einem Wettbewerb um das beste Gesetz, beziehungsweise die investorenfreundlichste Ausgestaltung der Covered-Bond-Regelungen. Neue gesetzliche Rahmenbedingungen in Europa gehen in der Investorenfreundlichkeit oft über das deutsche Maß hinaus. Zwei Beispiele sollen das illustrieren:

- So haben klassische Verbriefungsländer, wie beispielsweise Italien den Transparenzgedanken deutlich stärker verinnerlicht. Die Qualität und Frequenz ihrer Cover-Pool-Daten (Informationen zum Sicherungsvermögen) sind sehr gut und rühren aus der Tradition des umfassenden Berichtswesens von Hypothekenverbriefungen. Damit haben diese Länder insbesondere gegenüber dem deutschen Markt einen Vorsprung herausgearbeitet.

- In Großbritannien und Irland wurden erfolgreiche Soft-Bullet-Strukturen eingeführt. Das lange ignorierte Problem der unzureichenden Verwertungserlöse, wenn Aktiva aus insolventen Deckungsstöcken kurzfristig verkauft werden müssen (sogenannte Fire Sales), wurde somit zum ersten Mal teilweise entschärft. Die Tatsache, dass die Liquidierung eines Deckungsstockes bisher noch nicht vorgekommen ist, bedeutet nämlich nicht, dass man dafür nicht vorbereitet sein sollte: Dem Sachwalter sollte ein angemessenes Zeitfenster zur marktgerechten Verwertung zugestanden werden.

Ein weiterer, wesentlicher Treiber für mehr Investorenfreundlichkeit sind die drei großen Ratingagenturen Standard & Poor's, Fitch Ratings und Moody's, die die Gesetze der jeweiligen Länder und die Deckungsstöcke bei jeder Emission genau unter die Lupe nehmen. Bei aller Kritik über die mangelnde Konstanz der Bewertungskriterien und Methoden: Den Ratingagenturen haben wir hohe Überbesicherungsniveaus und Verbesserungen in der Struktur der Deckungsstöcke zu verdanken. So sind Absicherungen von Zinsbasisrisiken, Währungsrisiken und Vorkehrungen gegen den Ausfall des Servicers, der für den Einzug von Zins und Tilgung verantwortlich ist, mittlerweile anerkannter Standard. Ohne diese strukturellen Verbesserungen können Emittenten heute nicht mehr von einem guten Rating ihrer Covered Bonds ausgehen.

Die Flexibilität vieler europäischer Covered-Bond-Emittenten ist hoch - sie gingen schnell auf die erhöhten Transparenzforderungen der Investoren ein. Die Initiative des European Covered Bond Council (ECBC) tragen aktuell schon über 80 Emittenten mit. Die Initiative erhöht die Transparenz und Vergleichbarkeit der Cover Pools deutlich, indem harmonisierte und umfassende Angaben zeitnah und in leicht abrufbarer Form zur Verfügung gestellt werden.

Die größte strukturelle Neuentwicklung der vergangenen Jahre kam 2013 aus den Niederlanden. Der Emittent NIBC, eine niederländische Bank mit Sitz in Den Haag, führte den Conditional-Pass- Through-Mechanismus ein. Dieser verhindert den Fire Sale im Falle einer Poolauflösung und ist eine der großen Fortschritte bei der Entwicklung hin zu mehr Investorenfreundlichkeit. Da der Conditional-Pass-Through-Mechanismus das Rating eines Covered Bonds unabhängiger vom Rating der emittierenden Bank macht, dürfte diese Neuerung gerade bei Covered Bonds von niedriger gerateten Banken zum Standard werden.

Europäisches Covered-Bond-Gesetz

Bei der Diskussion über eine gemeinsame rechtliche Grundlage von Covered Bonds in Europa lohnt der Blick auf die andere Seite des Atlantiks. Die Refinanzierung der Banken in den USA und in Europa unterscheidet sich deutlich voneinander. Während US-amerikanische Banken ihre Hypothekenrefinanzierungen von staatlichen Agencies wie Fannie Mae und Freddie Mac garantieren lassen und damit das strukturelle Liquiditätsrisiko dieser Refinanzierungsquelle externalisieren, kommen europäische Banken mit einer privatwirtschaftlichen Lösung zurecht und internalisieren das Liquiditätsrisiko. Das Instrument hierfür ist der - ohne staatliche Hilfe auskommende und doppelt besicherte - Covered Bond.

Da US-amerikanische Banken in hohem Maße von der Unterstützung durch staatliche Agencies profitieren, zeigen sie auch keine große Bereitschaft, politisch auf die Einführung eines Covered-Bond-Gesetzes zu pochen. Im Gegenteil: Je länger der Status quo in den USA erhalten bleibt, desto wahrscheinlicher wird es, dass der dortige Steuerzahler für die ausgelagerten und umfangreich in Anspruch genommenen Liquiditätsrisiken aufkommen muss.

Bei der Funktionsweise des US-Agency-System spielt die Verbriefung der Darlehen eine wichtige Rolle. Die Origination der Darlehen erfolgt über Geschäftsbanken, die dann die Kredite, die bestimmte Kriterien wie Mindest-Fico-Score und maximalen Beleihungsauslauf erfüllen müssen an die Agencies verkaufen. Die Agencies wiederum begeben am Markt in großem Umfang Hypothekenverbriefungen, sogenannte Agency-MBS. Diese Agency-MBS erfreuen sich einer sehr hohen Nachfrage institutioneller Investoren, bieten ein hohes Maß an Liquidität und sind für die Banken, die die Hypotheken vergeben haben (Originatoren) ein sehr günstiges Refinanzierungsinstrument.

Für die US-Banken ergeben sich daraus gleich mehrere Vorteile:

- Die erwähnten Liquiditätsrisiken. Anleihen können mit der Garantie einer staatlichen Agentur auch in Krisenzeiten am Markt platziert werden, die Refinanzierungskosten bleiben niedrig. Voraussetzung hierfür ist die gute Bonität des dahinterstehenden Staates.

- Übernahme von Kreditrisiken. In Zeiten besonders hoher Hypothekenausfälle, wie beispielsweise in den Jahren 2008 bis 2010, übernahmen die Agencies als Garantiegeber die Verluste und bewahrten so die US-Banken vor einem weit dramatischeren Ausgang der Krise. Als Folge der Zahlungsausfälle vieler Darlehensnehmer benötigten die US-Agencies umfangreiche staatliche Hilfen und Rekapitalisierungen. Ebenfalls wurden die Gebühren/Versicherungsprämien für die Übernahme der Garantien seit 2010 deutlich erhöht, und damit ein stückweit Marktgerechtigkeit hergestellt.

Die US-Banken erreichen durch den Transfer der Hypothekenrisiken deutlich bessere Risikokennzahlen. Denn durch das Nichtvorhandensein eines Großteils der Hypotheken verkürzt sich die Aktivaseite der Bankbilanz. Im gleichen Masse steigt ceteris paribus die Eigenkapitalquote an. Die kürzlich in der Wirtschaftspresse oft zitierte, relativ hohe ungewichtete Eigenkapitalquote von US-Banken findet ihre Ursache auch in der Agency-Finanzierung. Würde man aber die europäischen Bankbilanzen von ihrem "Gewicht" an Hypothekenkrediten komplett befreien, so stiegen ihre Eigenkapitalquoten auf einen Schlag auf ein mit den US-Banken vergleichbares Level. Ebenso würde der Transfer weitere Kennzahlen - wie das Tier 1 Ratio - positiv beeinflussen.

Der Umfang der Agency-Finanzierung ist dabei nicht zu unterschätzen: Ende 2013 lag die Summe der in Europa vergebenen Hypotheken bei 6,4 Billionen Euro1), in den USA lagen sie bei etwa zehn Billionen Euro2). Es verwundert, dass ausgerechnet im Kernland der freien Marktwirtschaft, der Staat für dieses wichtige Strukturrisiko des Bankensektors übernimmt.

Knapp vier Billionen Euro davon werden in den USA von den US-Agencies garantiert und finden sich somit auch nicht mehr auf den dortigen Bankbilanzen. Würde man eine derartige Quote von 40 Prozent in Europa erreichen, so könnte man eine aggregierte Bilanzverkürzung von über zwei Billionen Euro für europäische Banken erreichen. Mit einer Annäherung der beiden Konzepte ist kurzfristig nicht zu rechnen. Die Unterschiede haben starken Einfluss auf die Beurteilung der Bonitätsrisiken der Banken und deren Portfolios sowie insbesondere in der Beurteilung der systemischen Relevanz des Covered-Bond-Marktes für Europa.

Kein Flickenteppich nationaler Gesetze

Um einen hochliquiden und weltweit anerkannten Markt zu schaffen, bedarf es mehr als einen Flickenteppich nationaler Gesetze: ein gesamteuropäisches Covered-Bond-Gesetz. Gerade vor dem Hintergrund der kürzlich vom europäischen Parlament verabschiedeten Bankenunion bietet sich ein gemeinsames Gesetz an. Mit der Bankenunion gibt es europaweit gemeinsame Spielregeln hinsichtlich Bankenaufsicht, Kapitalausstattung, Risikosteuerung und Bankenabwicklung. Auf diese Grundlage könnte ein europäisches Covered-Bond-Gesetz sehr gut aufsetzen.

Wie müsste ein europäisches Covered-Bond-Gesetz aussehen? Die hohe Transparenz der Cover Pools ist seit langem eine der wichtigsten Forderungen von Investoren. Ein Vorbild für die Transparenz sind Hypothekenverbriefungen. Hier wird eine Vielzahl von Daten bezüglich der Sicherheiten regelmäßig veröffentlicht: Information auf Einzelkreditebene wie Beleihungsauslauf der Hypothek, Beruf der Darlehensnehmer, Region beziehungsweise Adresse der Immobilie, in den USA auch der Fico Score (vergleichbar mit dem deutschen Schufa-Wert), in Großbritannien die Anzahl der CCJs (Country Court Judgements: Anzahl der Gerichtsverfügungen aufgrund nicht bezahlter Rechnungen). Mit diesen Daten könnten sich Investoren ein viel genaueres Bild von dem Risiko der Cover Pools machen als dies bisher möglich ist. Die Daten wären anonymisiert, aber für jede Bank leicht abrufbar.

In welcher Struktur sind die Poolaktiva am besten zu halten? In Europa konkurrieren im Wesentlichen drei Ausgestaltungsformen:

- das Halten der Aktiva auf der Bankbilanz (zum Beispiel Deutschland, Spanien),

- über ein Spezialkreditinstitut (unter anderem Frankreich) und

- über ein SPV (Special Purpose Vehicle; unter anderem Italien, Großbritannien).

Die zu wählende Struktur sollte unter der Prämisse der größtmöglichen Konkurssicherheit stehen. Hier besticht aus unserer Sicht die Lösung über ein SPV, an das die Aktiva transferiert werden. Ein SPV sichert am ehesten die klare rechtliche Trennung der Vermögenswerte zwischen Bank und Cover Pool. Ein weiterer Punkt ist die regelmäßige und einheitliche Bewertung der Poolaktiva. Die Bewertungsmethoden sollten für Aktiva von Cover Pools öffentlich, schriftlich fixiert, nachvollziehbar und europaweit "best-in-class" sein.

Europa braucht ein gesamteuropäisches Covered-Bond-Gesetz, damit die Anleiheklasse Covered Bonds die nächste Stufe ihrer Entwicklung erklimmen kann:

- Emittenten erreichen dann eine deutlich höhere Liquidität ihrer Anleihen.

- Europäische Banken könnten ihr strukturelles Liquiditätsrisiko besser lösen.

- Investoren bekämen eine homogenere und transparentere Assetklasse als bisher.

- "Best-in-class"-Regelungen und Innovationen kämen europaweit zur Geltung.

Die Realisierung wird maßgeblich davon abhängen, ob der europäische Gesetzgeber den einzelnen Mitgliedsstaaten genug Spielraum bei der individuellen Ausgestaltung gibt. Es gilt, die Balance zwischen europaweit gültigen Vorgaben, die dem Investorenvertrauen dienen und den individuell notwendigen Anpassungen auf Länderebene zu finden, wobei die jeweiligen Ländergegebenheiten berücksichtigt werden könnten. Im Sinne aller Marktteilnehmer und Emittenten ist zu wünschen, dass dies gelingt.

Fußnoten

1) Quelle: EMF (European Mortgage Federation), Quarterly Review Q4 2013.

2) Quelle: US Federal Reserve System, http://www.federalreserve.gov/econresdata/releases/mortoutstand/current.htm.

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