Schwerpunkt Wohnungs- und Städtebaupolitik

"Weichen für eine Aktivierung des Neubaus stellen"

Natürlich muss der Bund der Mieter weniger kapitalistische Standpunkte vertreten als die Vermieter, sondern stattdessen soziale Interessen und damit den Menschen in den Mittelpunkt der Argumentation stellen. Von daher vermag es nicht zu überraschen, dass dem DMB die Positionen von SPD und Grünen näher sind als die der CDU und erst recht der FDP. Zur Belebung des Neubaus in den Innenstädten müssen nach Ansicht des Mieterbundes die Abschreibungsregeln ebenso reformiert werden wie die Grundsteuerthematik. An einer weiteren Förderung des sozialen Wohnungsbaus gehe auch kein Weg vorbei, so der Autor. Und eine Begrenzung der Wiedervermietungsmieten hält er ebenfalls für richtig. (Red.)Die Bundestagswahl 2013 unterscheidet sich von vergleichbaren Ereignissen der Vergangenheit: Wohnungspolitik steht - endlich - wieder im Fokus der Politik. Dies ist eine große Chance, aber auch eine Herausforderung. Der Deutsche Mieterbund hat zuletzt bei seinem Mietertag im Mai in München seine Zielvorstellungen noch einmal verdeutlicht. Er hat dabei auch darauf hingewiesen, dass die Wohnungspolitik in Deutschland seit Jahren geprägt war von Desinteresse, Gleichgültigkeit, Passivität und Fehleinschätzungen. In der Folge dieser Prozesse haben sich die Probleme auf den Wohnungsmärkten verschärft. Es wird deshalb höchste Zeit, die notwendigen Veränderungen einzuleiten. Differenzierte Märkte Es gibt keinen einheitlichen Wohnungsmarkt in Deutschland. Wohnungsmärkte sind lokale und regionale Märkte mit Besonderheiten und spezifischen Problemen. In vielen Ballungszentren gibt es Wohnungsmangel, der sich auch schon in Wohnungsnot ausdrückt, andere regionale Märkte sind bestimmt von einem ausgeglichenen Wohnungsangebot oder sogar von einem Überangebot. Für diese unterschiedlichen Situationen müssen differenzierte Antworten gefunden werden. Neubau aktivieren In entspannten Wohnlagen, die auch noch von der demografischen Schrumpfung besonders betroffen sind, geht es darum, eine qualitative Aufwertung der Wohnungsbestände durch energetische Sanierungen und altengerechten Umund Ausbau zu bewirken. Es geht darum, die Infrastruktur an eine schrumpfende Bevölkerung anzupassen. Der Fokus der Politik muss sich in der derzeitigen Situation auf die schwierige Lage in den Ballungszentren richten. Dort fehlen heute schon mehr als 750 000 Mietwohnungen, vor allem für Mieter mit mittleren und niedrigen Einkommen. Die für die Wohnungssituation maßgebliche Anzahl der Haushalte wird sich, nicht zuletzt aufgrund des anhaltenden Singularisierungsprozesses, erhöhen. Wir brauchen als Antwort hierauf vor allem Neubau. Instrumente zur Belebung des Wohnungsneubaus sind insbesondere: - Veränderung des Regelabschreibungssatzes von zwei auf vier Prozent jährlich. Dies entspricht im Übrigen dem Werteverzehr eines Gebäudes, der sich heute sehr viel schneller abspielt, als es in der Vergangenheit der Fall war. Dadurch wird insbesondere privates Kapital aktiviert werden. - Eine Reform der Grundsteuer ist überfällig mit dem Ziel, dass bebaubare Grundstücke auch tatsächlich bebaut und nicht aus spekulativen Gründen gehortet werden. Die Grundsteuer sollte sich an den Verkehrswerten orientieren. - Die Regelungen der Baunutzungsverordnung, insbesondere die Vorgaben zur Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl, gehören auf den Prüfstand. Höhere Baudichten werden in Zukunft akzeptiert werden müssen. - Ebenso überprüft werden müssen Stellplatzauflagen, weil die Flächen nicht für Garagen, sondern für Wohnungsbau benötigt werden. - Die Kommunen sollen die Möglichkeit des besonderen Städtebaurechts und der Bauplanung sowie der städtebaulichen Verträge verstärkt nutzen. Und sie müssen dafür sorgen, dass mehr Grundstücke zur Verfügung stehen. Sozialer Wohnungsbau auch in Zukunft unverzichtbar Wir haben derzeit in Deutschland nur noch etwa 1,5 Millionen Sozialwohnungen, die also bezüglich der Belegung und des Mietpreises Bindungen unterliegen. Dieser Bestand verringert sich jährlich um etwa 100 000. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Haushalte, die grundsätzlich Anspruch auf eine geförderte Wohnung hätten, zu, nach Schätzungen des Deutschen Mieterbundes auf derzeit etwa sechs Millionen. Der soziale Wohnungsbau bleibt also auch in Zukunft unverzichtbar. Er muss aber reformiert werden mit folgenden Inhalten: Erstens: Es bedarf sicherer und verlässlicher Rahmenbedingungen, insbesondere der festen Zusage des Bundes, die jährlichen 518 Millionen Euro Kompensationsmittel (aus der Föderalismusreform geboren) dauerhaft zur Verfügung zu stellen, und dies zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau. Zweitens: Die Förderprogramme der Länder müssen vereinfacht und regionalisiert werden. Programme mit reinen Zinsverbilligungen reichen heute voraussichtlich nicht mehr aus. Angesichts der aktuellen Kapitalmarktlage ist darüber nachzudenken, verstärkt über Zuschüsse zu fördern. Diese Zuschüsse sollen sich sowohl auf den Neubau wie auch auf die Verlängerung der Bindungen im Bestand beziehen. Drittens: Die Vergabe städtischer Grundstücke für Neubaumaßnahmen darf nicht (immer) nach dem Höchstgebot erfolgen, sondern muss stärker an bauliche Konzepte gebunden werden, in denen auch soziale Gesichtspunkte eine wichtige Rolle spielen. Regionen wie München, Hamburg, Berlin und Köln sind hier Vorreiter. Preisgünstige Wohnungen im Bestand müssen möglichst erhalten bleiben für bedürftige Haushalte. Dies setzt vor allem voraus, dass die Akteure gestärkt werden, die in ihrer Unternehmensphilosophie für die Bereitstellung bezahlbaren Wohnraums stehen, also die Genossenschaften, die kommunalen Wohnungsunternehmen und Stiftungen. Dies setzt weiter voraus, dass Wohnungen nicht in die Hände von Finanzinvestoren gelangen, die das Ziel haben, eine möglichst hohe Rendite mit möglichst geringem Aufwand zu erzielen. Die Enquete-Kommission in NRW hat Überlegungen angestellt, wie man zum Beispiel die Wohnungsaufsicht und Wohnungspflege verbessern und intensivieren kann. Diese Gedanken sind aufzugreifen und zu konkretisieren. Insbesondere wird es darum gehen, gemeinwirtschaftliche Strukturen auf der Anbieterseite zu schaffen und zu stärken. Dies ist ein hoher Anspruch, der erhebliche Vorarbeiten im Bereich des Steuer- und Förderrechts verlangt. Diese Überlegungen müssen jetzt endlich angestellt werden. Wiedervermietungsmiete begrenzen Die Diskussion um die Kappung der Wiedervermietungsmieten hat medial und in der politischen Auseinandersetzung eine falsche Wendung genommen. Selbstverständlich geht es nicht darum, die Probleme auf dem Wohnungsmarkt zu lösen. Es geht darum, akute Schmerzen vorübergehend wirksam zu bekämpfen. Diese Schmerzen bestehen darin, dass bei der Wohnungssuche in Ballungszentren immense Aufschläge bei jeder Wiedervermietung einer Wohnung festzustellen sind, die gegenüber den bisherigen Mieten bis zu 40 Prozent und mehr betragen. Die Politik muss hierauf eine Antwort finden. Dankenswerterweise hat sogar die Bundeskanzlerin dieses Problem aufgegriffen und sich - jedenfalls zunächst - im Grundsatz der Kappung der Wiedervermietungsmiete angeschlossen. Was ist gemeint? Für Wiedervermietungsmieten muss eine Obergrenze eingeführt werden, die zum Beispiel zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Dies ist keine unzumutbare Beeinträchtigung des Investitionsverhaltens auf dem Wohnungsmarkt. Die Erstvermietung von Wohnungen nach dem Neubau ist ohnehin überhaupt nicht betroffen. Die Kappung der Wiedervermietungsmiete ist sicherlich nicht ausreichend. Bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen alle Mieten berücksichtigt werden, nicht nur, wie bisher, diejenigen, die in den letzten vier Jahren neu vereinbart worden sind. Und die Kappungsgrenze soll bundesweit auf 15 Prozent in vier Jahren gesenkt werden. Änderungen im Bereich des Rechts Der Mieterbund setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass die mit der Mietrechtsänderung zum 1. Mai 2013 in Kraft getretenen Verschlechterungen zurückgenommen werden. Dies bedeutet insbesondere, dass die Einschränkung des Mietminderungsrechts (Ausschluss für drei Monate bei energetischen Sanierungen) ersatzlos gestrichen wird. Sie verletzt den Grundsatz der Äquivalenz, der allgemein im Schuldrecht gilt. Weiterhin muss es darum gehen, dass § 5 Wirtschaftsstrafgesetz so geändert wird, dass Mietpreisüberhöhungen in einzelnen Stadtteilen auch wirksam bekämpft und geahndet werden können. Wichtig ist auch, dass bei Mieterhöhungen und Betriebskostenabrechnungen zur Korrektur der gegenläufigen BGH-Rechtsprechung (Toleranz von zehn Prozent) immer die tatsächliche Wohnfläche zugrunde gelegt wird. Und im Maklerrecht muss konsequent das Bestellerprinzip realisiert werden. Der Deutsche Mieterbund hat nie einen Zweifel gelassen an der Zustimmung zu den Zielen, die von der Politik formuliert worden sind. Aber die Instrumente harren einer Konkretisierung und einer Koordinierung. Deshalb ist die Akzeptanz in der Bevölkerung zur Energiewende konkret in Gefahr. Die Kosten der energetischen Sanierung müssen sozial gerecht verteilt werden. Im Einzelnen heißt dies: - die ersatzlose Streichung des § 559 BGB, damit der einseitigen Umlagemöglichkeit von elf Prozent der Investitionskosten, - die Anknüpfung an den Erfolg der Modernisierungsarbeiten, nicht an die reine Tätigkeit, - die Darstellung der energetische Modernisierung und der energetischen Qualität der Wohnung in der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dazu ist es erforderlich, dass die energetische Ausstattung und Beschaffenheit in dem geänderten § 558 BGB für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete mitentscheidend sein soll. - Bis sich Energieeffizienz und energetische Qualität der Wohnung in einem Mietspiegel ablesen lassen, kann als Übergangslösung ein Zuschlag auf die heutige Kaltmiete vereinbart werden, wenn der Vermieter energetisch modernisiert. Die Höhe muss sich an der Warmmietenneutralität ausrichten, also an dem Betrag, den der Mieter an Heizkosten durch die energetische Sanierung einspart. Wohngeld erhöhen und reformieren Die höheren Wohnkosten in Deutschland, im Schnitt werden 34,1 Prozent des verfügbaren Einkommens für das Wohnen ausgegeben, verlangen nach angepassten Sozialleistungen. Eine Erhöhung des Wohngeldes ist erforderlich, in gleicher Weise eine Aktualisierung der Einkommensgrenze und der Höchstbeträge, vor allem auch wieder die Einführung einer Energiekostenkomponente. Der DMB hat nie verstanden, dass bei zum Teil explodierenden Energiekosten der Heizkostenzuschuss aus dem Wohngeld zum1. Januar 2011 ersatzlos gestrichen worden ist. Hier ist eine Reform dringend erforderlich. Gleiches gilt auch bei den Grundsicherungsleistungen und den massiv gestiegenen Energiekostensteigerungen. Die Alterung der Bevölkerung und vor allem auch der Wunsch, möglichst lange im eigenen Heim zu bleiben, erfordert die vorhandenen Wohnungen möglichst umfassend und möglichst schnell altengerecht und barrierefrei auszugestalten. Dabei geht es keineswegs immer um DIN-gerechte Lösungen. Oft lässt sich der Verbleib in der Wohnung schon mit kleinen Mitteln realisieren. Es braucht aber Initiativen, die diese Prozesse wirksam anheizen. Dazu ist es vor allem erforderlich, dass auch wieder ausreichend Bundesmittel für die Förderung des altersgerechten und barrierefreien Wohnraums zur Verfügung gestellt werden, vor allem für den Bestand. Allein mit dem Neubau lässt sich das Problem nämlich nicht lösen. Wer lebenswerte und bunte Städte erhalten will beziehungsweise wer dieses Ziel zu erreichen sucht, muss mit allem Nachdruck dafür eintreten, dass die Programme zur Städtebauförderung, vor allem das Programm für die soziale Stadt, ausgebaut und gestärkt werden. Nur so wird es gelingen, Nachbarschaften zu stärken und den Zusammenhalt in der Bevölkerung zu verbessern. Die Mittel für die Städtebauförderung müssen angehoben und sodann verstetigt werden. Das Programm "Soziale Stadt" muss zum Leitprogramm werden. Es muss finanziell hinreichend ausgestattet sein. Den Mitgliedern des Verbandes wird empfohlen, ihre Wahlentscheidung davon abhängig zu machen, wie nah oder wie fern sich die bewerbenden Parteien zu diesem Konzept des Deutschen Mieterbundes bewegen. Der DMB ist ein Verband, der keiner politischen Partei angehört, ist deswegen aber keineswegs politisch neutral. Die Unterstützung wird anhand der Ziele formuliert, die die Parteien bei der Umsetzung der DMB-Vorstellungen verfolgen. Bundeswahl 2013 Die FDP wird wie in der Vergangenheit auch in Zukunft im Wesentlichen nur auf die Kräfte des Marktes setzen. Dies allein kann keine ausreichende und gute Lösung sein. Es braucht in Teilbereichen ordnungspolitische Akzente, um eine soziale Gestaltung auch durchsetzen zu können. Dies gilt für das Mietrecht, das ausgewogen und gerecht sein muss. Dies gilt für die Energiewende, die sich allein mit den Mitteln der Freiwilligkeit und des Förderns nicht erreichen lässt. Eine "sachte" ordnungspolitische Zielsetzung ist vorstellbar, wird aber von der FDP nicht gefördert. Als Mitglied der Regierung hat die FDP eine wesentliche Mitverantwortung bei Maßnahmen übernommen, die in der Vergangenheit aus der Sicht des Verbandes fälschlicherweise eingeleitet worden sind. Damit ist auch zugleich und sofort die CDU angesprochen. Es fehlt jedes Verständnis dafür, dass das Wohngeld um den Heizkostenzuschuss gekürzt worden ist. Ankündigungen zur Wohngelderhöhung blieben bisher reine Papiertiger. Ebenso ist zu kritisieren, dass die Mittel der Städtebauförderung, vor allem des Programms "Soziale Stadt", radikal gekürzt worden sind. Die Mietpreisbremse bei der Wiedervermietung ist erst jüngst von der CDU in die Diskussion gebracht worden, nachdem andere Parteien dieses Thema schon länger aktiv aufgegriffen haben. Der Lösungsvorschlag der CDU, die Mietpreisbremse regional und sachlich zu begrenzen, ist ein Rückschritt zur neuerlichen Diskussion. Der Vorschlag von Bundesminister Ramsauer, die Eigenheimzulage wenn auch in veränderter Form wieder einzuführen, ist ein Griff in die Mottenkiste. Das Programm der SPD hat viele der Forderungen des DMB aufgegriffen. Nun wird mit allem Nachdruck erwartet, dass diese Aussagen nach der Bundestagswahl in die Tat umgesetzt werden. Dies erscheint vor allem auch deshalb machbar, weil die Grünen in wesentlichen Punkten mit den wohnungspolitischen Forderungen des Verbandes wie auch der SPD übereinstimmen. Bei der gerechten Verteilung der Kosten energetischer Gebäudesanierung bleiben beide Parteien bei kosmetischen Operationen. Die Linke hat ohnehin die wesentlichen Inhalte des DMB-Programmes übernommen. Ob sie aber in die Lage versetzt wird, an der Umsetzung mitzuwirken, erscheint zumindest zweifelhaft. Sinnvolle Prioritäten Für den DMB wird es vor allem darum gehen, die Weichen für eine Aktivierung des Neubaus zu stellen. Hierzu sind die Abschreibungsregeln und die Grundsteuer vorrangig zu reformieren. Als schmerztherapeutisches Mittel ist die Kappung der Wiedervermietungsmiete von großer Bedeutung. Ebenso zu prioritären Zielen gehört die Reaktivierung des geförderten Wohnungsbaus - im Neubau und im Bestand. Die Wohnungspolitik lässt sich nur durch ein gemeinsames Aktionsprogramm von Bund, Ländern und Gemeinden erfolgreicher gestalten. Dieser schwierige Prozess des Miteinanderwirkens auf verschiedenen staatlichen Ebenen bedarf einer aktiven Moderations- und Initiatorrolle.

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