Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten als das Rückgrat der Wirtschaft. Sie erwirtschaften mehr als die Hälfte des europäischen Bruttoinlandsproduktes und beschäftigen in der EU rund 100 Millionen Menschen. Damit spielen sie eine Schlüsselrolle bei der Wertschöpfung in allen Wirtschaftssektoren. Das Wachstum von KMU hängt entscheidend von ihrem Zugang zu Finanzmitteln ab - doch dieser wird immer mehr beschränkt. Banken verschärften in den vergangenen Jahren zunehmend ihre Kreditvergaberichtlinien und angesichts der Corona-Krise ist zu erwarten, dass dieser Trend sich fortsetzen wird. Die eingeschränkte Bilanz und die begrenzten digitalen Underwriting-Möglichkeiten der Institute haben insbesondere auf dem Markt für kurzfristige, immobilienbesicherte Kredite unter 10 Millionen Euro eine Finanzierungslücke geschaffen. Vor allem der Projektentwicklungsbereich ist betroffen, da Banken hier sehr zurückhaltend agieren. Zwar ist die Prognose der Nachfrage und die Wertermittlung relativ einfach, doch es gibt viele weitere Variablen, die dazu führen, dass Banken diesen Wirtschaftsbereich als risikoreicher ansehen als andere. KMU im Immobiliensektor sehen sich deshalb mit einer Kreditlücke konfrontiert, die ihr Geschäftswachstum hemmt und potenzielle Neubauprojekte verhindert.
Doch während Banken ihre Finanzierungstätigkeit einschränken, wächst das Interesse an Investitionen in Immobilien seitens privater Investoren. In Deutschland übersteigt die Nachfrage nach Wohnraum besonders in Ballungsgebieten das Angebot deutlich. Diese Knappheit hält die Wohnungspreise hoch, weshalb Immobilien eine attraktive Investition sind. Aufgrund der hohen Investitionskosten blieb diese Anlageform bis vor kurzem jedoch hauptsächlich institutionellen Anlegern oder vermögenden Privatpersonen vorbehalten. Dieses Szenario schafft perfekte Voraussetzungen für alternative Immobilienfinanzierungen. Auf der einen Seite gibt es Projektentwickler, die dringend Kredite benötigen, und auf der anderen Seite Millionen von Anlegern, die von der Sicherheit und Rentabilität von Immobilien profitieren wollen. Digitale Plattformen wie Estateguru bringen Angebot und Nachfrage zusammen und ermöglichen Unternehmen so Zugang zu alternativen Finanzierungen. Die Crowdlending-Plattform stellt Unternehmen unkompliziert Finanzierungen für die Projektentwicklung sowie Überbrückungs- und Geschäftskredite zur Verfügung. Private und institutionelle Anleger können in diese Kredite investieren.
Entwickler und Unternehmen sind in der Regel gern bereit, die im Vergleich höheren Zinssätze für Finanzierungen von alternativen Kreditgebern zu zahlen, da diese Finanzierungsform einige entscheidende Vorteile bietet: Der wichtigste ist die Geschwindigkeit, mit der Unternehmen auf die Mittel zugreifen können. Der gesamte Prozess von Beantragung über die Syndizierung, Finanzierung und Auszahlung dauert mitunter nur wenige Tage. Zum Vergleich: Die Kreditvergabe bei einer traditionellen Bank kann mehrere Wochen oder sogar Monate dauern. Zudem reduzieren die digitalen Prozesse der Finanzierungsplattformen die Bürokratie für Unternehmen. Dazu kommen flexible Rückzahlungsoptionen und die Tatsache, dass eine Plattform wie Estateguru keine Strafen für vorzeitige Rückzahlungen verhängt. In Anbetracht dieser Vorteile gegenüber klassischen Bankdarlehen, wird die alternative Option in vielen Fällen sogar zur ersten Wahl von Projektentwicklern.
Der Erfolg gibt dem Modell recht: Die alternative Kreditvergabe wächst in ganz Kontinentaleuropa rasant. Laut dem Datenunternehmen Brismo ist das Neugeschäft 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro gewachsen. Alles deutet daraufhin, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Das Modell gewinnt weiter an Akzeptanz und der Kapitalbedarf im KMU-Sektor wächst. Damit werden alternative Finanzierungen zukünftig eine wichtige Rolle in der Wirtschaft spielen und die europäische Finanzierungslücke Stück für Stück schließen.
Nicola Picone, Managing Director, EstateGuru Germany GmbH, Berlin
